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Arnie versus Jugendschutz

31.07.2017 - 13:04 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Bild zu Arnie versus Jugendschutz
Garcias Videothek | Twentieth Century Fox
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Arnies deutsche Fans hatten es in den 1980ern nicht leicht. Während sich das charismatische Muskelpaket mit Außerirdischen und Terroristen anlegte, führten seine Fans hierzulande einen erbitterten Kampf gegen die Hüter des Gesetzes. Genauer gesagt, gegen den Jugendschutz. Noch genauer gesagt, gegen die FSK und BPjS (heute BPjM).

Fast jeder zweite Film mit Schwarzenegger war den Sittenwächtern bei der Freiwilligen Selbstkontrolle  und/oder der Bundesprüfstelle ein Dorn im Auge und wurde hierzulande nur geschnitten veröffentlicht und im schlimmsten Fall anschließend indiziert. Ein Umstand, der die Beschaffung der ungekürzten Fassungen im Prä-Internet-Zeitalter verkomplizierte. So kam es, dass selbst volljährige Käufer bevormundet wurden und großen Aufwand betreiben mussten, um sich die ungeschnittenen Originalfassungen zu besorgen.

Ein allgemeines Problem, das Videofans in den 80ern und 90ern nicht fremd war. Wurde doch mit der aufkommenden Videowelle in einem Anfall von Panik, Überforderung und übertriebener Präventionsmaßnahmen jeder vermeintlich selbstzweckhafte und verrohende Gewaltfilm um seine Schauwerte beraubt, um ihn sicherheitshalber danach noch auf die Liste jugendgefährdender Schriften zu setzen. Vor allem der ganze vermeintlich kranke Scheiß, der direct to video erschien. Doch Arnies Filme gehörten nicht in diese Sparte. Arnies Filme waren gewalttätig, aber nicht verherrlichend; ausufernd, aber nicht exploitativ. Vor allem aber waren es Kinofilme. Es war Hollywood mit Ecken und Kanten. Viel Budget, wenig Skrupel!

"Conan der Barbar" machte ihn zum Hollywood-Star, mit "Terminator" erlangte er Weltruhm. Es kamen der Erfolg ... und die Probleme gleich mit. Diese kündigten sich schon zu Beginn seiner Karriere als Darsteller an. Der heute als Trash-Gurke gefeierte "Herkules in New York", in dem ein junger Bodybuilder namens Arnold Strong den titelgebenden Halbgott spielt, bietet allerlei unfreiwillige Komik dank Bärenkämpfe im Central Park, stark ausgeprägtem österreichischen Akzent des Hauptdarstellers und historischer Akkuratesse. Die Komödie, die sich heute bereits Kinder ab 6 Jahren anschauen dürfen, wurde bei seiner deutschen Videopremiere 1985 - über 15 Jahre nach Erscheinen des Films - nur Zuschauern ab 18 Jahren zugemutet - aber immerhin ungeschnitten!

Das gleiche Schicksal ereilte dem wenige Jahre später erschienenen Film "Mister Universum" (Originaltitel: "Stay Hungry"), in dem Arnold eine tragende Rolle neben Größen wie Jeff Bridges und Sally Field spielt. Nur Volljährige durften sich das Drama anschauen. Den Film gibt es neugeprüft auf DVD mit einer FSK12-Freigabe seit 2010. Ein bedeutendes Jahr für einige problematischere Titel aus dem Œuvre des Herrn Schwarzenegger, wie im Folgenden erklärt wird...

Deutschland im Jahre 2010... Die Sittenwächter erhoben sich aus der Asche des bürokratischen Feuers. Ihr Krieg zur Vernichtung der verrohenden Gewaltfilme hatte jahrzehntelang gewütet, aber die letzte Schlacht sollte nicht in der Zukunft geschlagen werden. Sie wird hier geschlagen, in unserer Gegenwart. Heute Nacht! (ein zielstrebiger Terminator-Fan nach Bekanntgabe der Indizierung)


Mit dem damaligen Achtungs- und Überraschungserfolg und mittlerweile zum Kult avancierten Action-Klassiker "Terminator" wurde eine der ikonischsten Filmfiguren geboren, die die Popkultur je hervorbrachte, James Camerons Karriere ankurbelte und Schwarzeneggers zementierte. Was in den USA wunderbar funktionierte, war den deutschen Jugendschutzbeauftragten ein Dorn im Auge. Bereits im Kino lief der filmgewordene Nihilismus am 15.03.1985 in einer um 3 Sekunden gekürzten Fassung mit einer Freigabe ab 18 Jahren, welche auch ihren Weg auf VHS fand. Im gleichen Jahr noch kassierte die Bundesprüfstelle diese Fassung ein. Von nun an durfte sie weder öffentlich beworben noch verkauft werden.

Nachdem ein 2003 eingegangener Antrag auf Listenstreichung von der BPjM abgelehnt wurde, war 2010 die Zeit gekommen und die Schlacht gegen die Sittenwächter siegreich. Mit der Begründung einer "mangelnden Jugendaffinität und eine mäßige Eignung der Charaktere als Identifikationsfiguren" (BPjM Aktuell 01/2015, Seite 15 ) sowie der Tatsache, dass "die darin enthaltenen Gewaltdarstellungen nicht mehr als verrohend eingestuft wurden" (BPjM Aktuell 01/2011, Seite 29 ), wurde "Terminator" am 31.08.2010 offiziell von der Liste jugendgefährdender Medien gestrichen. Nach einer anschließenden Neuprüfung durch die FSK wurde der Film mit einer Freigabe ab 16 Jahren versehen.


"Terminator" war nicht der einzige Klassiker Schwarzeneggers, für den 2010 das Jahr der Rehabilitierung bedeutete. Nur einen Monat später gelang es 20th Century Fox, mit "Das Phantom Kommando" die Blaupause des modernen Action-Films vom Index zu holen - nach 24 Jahren. Somit war es möglich, die ungeschnittene Fassung in Deutschland zum allerersten Mal überhaupt frei zu verkaufen. Für die Kinoauswertung wurde der Film leicht geschnitten, eine ebenfalls geschnittene Fassung auf VHS wurde im März 1987 indiziert. Dem ging eine bereits ein Jahr früher stattgefundene Indizierung einer italienischen VHS voraus. Heute kann man als Volljähriger (zur Jugendfreigabe hat es in diesem Fall nicht gereicht) den Testosteron-Schinken ungeschnitten im längeren, minimal härteren Director's Cut auf Blu-ray bewundern.

Er will seine Rache - er kriegt sie!


Die Deindizierungswelle alter Arnie-Streifen begann 2010 mit "Predator". Die Gunst des Kinostarts von "Predators", dem dritten Teil der Reihe, nutzten die Damen und Herren bei FOX und man reichte das Original bei der BPjM ein. Diese sah "die im Film enthaltenen Gewaltdarstellungen aus heutiger Sicht nicht länger als verrohend" (BPjM Aktuell 01/2011, Seite 29 ) an und strich John McTiernans Zeitdokument der Reagan-Ära nach 22 Jahren Index-Dasein am 30.05.2010 von der Liste. Wie bei "Terminator" gab es nach erfolgter Neuprüfung eine Freigabe ab 16 Jahren.


Auch 2011 durften sich Arnie-Fans über eine weitere Listenstreichung eines hervorragenden Klassikers erfreuen. Paul Verhoevens herrlich und übertrieben blutiger Mars-Ausflug "Die totale Erinnerung - Total Recall" wurde am 31.08.2011 nach 20 Jahren vom Index befreit. Erneut sah das Prüfergremium der Bundesprüfstelle die "darin enthaltenen Gewaltdarstellungen aus heutiger Sicht nicht länger als verrohend" (BPjM Aktuell 01/2012, Seite 26 ) an. Das sahen die Kollegen bei der FSK sicher auch so, dennoch war ich von der anschließenden Jugendfreigabe etwas überrascht. Trotz deutlich erkennbarer Überspitzung zählt "Total Recall" für mich immer noch zu seinen härtesten Filmen.


Wie auch "Predator" feiert Arnies anschließender Film "Running Man" in diesem Jahr sein 30-jähriges Jubiläum. In Deutschland lief er am 30.06.1988 an. Wie auch "Predator" wurde Arnies anschließender Film "Running Man" indiziert. Die Bundesprüfstelle attestierte ihm eine Jugendgefährdung, weshalb man die lose Adaption des gleichnamigen Stephen-King-Romans (hier unter seinem Pseudonym Richard Bachman) am 28.02.1989 einkassierte. Dort verharrte die dystopische Sci-Fi-Action-Satire fristgemäß 25 Jahre. Nach erneuter Prüfung kam man zu dem Ergebnis, dass der Film keine sozialethische oder desillusionierende Wirkung mehr auf Jugendliche aufweise und verschonte ihn mit einer Folgeindizierung. Seit dem 31.01.2014 ist damit der letzte Film von Arnold Schwarzenegger vom Index runter.

1991 erfolgte die letzte Indizierung eines Schwarzenegger-Films und steht damit auch stellvertretend für das Ende einer Ära, in der in den USA übermenschliche Action-Helden als Symbol für eine unkaputtbare Weltmacht stehen (sollten) und in Deutschland langsam Ruhe in die (erste) Hysterie um Videogewalt einkehrte. Die Stallones und Schwarzeneggers haben sich etabliert, erfolgreiche Ausflüge ins Family Entertainment unternommen und erlangten Status als Pop-Ikonen.

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