Coming In & Pride im Vergleich

03.11.2014 - 00:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Coming In & Pride - Kritik & Analyse
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Coming In & Pride - Kritik & Analyse
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Unser Filmanalytiker vergleicht dieses Mal die beiden Filme Coming In und Pride und stellt klar, worin die Unterschiede beider Klischeefilme liegen.

Einmal mehr ist es das Kino, das uns den Stand der Dinge vor Augen führt. Filme sind stets als ein Symptom ihrer Zeit zu lesen und so geschieht dieser Tage etwas Hochinteressantes auf den deutschen Leinwänden: Nahezu zeitgleich kommen zwei Filme in die Kinos, in denen es um die Rechte und die Lebensweisen von Homosexuellen geht. Coming In von Marco Kreuzpaintner spielt heute und erzählt die Geschichte eines schwulen Nobelfriseurs, der seine Community überrascht, als er sich in ein einfaches Mädchen verliebt. Pride von Matthew Warchus handelt von der schwul-lesbischen Bewegung während der Thatcher-Ära und wie sich diese Freiheitskämpfer mit den Bergarbeitern solidarisieren, weil sie die neoliberale Regierung als einen gemeinsamen Feind ausmachen. Coming In ist in seiner modischen Harmlosigkeit wieder eine dieser deutschen Komödien, die man politisch in der Neuen Mitte verorten kann, also dort, wo man viel Geld und sehr exquisite Probleme hat.

Die Kommerzialisierung der Christopher-Street-Days findet hier ihr filmisches Spiegelbild. Der Film handelt von Schwulen, die sich ihr Schwulsein leisten können und die für alles offen sind – außer für finanziell benachteiligte Menschen. Marco Kreuzpainter, der es nach seinem immer noch sehenswerten Film Sommersturm eigentlich besser wissen müsste, reiht klischierte Bildchen aneinander und deckt damit unfreiwillig das Problem der Schwulenbewegung seit den Nuller-Jahren auf, die sich auf Ehe und Konsum kapriziert hat, aber schon lange nicht mehr politisch ist. Wo bleibt die Solidarität mit Occupy, mit den Gestrandeten auf Lampedusa, mit den ausgebeuteten Arbeitern?

Eine wahre Freude ist dagegen die Komödie Pride, die es auf sehr humorvolle Weise versteht, emanzipatorische Werte wie Solidarität und Toleranz in ihrer ganzen politischen Dimension zu erfassen. Mit wenigen Strichen wird da beispielsweise eines der schönsten Coming-Outs der Filmgeschichte, das eines älteren Mannes, in stiller Wucht inszeniert. In Pride geht es nicht um eine Welt, in der ein homosexueller alter Schnulzensänger mit Toupet und einer Vorliebe für unkonventionelle Prinzessinnen zu allem Überfluss noch ein Kind miterzeugt, es geht um den politischen Kampf gegen die Unterdrücker. Es geht um eine Politik der Gleichheit, die nichts mit Gleichmacherei zu tun hat. Die Hauptfigur Mark, grandios gespielt von Ben Schnetzer, ist wahrhaft revolutionär, weil er erkennt, dass ein politischer Kampf nur gemeinsam gewonnen werden kann.

Wolfgang M. Schmitt jun. analysiert in seinem Videoblog DIE FILMANALYSE mal ideologiekritisch, mal kulturwissenschaftlich und häufig polemisch populäre Filme der Gegenwart und der Vergangenheit.

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