Action-Meisterwerk bei Netflix: Miami Vice ist eine düstere Bilderflut

31.05.2020 - 13:00 UhrVor 4 Jahren aktualisiert
Miami Vice mit Jamie Foxx und Colin FarrellUniversal
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Als filmische Neuauflage unterscheidet sich Miami Vice radikal von der Serie aus den 80ern. Geschaffen hat Michael Mann stattdessen eine beeindruckende Bilderflut an den Grenzen des digitalen Kinos.

In Miami Vice von Michael Mann sind häufig Blicke von Figuren zu sehen, die einer anderen Figur gelten und langsam von der Schwärze der Nacht verschlungen werden. Mit dem Drehbuch zur filmischen Neuauflage der ikonischen Serie aus den 80ern stößt der Regisseur von zeitlosen Klassikern wie Heat verständlicherweise viele Action-Fans vor den Kopf.

Oberflächlich ist die Filmversion von Miami Vice aus dem Jahr 2006 nur ein konventioneller Thriller, in dem zwei Cops undercover einen Drogenschmugglerring infiltrieren. Michael Manns Film, den ihr aktuell bei Netflix streamen könnt, fordert den Zuschauer vielmehr dazu auf, sich in den spektakulären Bilderfluten dieses Films zu verlieren.

Miami Vice grenzt sich zum Glück radikal von der Serie ab

Zusammen mit den zwischen Privatleben, beruflicher Verpflichtung und vorgetäuschter Identität zerrissenen Hauptfiguren treibt der Zuschauer in dem ästhetischen Meisterwerk durch schier endlose Nächte, gebrochene Herzen und verlorene Leben.

Hier könnt ihr euch den deutschen Trailer zu Miami Vice anschauen

Miami Vice - Trailer 3 (Deutsch)
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Aus der Popkultur der 80er-Jahre ist Miami Vice heute nicht mehr wegzudenken. Zu stilprägend ist die coole Neon-Atmosphäre eines Miamis, durch das sich das Cop-Duo Crockett und Tubbs mit unübertrefflicher Lässigkeit bewegt. Als kreativer Antrieb verlieh Michael Mann der Serie als Produzent eine Optik, die an stylishe Musikvideos der damaligen Ära angelehnt war und deren Energie mühelos auf die Serie übertrug.

Von dem poppigen Stil der Serie fehlt in Manns Film-Adaption dagegen ab der ersten Szene jegliche Spur. Der Regisseur treibt seine Handschrift stattdessen noch weiter voran und reizt die Möglichkeiten sowie Grenzen des digitalen Filmemachens aus.

Crockett und Tubbs (im Film von Colin Farrell und Jamie Foxx gespielt) werden hier in ein, im wahrsten Sinne des Wortes, dunkles Licht gerückt, das die einst so strahlenden Hemden und sonnigen Kulissen gegen nachtschwarze Finsternis und eisblaue Kälte tauscht. An der Erzeugung nostalgischer Glücksgefühle ist der Regisseur hier nicht interessiert.

Dass Michael Mann aber auch weiterhin zu den begnadetsten Stilisten des modernen Kinos zählt, beweist der Regisseur schon im Auftakt des Films. Darin schälen sich die beiden Protagonisten in einer vollen Disco aus dem Meer an Menschen heraus.

Während man sich als Zuschauer erstmal zurechtfinden muss und Colin Farrell beim Bestellen eines Mojitos folgt, überwältigt Miami Vice einen gleichzeitig mit berauschenden Sinneseindrücken des Partygetümmels und einer Klangkulisse aus dem Linkin Park-/Jay-Z-Crossover und einem hypnotisierenden Sinnerman-Remix.

Miami Vice sucht die Dramatik in der Ästhetik der Bilder

Schon vor Miami Vice hat Michael Mann mit Collateral einen der schönsten Filme über die Nacht gedreht. Auch hier waren es vor allem die fast schon unwirklich erscheinenden Momente einer beinahe nie enden wollenden Nacht, die neben dem elektrisierenden Schauspielduell zwischen Jamie Foxx und Tom Cruise in Erinnerung bleiben.

Unvergesslich ist die Szene, als vor den beiden ein Coyote über die Straße läuft und die eigentliche Handlung über den Profikiller und seinen notgedrungenen Chauffeur plötzlich stillsteht. Solche Momente, in denen das Zeitgefühl durch Manns Ästhetik plötzlich eine ganz neue Bedeutung erhält, tauchen auch in Miami Vice regelmäßig auf.

Zum Vergleich könnt ihr euch hier noch einen Trailer zur Miami Vice-Serie anschauen

Miami Vice - Trailer S01 (English)
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Den lebensgefährlichen Undercover-Einsatz von Crockett und Tubbs, bei dem gerade Crockett wegen seiner Affäre mit der Geliebten des Drogenbosses an dem Wechselspiel zwischen Fassade und Aufrichtigkeit zu zerbrechen droht, untermalt der Regisseur immer wieder mit den passenden Bildern.

Wie von Mann gewohnt besitzen auch die sparsam eingestreuten Schusswechsel des Films eine packende Wucht, als würde jede Kugel an einem selbst vorbeirasen. Viel eindringlicher sind jedoch die Aufnahmen eines Speedboots, das ähnlich verloren wie die Hauptfiguren im Autopilot-Modus übers Meer braust.

Oder ganz am Ende noch einmal einer dieser Blicke zwischen zwei Figuren, die sich zuvor noch in den Armen gelegen waren und schließlich von der Dunkelheit auseinandergerissen und verschlungen werden.

Wie steht ihr zur Filmversion von Miami Vice?

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