Christoph Schlingensief verbreitet Terror 2000

22.04.2014 - 15:01 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Christoph Schlingensiefs Terror 2000 - Intensivstation Deutschland
DEM/NDR/WDR
Christoph Schlingensiefs Terror 2000 - Intensivstation Deutschland
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Der Ausnahmekünstler Christoph Schlingensief war neben seinen Tätigkeiten als Filmemacher, Theater-Regisseur und Schauspieler vor allem eins: provokant. ZDF.kultur zeigt heute Abend seinen berüchtigten Film Terror 2000 – Intensivstation Deutschland.

Christoph Schlingensief ging immer gern dorthin, wo es weh tut. Als er eine Krebsdiagnose erhielt, rückte er die Krankheit in den Mittelpunkt seiner Kunst. Er legte den Finger gern in die Wunde und nahm kein Blatt vor den Mund. Er war Theaterschauspieler und -regisseur, Filmemacher, Aktionskünstler und sogar irgendwann Liebling des Feuilletons. Seine Kunst war immer kontrovers, provokant und meist unangenehm. Er drehte den Spieß gern um und stieß mit seinen Kunstwerken Menschen vor den Kopf. So rangieren seine Filme auch immer zwischen Trash und Kunst, sie stellen unsere gewöhnlichen Sehgewohnheiten auf den Kopf und fordern den Zuschauer. Sie sind meist wirklich anstrengend und nicht immer gut. Aber sie polarisieren, erschüttern und schockieren im besten Fall. ZDF.kultur zeigt heute Abend die gesamte Deutschland-Trilogie von Christoph Schlingensief samt Das deutsche Kettensägenmassaker und 100 Jahre Adolf Hitler – Die letzte Stunde im Führerbunker.

Heute um 23:15 Uhr läuft auch der dritte Teil der Trilogie, Terror 2000 – Intensivstation Deutschland mit Udo Kier. Kurz nach der Wende fahren Inspektor Körn und seine Assistentin Margret nach Rassau in die neuen Bundesländer. Eine polnische Familie ist auf dem Weg ins dortige Asylantenheim samt ihres Sozialarbeiters verschwunden. In Rassau herrschen jedoch äußerst raue Sitten und die ansässigen Neonazis terrorisieren ihre Mitbürger. Was sich wie ein Tatort anlässt, artet ziemlich schnell aus und entwickelt sich zu einer regelrechten Trash-Granate. Bei all der Gewalt, dem Tod und Sex im Film übt Schlingensief aber nicht nur Kritik an der Ausländerfeindlichkeit in weiten Teilen der ehemaligen DDR um 1992, sondern verarbeitet auch das Gladbecker Geiseldrama in Terror 2000. Dabei hatten sich insbesondere die deutschen Medien nicht gerade mit Ruhm bekleckert und eine fragwürdige Sensationsgeilheit und eine ebensolche Umgangsweise mit Verbrechern an den Tag gelegt. In Terror 2000 – Intensivstation Deutschland kriegen alle ihr Fett weg. Der Film macht eigentlich keinen Spaß im herkömmlichen Sinne.

Aber die ätzende, überdeutliche Art von Christoph Schlingensief, Protest auszudrücken und Missstände anzuprangern, sucht immer noch ihresgleichen. Leicht verdaulich oder angenehm anzuschauen ist das mit Sicherheit nicht. Aber eigentlich sollte trotzdem jeder Mensch aus Deutschland diesen Film kennen. Christoph Schingensief war lange gut mit Helge Schneider befreundet und arbeitete sogar an einigen seiner Filme mit. Terror 2000 stellt die erste Zusammenarbeit mit Oskar Roehler dar, die Schlingensief selbst einmal als Koprolalie bezeichnete. Darunter versteht der Duden die “krankhafte Neigung zum Aussprechen unanständiger, obszöner Wörter (meist aus dem analen Bereich)”. Wer also heute Abend gegen 23:15 Uhr keine Ahnung hat, was er tun soll, und funky drauf ist, der möge sich Terror 2000 – Intensivstation Deutschland ansehen. Viel Vergnügen!

Was? Terror 2000 – Intensivstation Deutschland
Wann? 23:15 Uhr
Wo? ZDF.kultur

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