Wie geht es weiter im Filmgeschäft? Irgendwie geht’s immer weiter, doch zu den wichtigen Fragen im noch jungen Jahr 2012 gehört jene nach der Krisenbewältigung der amerikanischen Filmindustrie. Deren “große Rettung”, namentlich die 3D-Technik, geriet 2011 kräftig ins Straucheln. In vielerlei Hinsicht könnte das neue Jahr also zum entscheidenden Wendepunkt im Hype um die überteuerte Rettungsmaßnahme sein. Auch thematisch wird das Hollywood-Kino 2012 von Krisen geschüttelt – oder sagen wir besser: Es rennt vor ihnen davon. Aber was wünschen wir uns eigentlich vom US-Kino in den kommenden Monaten?
Zauberhaft eskapistisch
Ausgerechnet im Jahr Null nach Harry Potter versinken die Studios in fremden Märchenwelten. Über die nächsten Monate verstreut werden die Kinos mit Snow White and the Huntsman, Spieglein Spieglein – Die wirklich wahre Geschichte von Schneewittchen, Jack and The Giants, Hänsel & Gretel: Hexenjäger, Die Schöne und das Biest 3D, Abraham Lincoln Vampirjäger, Merida – Legende der Highlands und schließlich Der Hobbit: Eine unerwartete Reise torpediert. Nachdem sich das Filmjahr 2011 an Alieninvasionen unterschiedlichster Couleur abarbeitete, von World Invasion: Battle Los Angeles bis hin zu Attack the Block, steht der martialische Invasionsfilm Battleship im April fast allein auf weiter Flur. Stattdessen scheinen sich die potenziellen Blockbuster des Jahres 2012 nach all der Zerstörung in fremde Welten zu flüchten.
Natürlich ist insbesondere der Hollywood-Film nicht gerade für seine realistische Herangehensweise berühmt. Eskapismus steckt immer drin in den Effektgewittern. Ein kriegerisches Werk wie Battle: Los Angeles bietet ebenso eine Weltflucht wie Twilight Teil 345. Während Alieninvasionen filmisch die Möglichkeit bieten, reale Gesellschaftsstrukturen in Extremsituationen auszutesten, wie es eben in Battle: Los Angeles und Attack the Block getan wurde, werden in (High-)Fantasyfilmen eher historische Machtstrukturen und Funktionsweisen präsentiert. Dementsprechend spielen die Märchenadaptionen naturgemäß meist in Gesellschaften, die ans europäische Mittelalter angelehnt sind. Es gibt böse Königinnen und gute Prinzen. Märchen bieten andererseits die Gelegenheit reale Gegebenheiten als überzeichnetes Gleichnis zu kommentrieren. Ob die Fantasyfilme 2012 dieses Potenzial ausschöpfen oder ihren Märchenkontext bloß als das nutzen, was er ist, einen Aufhänger für Effekte, das können wir momentan natürlich nicht einschätzen.
Schicksalsjahre eines Superhelden
Wir befinden uns gerade im zweiten Jahrzehnt der filmischen Superheldenwelle. Mit X-Men – Der Film landeten im Jahr 2000 die kostümierten Comichelden im Zuschauermainstream und wer hätte damals gedacht, dass sie dort dauerhaft Platz nehmen? Schon im letzten Jahr konnten wir eine Art Kreisbewegung im Superheldengenre wahrnehmen. Da wurden nämlich die X-Men von Matthew Vaughn (X-Men: Erste Entscheidung) mit dem Prequel-Begriff als Ausrede runderneuert. 2012 könnte nun den Höhe- und Wendepunkt der Genre-Entwicklung markieren. Zehn Jahre nach Spider-Man beginnt die Spinnenstory in The Amazing Spider-Man noch einmal von vorn. Es scheint so, als seien die Vorlagen aufgebraucht und der einzige Ausweg für das Genre ist die wiederholte Erzählung weniger Vigilantenmythen.
Die Bedeutung des Superheldenjahres 2012 wird allerdings ganz besonders durch The Dark Knight Rises und Marvel’s The Avengers definiert werden. Zweierlei Großprojekte kommen hier zu einem vorläufigen Höhepunkt und Ende. Da ist zum einen die Batman-Trilogie von Christopher Nolan, deren nachhaltiger Einfluss auf das Genre noch unklar, deren Bedeutung für die öffentliche Wahrnehmung der maskierten Filmhelden aber nicht zu unterschätzen ist. Dieser Batman-Zyklus wird höchstwahrscheinlich wie Spider-Man durch einen weiteren abgelöst werden. Er löste immerhin auch selbst einen ab. Der Erfolg dürfte aber kaum zu wiederholen sein. Zum anderen führt Marvel mit Avengers im April ein einzigartiges Unterfangen in seine finale Phase, auf das über Jahre und Filme hingearbeitet wurde. Selbst wenn es ein Avengers 2, ein Captain America 2 usw. geben sollte, ist Marvel’s The Avengers ungeachtet dessen der Gipfel des Superheldenhypes. Im Frühling wird sich zeigen, ob Marvels Versuch Früchte trägt, mit mehreren nur marginal zusammenhängenden Blockbustern tatsächlich ein mit den Comics vergleichbares Superheldenuniversum aufzubauen.
We Were Warned
Superhelden- und Fanatsyfilme werden die nächsten 12 Monate bevölkern. Aber wie werden sie präsentiert? Rennen die Zuschauer erneut in Strömen in die Kinos, bezahlen einen Aufschlag, setzen sich Brillen auf und bewundern die dreidimensionalen Effekte? Schon 2011 gab es starke Anzeichen, dass die 3D-Welle ab Abflauen ist. Da die Besucherzahlen weiter zurückgehen, wird 2012 entscheidend sein für die weitere Entwicklung der 3D-Technik. Wird die Prozentzahl der 3D-Besucher pro Film weiter sinken, wie sie es seit 2010 tut? Kommt es anders und die Zahl stagniert, was auf eine Etablierung der Technik schließen lassen würde?. Oder können Mega-Blockbuster wie John Carter – Zwischen zwei Welten, Avengers und Der Hobbit die Faszination wieder aufleben lassen? Immerhin kommt im April Titanic in die Kinos.
Mit durchschnittlich drei bis vier 3D-Veröffentlichungen pro Monat müssen wir 2012 auf jeden Fall rechnen. Noch ist der Hype nicht tot und die Studios und Kinos werden alles daran setzen, weiterhin überteuerte Tickets unters Volk zu bringen. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig angesichts der enttäuschenden Besucherstatistiken. Das Filmjahr 2012 wird zeigen, ob sie mit ihren Märchen- und Superheldenfilmen das Kino wieder attraktiver gestalten können oder schlicht noch mehr Zuschauer verlieren.
Was erwartet ihr euch vom Kinojahr 2012?