Anfang ohne Ende (1) – Buch

10.09.2014 - 10:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
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Endlich Nachrichten aus der MP-Schreibstube!

Bei der Entwicklung von Geschichten gibt es, wie bei jeder anderen kreativen Arbeit auch das, was am Ende davon übrig bleibt – also in unserem Fall hoffentlich die Serie in all ihren Inkarnationen vom Drehbuch bis zum youtube-rip-off – sowie das, was hinter den Kulissen geschieht. Leider kann man das eine vom anderen nie vollständig trennen, und es ist selten so, dass einem beides mit der gleichen Lust an der Sache von der Hand geht. Der kreative Prozess ist wo ich mich wohl fühle, das Drumherum bereitet mir eher Kopf- oder Bauchschmerzen. Und ja, manchmal macht mir auch das Spaß. Dennoch gehören beide Seiten zusammen, und was sich auf beiden Seiten dieser Medaille in den letzten Wochen getan hat, möchte ich heute berichten. Wird ja auch höchste Zeit. Ähem.

Natürlich beginne ich heute mit dem Teil der mir lieb(er) ist – dem Drehbuch. Ich weiß, ich weiß, es gibt erste Ungeduldige, die bereits sehnsüchtig auf das Buch der zweiten Folge warten. Fertig ist es noch nicht, würde es aber sein, hätte ich nicht die Notbremse gezogen. Darauf komme ich dann morgen in einem eigenen Artikel zu sprechen. Als Trostpflaster gibt es aber weiter unten ein Trostpflaster. Zunächst aber die dazugehörige Erklärung.

Vor knapp einem Monat zählte ich noch die Tage, bis ich endlich mit dem Schreiben beginnen könnte, hatte tolle Sachen recherchiert, vom Katastrophenschutz bis hin zu einem Golfplatz auf Militärgelände waren viele Überraschungen dabei, und ich brannte darauf die Pfade zu betreten, die die losgelassenen Zügel meiner Phantasie entlang galoppieren würden. Der Anfang schrieb sich flott, das Szenenoutline für die Folge stand fest, und schon in der zweiten Szene stockte ich vor Verblüffung. Das war besser als alles was ich mir erträumt hatte. Doch es fehlte etwas. Eine Zutat, ein Gefühl, das sich schwer beschreiben, und noch schwerer abstellen lässt. Nein, keine Schreibblockade, ganz im Gegenteil, es ist als säße ich mit angezogener Handbremse und gleichzeitig Vollgas gebend auf glühenden Kohlen! Doch dieses Gefühl ist noch stärker. Ein Gefühl, das viel mit Erdung zu tun hat, mit dem, was diese Geschichte einmal ausmachen soll. Und es bricht sich an Emma. Ich will mich gerade nicht in den Kopf von Emma einklinken, wenn ich nicht genauer weiß wo sie herkam. Bei allen anderen Figuren ist das einfach, doch Emma ist im Prequel der einzige Charakter, der in Woipating aufgewachsen ist. Eine der beiden Wächterinnen (ups – Spoiler :) war zwar mal dort, und wir haben uns viel über den Ort erarbeitet, selbst die Konturen über die Jahrhunderte hinweg nehmen konkretere Züge an, das uns so wichtige Generationen- und Staffelübergreifende. Aber mein Gefühl im Kopf von Emma ist noch nicht richtig angekommen. Ihre Mutter kenne ich schon weit besser, nur sind wir noch nicht so weit in der Erzählung fortgeschritten, als dass ich mir darüber schon den Kopf zerbrechen müßte.

Das ist zwar etwas worüber ich gegenwärtig einfach hinwegschreiben könnte, um es in einer späteren Fassung zu korrigieren, wie ich es schon jetzt für das Drehbuch des Piloten getan habe, aber die Problematik des Drumherums hält mich endgültig davon ab. Also habe ich mich beim Schreiben um eine Verfeinerung des Piloten bemüht, denn dazu haben wir viel Feedback bekommen, und ich glaube wir haben allen angesprochenen Punkten Rechnung getragen – vielleicht nicht immer so wie erwartet, dafür aber mit gutem Gewissen.

So haben wir Frank in Benjamin umbenannt und an seinem Lebenslauf ebenso wie an seinen beruflichen Umständen gefeilt, die nun deutlicher hervortreten, und ihn auf Augenhöhe mit Emma bringen (oder sie sogar überholt). Seine Journalistentätigkeit steht nun auf solideren Füßen, und das Verhältnis zu seinem Chef ist weniger freundlich-familiär, kann sich also erst noch dorthin entwickeln. So geht Dramaturgie, vielen Dank. Beide Figuren werden uns so mehr ans Herz wachsen.

Ebenfalls Erich hat einen Neuanstrich bekommen, und die Szene mit ihm liest sich auch aus anderen Gründen gänzlich anders – denn Emma hat nun ihr Mobiltelefon dabei, obwohl sie es hasst. Wir erzählen immer noch den gleichen Umstand, nur ist diesmal ihre Umgebung verblüfft, weil sie sich anders als “normal” verhält, was alle Szenen enorm dynamisiert. Außerdem drückt Benjamin (aus verschiedenen, stets nachvollziehbaren Gründen) ihre Anrufe weg, was aber die Verbindung der beiden miteinander besser erzählt, und ihren Wunsch mit ihm sprechen zu wollen von Anfang an etabliert. Kurzum, alles ist besser, ausgereifter geworden.

Das wird nirgendwo so deutlich, wie in der vermaledeiten Anfangsszene :)

In der ersten Fassung, die ich euch hier mal verlinkt  habe, waren die “Esoteriker” noch billiges Kanonenfutter wie wir es aus unzähligen Filmen kennen, die Rotuniformierten auf der Enterprise, die “Ist da wer?” Stichwortgeber, die selber keinen Stich machen, sondern nur selber welche einfangen. Um überhaupt erstmal was auf der Seite zu haben ist das ok. Die Reaktionen des writers’ room waren eindeutig, niemand ließ ein gutes Haar daran.

Dann traf mich eine weitere Inspiration wie ein Blitz – ich wusste was ich noch mit dieser Szene erzählen wollte, was sich erst erschließt wenn die Serie zu ihrem Abschluss kommt, das erste Easter egg, und zugleich das Letzte das eingelöst werden wird, in ferner Zukunft. Es zu verstecken erwies sich dann als ausgesprochen schwierig. Dann sind noch später wichtige, weiterführende Gedanken und Querverweise eingebaut, man merkt der Szene  an, dass sie ausgearbeitet ist und die Charaktere keine reinen Schießbudenfiguren mehr sind, genau wie ich es daraufhin im ersten Gebot des w.rite club  festhielt. Aber trotzdem merkwürdig seelenlos. Ziellos. Glücklicherweise wurde das bemerkt, und besonders einem Freund und Kollegen  bin ich besonders dankbar, weil er es so schonungslos wie kein anderer auf den Punkt brachte, und zwar so, dass ich es begriff.

Eine Ahnung wie man es besser machen könnte hatte ich nicht. Nur, dass ich den Ausdruck “Esoteriker” streichen musste, weil der genauso klischeehaft verzerrt ist wie “Gutmenschen” und viele andere Worte, die viele Leser auf (falsche) Fährten locken, wo ich sie gar nicht haben wollte. Erstaunlich was für einen Unterschied so ein Wort machen kann. Darüber hinaus war da keine Lösung am Horizont. Dafür aber das richtige Gefühl, das sich einstellen müsste. Der Knoten platzte quasi beim Schreiben der Szene von alleine. Plötzlich war da einerseits eine “auf einmal” wie zufällig (und damit viel besser als in der angestrengten Vorgängerversion) wirkende Verbindung zwischen dem beschriebenen visuellen Bild und der erwähnten Physik, sowie Figuren, von denen man jetzt den ersten Hauch von Vorgeschichte und Persönlichkeit spürt, aber lest selbst:

Kleiner Vorgeschmack auf die dritte Drehbuchfassung .

Bin ich zufrieden mit mir? Für den Moment ja, weil ich die Bewegung in die richtige Richtung wahrnehme. Bin ich fertig? Noch lange nicht. Ich hatte den Punkt noch nicht am Ende der Szene gesetzt, da wusste ich schon was ich beim nächsten Durchgang noch besser herausarbeiten will. Außerdem wirkt jetzt der Parkwächter im Vergleich zu den anderen weniger ausgearbeitet, dabei war er bis hierhin immer derjenige gewesen, mit dem ich richtig reinkam in das Buch. Jetzt nicht mehr. Also muss ich mir über ihn weitere Gedanken machen. Damit ist die Entwicklung von Fassung vier bereits angelaufen, da habt ihr die dritte noch nicht mal gelesen! Das ist kein Drehbuch, sondern ein Möbiusband . Das lässt sich zwar nicht vermeiden, aber es gab mir zu denken:

Will ich wirklich dass ihr schon ein Drehbuch lest, wenn wir dann nachträglich Namen, Szenen und Abläufe ändern? Sollte das Buch nicht schon näher am finalen Produkt sein? Schreibt uns was ihr denkt, lasst uns damit nicht allein. Wie viel sollen wir mit euch teilen? Eine gewisse Unfertigkeit wird sich nie vermeiden lassen, dafür seid ihr aber hautnah dabei, und genau das unterscheidet ja unsere Herangehensweise von der üblichen. Womit wir beim nächsten Artikel angelangt wären. Den gibt es dann aber erst morgen.

Heute war mir wichtig, was ich mir hinter die Ohren geschrieben habe, wenn es um Erfolg versprechenden Umgang mit Feedback geht, was ich so ähnlich dieses Jahr irgendwo im Netz aufgeschnappt habe. Es gibt immer Stellen, an denen es hakt, und eben jenen sollte man sich noch einmal widmen – das heißt nicht unbedingt das man etwas inhaltlich ändern muss, aber vielleicht dass man etwas noch klarer als bisher zum Ausdruck bringen kann. Uns erscheint vieles sonnenklar, während andere alleine im Neben stehen. Denen wirft man dann eben noch einen die Sicht klärenden Nebensatz zu, und gut is.

Allerdings, wenn es um das “hinter die Ohren”-Schreiben geht ist große Vorsicht angebracht, denn:

Was man anderen hinter die Ohren schreibt muss man ihnen am Ende doch wieder nur vorlesen.

Nein, so ist es besser:

Was man sich hinter die Ohren schreibt endet dort nur als unleserliches Gekrakel.

Verzeihung, natürlich meinte ich:

Was man sich hinter die Ohren schreibt schmiert man sich später in die Haare.

Oder doch eher so…

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Crosspost von wasbleitistprost.de 

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