Das Jahr 1965 - Alphaville bringt die Revolution

29.01.2010 - 10:38 Uhr
Alphaville
Athos Films / Chaumiane
Alphaville
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Die 1960er waren auch für die Berlinale von Unruhen belastet. Waren die ersten Jahre dieser Dekade als fade schnell vergessen, so betrat spätestens 1968 ein neuer Protagonist die Bühne und sprengte diese gleich in alle Einzelteile: Der rebellische Nachwuchsfilmer.

“Liebe, Diebe, Mensch und Masse … [Eine] kriminelle Welle, Marke ‘Klau, wenn du kannst’.”

So und ähnlich lauteten in den 1960ern die Stimmen der alteingessenen Filmkritiker, wie diejenige des hier zitierten Journalisten Heinz Mudrichaus der “Stuttgarter Zeitung”. Die Nouvelle Vague, deren Energie sich in Frankreich bereits ein paar Jahre zuvor entladen hatte, schwappte nun auch zur Berlinale hinüber, stieß aber nicht gerade auf Begeisterung beim “Establishment”. Bressons diebische Hauptfigur aus Pickpocket und der Michel in Außer Atem, das konnten keine neue Helden für eine Generation des klassischen Heimatfilms sein. So schienen nicht nur die Kritiker, auch die Berlinale-Juries zu Beginn der Dekade erst einmal in Uneinigkeit zu verharren.

“Für die Zeitgenossen war die Berlinale 1960 ein schwaches Festival, ein Arbeitstreffen mit wenig Glanz, ausgerechnet im Jubiläumsjahr”, schreibt die Berlinale selbst in ihrer Chronologie. "Aus dieser Krise heraus entwickelte sich während der sechziger Jahre allerorten ein neues, unabhängiges Kino: die Nouvelle Vague, das Free Cinema, das Cinema Nuovo und spätestens seit dem “Oberhausener Manifest” auch der Neue Deutsche Film."

Die Gewinner der Goldenen Bären in den Berlinale Jahren 1960 bis 1965 brachten kaum Aufregung. Manche sind heute in Vergessenheit geraten, andere waren damals schon Klassiker, da sie aus der Feder eines Meisters stammten (Die Nacht von Michelangelo Antonioni gewann beispielsweise 1961 den Bären). Erst 1965 wurde auf der Berlinale ein Werk ausgezeichnet, welches sich bis heute den Preis redlich verdient hat: Alphaville – Lemmy Caution gegen Alpha 60 bzw. Lemmy Caution gegen Alpha 60, wie der deutsche Verleihtitel auch heißt, räumte den Weg frei für eine andere Art des Filmemachens, die sich zwar nicht unbedingt in Goldenen Bären äußerte, wohl jedoch in der Auswahl des Festivalprogramms.

Alphaville ist ein “experimenteller” Science-Fiction-Film aus der Feder des umtriebigen Franzosen Jean-Luc Godard, in dem ein Privatdetektiv in die entmenschlichte Stadt Alphaville gerät, in der Emotionen mit dem Tode bestraft werden. Er soll den vermissten Agenten Henry Dickson suchen, doch das Sicherheitssystem der Stadt, genannt Alpha 60, und der fiese Professor Vonbraun kommen ihm in die Quere. Jean-Luc Godard drehte den Streifen mit extrem geringem Budget und filmte die vielen Noir-Szenen vorwiegend in Paris mit seiner damaligen Ehefrau Anna Karina in der weiblichen Hauptrolle. Dass der Film den Bären gewann, lag sicherlich in der Bedeutung Godards als einer der führenden europäischen Regisseure, aber auch in der Reichweite der Message zu Zeiten des Kalten Krieges: In Alphaville dürfen die Menschen nicht lieben, Gefühle sind verboten. Auch die 1960er waren von den heftigen Auseinandersetzungen zwischen Ostblock und Westmächten, zwischen Ost- und Westdeutschland geprägt. Wer mehr über Alphaville erfahren will, kann übrigens auf Mitternachtskino eine Kritik zum Film lesen.

Viele Kritiker – nicht nur der oben zitierte – meinten zu Beginn der Dekade, die neuen Filmemacher stifteten eher zur Kriminalität an, als dem Kulturerbe einen wichtigen Beitrag zu leisten. Dass der Goldene Bär auf der Berlinale für Jean-Luc Godard wichtig war, zeigte sich jedoch bereits ein Jahr später, als die jungen Filmemacher auf der Bühne versammelt wurden, um über die Produktionsbedingungen eines Films zu debattieren. Kapitalismuskritik im Filmgeschäft – das war neu. Gewonnen hat den Goldenen Bären ein Jahr nach Alphaville übrigens Roman Polanski mit seinem makabren Wenn Katelbach kommt. Was danach kam, waren vor allem Diskussionen, Studenten, die das Festival sprengen wollten, es jedoch nicht schafften und etliche Zeitungsartikel, die sich mit dem Bruch des Kinos in neu und alt beschäftigten. Das Oberhausener Manifest mit dem Slogan “Papas Kino ist tot” hatte es auch nicht leicht, als u.a. Alexander Kluge 1968 ein “neues Filmfestival” in Abgrenzung zu Berlinale und Cannes forderte, wurde er von Studenten mit Eiern beworfen, wo er doch glaubte, auf deren Seite zu stehen.

Hier noch der Trailer zu Alphaville

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