Bizarrer Netflix-Skandal: Der Cuties-Shitstorm erdrückt einen tollen Film

16.09.2020 - 10:35 UhrVor 3 Jahren aktualisiert
CutiesNetflix
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Der Netflix-Film Cuties aka Mignonnes ist zum Mittelpunkt eines gewaltigen Shitstorms geworden. Dabei ist die Kontroverse absurd, denn der tolle Coming-of-Age-Film ist das genaue Gegenteil der Vorwürfe.

Seit einigen Tagen sorgt ein aktueller Film bei Netflix wieder für Schlagzeilen. Um den französischen Coming-of-Age-Streifen Mignonnes ist ein regelrechter Shitstorm entbrannt, bei dem aufgebrachte Stimmen dem Streamingdienst vorwerfen, er würde Inhalte für Pädophile anbieten.

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Zwischen extremen Twitter-Kommentaren, einem Boykott-Hashtag und gekündigten Netflix-Accounts rückt der Film selbst aber immer mehr in den Hintergrund. Dabei hat die Regisseurin Maïmouna Doucouré einen sehr klugen, einfühlsamen Beitrag übers Erwachsenwerden gedreht, der sämtliche Argumente gegen sich selbst direkt reflektiert und aufbricht. Mehr Menschen sollten Mignonnes aka Cuties schauen anstatt sich nur über ihn aufzuregen.

Hier könnt ihr euch den deutschen Trailer zu Cuties anschauen

Mignonnes (Cuties) - Trailer (Deutsch) HD
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Netflix hat die Werbekampagne zu Cuties vermasselt

Als Netflix Ende August ankündigte, Cuties ab September ins Streaming-Angebot aufzunehmen, ist direkt der erste Shitstorm entstanden. Völlig zurecht hatte der Streamingdienst hier noch Kritik dafür verdient, den Film mit einem befremdlichen Poster zu bewerben, das Cuties in ein sehr fragwürdiges Licht rückt:

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Allein der Kontrast zwischen dem ersten französischen Poster und dem neuen Netflix-Poster, das den Film wie Magic Mike mit viel zu jungen Mädchen wirken lässt, könnte kaum größer sein. Ein krudes Marketing-Mittel, für das sich Netflix umgehend entschuldigte:

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Es tut uns sehr leid wegen dem unangemessenen Poster, das wir für Mignonnes/Cuties verwendet haben. Es war weder in Ordnung noch repräsentativ für diesen französischen Film, der in Sundance ausgezeichnet wurde. Wir haben jetzt die Bilder und die Beschreibung aktualisiert.

Das Poster war jedoch erst der Anstoß für einen neuen Shitstorm - und dieser könnte kaum absurder sein. Noch vor dem vergangenen Wochenende schaffte es der Hashtag #CancelNetflix plötzlich lange Zeit auf Platz 1 in den Twitter-Trends, was vor allem an einer gezielten Hasswelle aus den USA lag.

Gerade aus dem politisch rechtskonservativen Lager häuften sich Kommentare, die den Film einer schwarzen Regisseurin als Vorlage für pädophile Fantasien verteufelten und den Boykott von Netflix forderten. Den tollen Film selbst dürften die wenigsten von diesen lauten Stimmen aber überhaupt gesehen haben.

Cuties beschreibt klug das Aufwachsen in einer übersexualisierten Gesellschaft

Cuties entpuppt sich recht schnell als ebenso aufmerksame wie einfühlsame Beobachtung eines jungen Mädchens, das vom Aufwachsen zwischen zwei extremen Welten hin- und hergerissen wird. Zuhause wird die 11-jährige Amy, Tochter senegalesischer Immigranten in Paris, streng konservativ erzogen.

Durch ihre Schulkameradinnen kommt sie dagegen mit einer ausgelassenen Körperlichkeit in Berührung, bei der das Tanzen und dabei aufgenommene Videos zum Ausdruck des rebellischen Erwachsenwerdens werden. Während Amy von ihrer Mutter zu muslimischen Gebetstreffen geschickt wird, wo Frauen im altmodischen Geschlechtermodell ihrem Mann dienen sollen, kommt sie durch die Mädchen an ihrer Schule in Kontakt mit dem modernen Drang nach Selbstbestimmung.

Die wenigen Szenen, in denen Regisseurin Maïmouna Doucouré die jungen Mädchen beim Einüben lasziver Tanz-Choreografien in knappen Kleidern zeigt, sind der konsequente, kritische Spiegel einer übersexualisierten Gesellschaft, die in jungen Jahren längst mit unzähligen solcher Videos auf Social-Media-Plattformen wie TikTok oder Instagram zugeschüttet wird.

Im Video stellen wir euch die 5 besten Netflix-Filme nach Community-Wertung vor

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Cuties ahmt diesen voyeuristischen Blick auf die oftmals fragwürdig jung aussehenden Protagonistinnen solcher Videos nach, um Amy mehr und mehr in eine drastische Spirale aus Geltungsdrang und zwanghafter Aufmerksamkeit zu verwickeln. Auch Nacktfotos, die das Mädchen schnell mit dem Handy schießt, sind in Doucourés Film nur ein verzweifelter Versuch, unter Gleichaltrigen unbedingt sichtbar bleiben zu können.

Klug kritisiert die Regisseurin, basierend auf eigenen Jugenderfahrungen, beide Welten ihres Films, indem sie das streng konservative Elternhaus von Amy genauso an den Pranger stellt wie eine Gesellschaft, in der öffentliche Wahrnehmung mit immer extremeren Inszenierungsstrategien des eigenen Körpers verknüpft sein muss.

Achtung, es folgen Spoiler zum Finale von Cuties!

Spätestens das fantastische Finale von Cuties lässt all die lauten Stimmen verstummen, die dem Film das bloße Abbilden pädophiler Fantasien vorwerfen. Darin kommt es schließlich zu der Szene, die Netflix für das misslungene Poster verwendet hat. Amy und ihre Freundinnen stehen im Finale eines Tanzwettbewerbs und geben auf der Bühne in knappen Outfits und ausgelassenen Bewegungen nochmal alles.

Die Performance wird jedoch urplötzlich unterbrochen, als Amy auf der Bühne in Tränen ausbricht und davonrennt. Indem die Regisseurin ihre viel zu junge Hauptfigur an der bizarren Situation zerbrechen und zum ersten Mal in die Arme ihrer endlich verständnisvollen Mutter laufen lässt, gelingt Cuties ein optimistisches Schlussbild, das die Fassade pädophiler Wunschvorstellungen krachend zum Einsturz bringt.

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Habt ihr Cuties schon bei Netflix geschaut?

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