Benno Fürmann zu Jerichow: Der Körper entscheidet

07.01.2009 - 14:30 Uhr
Benno Fürman in Jerichow
Piffl Medien / Christian Schulz
Benno Fürman in Jerichow
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NEWS» Schauspieler Benno Fürmann zu seinem neuen Film Jerichow mit Nina Hoss und Hilmar Sözer.

Schauspieler Benno Fürmann im Interview:

Mit Ihrer Figur, dem Thomas, gehen wir in den Film hinein und begreifen, dass er gerade so etwas wie ein neues Leben beginnen möchte. Was wissen Sie als Schauspieler über so eine Figur in den ersten Szenen?

Eigentlich habe ich das gar nicht so gesehen, dass er ein neues Leben beginnen möchte. Sondern Thomas ist mehr oder weniger am Ende angelangt, am Ende einer Etappe. Wie geht so eine Reise weiter? Er ist ganz einfach wahnsinnig verwundet und will sich zurückziehen. Ich glaube, der Thomas ist einer, der auf der Suche ist. Ein erfülltes Leben zu leben ist in unserer heutigen Zeit nicht leichter geworden.

Es gibt verstärkt Menschen, die nach Adrenalin suchen, nach Abenteuer, die sich im Alltag nicht mehr wirklich spüren. In dieser Linie habe ich Thomas gesehen; als einen physischen Menschen, dem die Räume zu eng sind. Der sich am besten spürt, wenn die Reibungen am größten sind, wenn ein Thema neu ist und mit Feuer und Flamme angegangen werden kann. Diese Flamme ist bloß bis dahin immer wieder sehr schnell erloschen.

Ein interessanter Aspekt der Dreierkonstellation im Film ist, dass auch die Beziehung zwischen Ali und Thomas fast wie eine Liebesgeschichte beginnt. Ali wirbt richtiggehend um Thomas.

Eine Grundsympathie, vor allem von Alis Seite, war natürlich vorgegeben. Bei den Dreharbeiten, beim Spielen, war das sehr diffizil herauszuarbeiten: Wie weit kann Thomas aufmachen, wie weit geht er auf dieses Spiel ein, das eigentlich gar kein Spiel ist, sondern ein ernst gemeintes Freundschaftsangebot von Ali. Wie weit kann Thomas das mitmachen, ohne zum Spielball zu werden? Er ist zu Laura nett. Er ist zu Ali nett. Wo steht er?

Das fand ich die Aufgabe bei Thomas: trotz aller Entkräftung, die er ja mitbringt, eine Haltung zu haben, die nicht indifferent ist, sondern spezifisch. Das waren in Bezug auf Ali, gerade bei den Autofahr-Szenen, kleine Töne, die entscheidend waren.

Dieser Thomas ist physisch unglaublich präsent in diesem Film. Wie sind Sie an die Körperlichkeit dieser Figur herangegangen?

Die Körperlichkeit war immer Vorgabe. Insofern habe ich das einfach bei mir zu finden versucht. Aber die Art und Weise, die Haltung, wie du mit der Körperlichkeit im Kontext der Figur umgehst, darin besteht dann die Arbeit. Wie betritt so jemand den Raum, mit was für einem Gefühl zu sich selber? Wie nimmt er sein eigenes Laufen wahr? Bei Thomas war der Ansatz war für mich, dass nichts ausgestellt wird. Dass er nicht vorführt, nicht Eindruck machen will, sondern dass wir im Gegenteil einfach einen sehr körperlichen Menschen sehen, der nicht groß darüber reflektiert und der überhaupt keine Energie dafür aufwendet, irgendein ein Bild von sich zu präsentieren.

Haben Sie mit Christian Petzold über die Vorgeschichte, die imaginäre Biografie dieser Figur gesprochen, seine Herkunft aus Ostdeutschland, das Zeit geschichtliche?

Der Thomas war für mich immer eine greifbare Figur. Für gewisse Reaktionen oder Haltungen hatte ich Erklärungsbedarf, und ich habe mit Christian Petzold viele Gespräche gehabt, um das plausibel im Kopf und im Bauch für mich zu haben. Das ist für einen Schauspieler dann ein großes Geschenk, mit jemandem wie Christian zusammenzuarbeiten, der selber beim Reden seine Gedanken schärft, und der Filme mit einem größeren Kontext macht und sein Thema hat. Die Art und Weise, wie bei Christian Petzold geprobt wird, wie die Schauspieler mit einbezogen sind, auch die, die nur Tagesrollen haben …. das ist einfach eine Stärke von Christian Petzold. Dass viel über eine Zeit, über einen Landstrich, über ein politisches System, über Kapitalismus, über Menschen im Kapitalismus geredet wird – und es eben nie nur um die Figur, sondern um die Figur im Kontext geht. Aber die Figur muss man natürlich trotzdem für sich selber finden.

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