Das Ubisoft-Syndrom im Test zu Far Cry 4

25.11.2014 - 11:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Pagan Min ist der Bösewicht des Spiels
Ubisoft
Pagan Min ist der Bösewicht des Spiels
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Nicht selten wird Ubisoft vorgeworfen, sie würden ein und dasselbe Spiel pro Jahr einfach neu verpacken und im neuen Gewand präsentieren. Im Review erfahrt ihr, ob Far Cry 4 das gleiche Schicksal erleidet oder mit Innovationen aufwartet.

Ich habe in Videospielen schon viele Gegenstände gesammelt. Auch Far Cry 4 gibt mir die Möglichkeit dazu, allerdings finde ich nicht nur nützliche Munition oder Waffen, sondern vor allem alte Pornos, Kondome und Maxi-Binden. Was wie Unfug klingt, ist ein Zeichen dafür, wie schön und authentisch Ubisoft den Schauplatz Kyrat gestaltet hat. Schade nur, dass die Handlung darunter leiden musste.


Wir erinnern uns: Far Cry 3 steckte uns in die Rolle von Jason Brody, einem jungen Kerlchen, dessen Inseltrip mit Freunden in die Hose geht. Der Grund dafür ist Vaas Montenegro, ein irrer Egozentriker, der das Eiland dank einer großen Anzahl von Schergen fast gänzlich unter Kontrolle hat. Während wir uns am Anfang des Spiels in einem Käfig befanden, legt uns auch der vierte Ableger der Shooter-Reihe erst einmal in Ketten. Zumindest im übertragenen Sinne, denn der neue Überschurke Pagan Min hat mehr Stil, weswegen er uns nur zum Essen einlädt und uns einen Kartoffelsack über den Kopf stülpt. Dabei wollten wir doch nur die Asche unserer Mutter in Kyrat verstreuen.

Die Dinge geraten schnell außer Kontrolle, als Pagan uns einen Moment aus den Augen lässt und wir die Flucht ergreifen. Wir werden anschließend vom Goldenen Pfad gerettet, der in der Handlung von Far Cry 4 eine entscheidende Rolle spielt, denn die Freiheitskämpfer stellen die Kraft dar, die dem Bösewicht im pinken Anzug die Stirn bieten will. Prompt schließen wir uns der Organisation an und versuchen, das fiktive Land aus den Händen der Royal Army zu befreien.

Pagan Min ist ähnlich wahnsinnig wie Vaas


Die Exposition erinnert gewaltig an die des Vorgängers und auch die Umsetzung riecht nach Far Cry 3. Der Antagonist ist ebenfalls bewusst wahnsinnig gestaltet, allerdings schaffte es Vaas damals, mir trotzdem nicht auf die Nerven zu gehen. Pagan Min ist zwar auch ein cooler Charakter, dem Inselterroristen mit Irokesen-Schnitt kann er allerdings nicht das Wasser reichen, stattdessen ist er nach meinem Geschmack schon etwas zu verrückt geraten, was allerdings auch durch die deutsche Synchronisation zustande kommen kann.

Da ist es eigentlich von Vorteil, dass ich Pagan im Laufe des Spiels recht selten zu Gesicht bekam, denn meistens höre ich ihn schlicht nur über Autoradios. In seiner eigenen Show macht er sich über den Goldenen Pfad lustig und erklärt aufwendig, wie er Edelmetalle ausscheidet. Ja, tatsächlich, der Charakter landet letztlich im Absurden und irgendwie kann ich ihn nicht wirklich ernst nehmen. Muss ich zum Glück auch nicht, denn die Handlung von Far Cry 4 ist wahrlich nicht das Kernstück des Ego-Shooters.

Kyrat kann atemberaubend sein


Der Titel lebt viel mehr vom wunderschönen Kyrat, dem fiktiven Ort, der irgendwo im Himalaya angesiedelt ist. Wenn die Sonne über den schneebedeckten Bergspitzen auftaucht und durch das dichte Laub scheint, wenn eine Tierherde vor mir wegläuft und mich an einen Bach führt, dann kann Far Cry 4 wirklich beeindrucken. Ich habe selten eine Spielwelt gesehen, die mich innehalten ließ, damit ich die Umgebung bestaunen kann. Dabei beeindruckt sie nicht nur mit besonders vielen Details, sondern auch mit schierer Größe. Ein Blick auf die Map hat mir während des Spielens stets gezeigt, dass ich noch jede Menge zu entdecken und zu tun habe.

Beim Entdecken helfen wie auch im Vorgänger Funktürme, die von der Royal Army besetzt werden. Schalten wir die bewaffneten Schergen aus, müssen wir ganz nach oben klettern, um das Radiosignal auszuschalten. Dadurch wird der Einflussradius von Pagan Min reduziert, denn die Türme verbreiten fleißig Propaganda für ihn. Wie wir die Feinde erledigen, ist stets in unserem Ermessen, denn das Spiel lässt uns in jeder Situation die freie Wahl. Das führt nicht nur zu jeder Menge Abwechslung, sondern sorgt auch dafür, dass ich eine Situation vor jedem Eingreifen genau unter die Lupe nehmen muss. Lenke ich die Wachen links mit einem Stein oder mit einem Tierköder an? Begebe ich mich auf eine erhöhte Position und lass mein schallgedämpftes Gewehr den Rest erledigen? Oder bewaffne ich mich einfach mit Granaten und löse das Problem auf die direkteste Art? Far Cry 4 bietet sowohl Stealth- als auch Shooter-Fans genug Wege, um Missionen abzuschließen.

Auch Schneelandschaften gehören dazu


Diese Abwechslung ist auch in den Nebenaktivitäten zu finden, denn abseits der Story gibt es in Kyrat allerhand zu tun. Wir können uns ein paar Taler durch Autorennen verdienen oder Geiseln retten, die sich in der Hand der Royal Army befinden. Außerdem haben wir die Möglichkeit, Anhängern des Goldenen Pfades in Gefechten in der offenen Welt beizustehen, wodurch sie uns später auf Knopfdruck in Kämpfen Unterstützung leisten. Das ist zum Teil auch bitter nötig, denn Far Cry 4 bietet einen mitunter ziemlich fordernden Schwierigkeitsgrad, sogar auf “normal”. Dabei sind nicht nur bewaffnete Schergen eine Gefahr, sondern auch die Tierwelt von Kyrat. Beim friedlichen Wandern fiel mir beispielsweise eine Horde von wilden Kühen (?) in den Rücken, obwohl ich nur Blumen pflücken wollte. Die Tierchen machen ziemlich viel schaden, weswegen es ratsam ist, immer genügend Heilspritzen im Gepäck zu haben.

Um das digitale Ableben möglichst vermeiden zu können, bietet uns der Shooter ein Fähigkeiten-System, das in zwei Wege unterteilt ist. Skillpunkte im Baum des Tigers unterrichten uns im Schleichen, Punkte im Pfad des Elefanten machen uns widerstandsfähiger und ermöglichen uns sogar, die Dickhäuter zu reiten. Nach den etlichen Trailern, in denen das zu sehen war, ist das zwar keine Überraschung, reitend einen ganzen Außenposten zu zerstören, macht allerdings ziemlich viel Laune. Zu den Fähigkeiten gesellen sich in puncto Individualisierung Aufrüstungsmöglichkeiten für den Charakter. So sammelte ich bereits kurz nach der ersten Story-Mission Hirschfelle, um daraus eine größere Beutetasche zu basteln. Die Flora und Fauna ist also nicht nur zum Bestauen da, sondern bietet auch spielerisch einen Mehrwert.

Die Tierwelt kann sehr nützlich sein


Fazit

Far Cry 4 ist deutlich seine Nähe zum direkten Vorgänger anzumerken, aber das ist aufrund der Tatsache, dass dieser sehr gut war, kein großer Kritkpunkt. Die Gameplay-Mechaniken wurden auf das neue, sehr interessante Szenario umgemünzt und funktionieren nach wie vor tadellos. Die Lage einzuschätzen und dann auf Basis des bevorzugten Spielstils Enscheidungen zu treffen, macht nach wie vor einen Heidenspaß, dazu gesellt sich die packende Atmosphäre, die durch das großartig designte Kyrat geschaffen wird. Im Gegensatz dazu steht die Handlung, die nie wirklich Fuß fassen möchte und ziemlich vor sich hin plätschert. Das vielfältige Angebot an Nebenaufgaben machen dies aber zum Teil wieder wett. Ein weiterer Negativpunkt ist die KI, die sich manchmal mehr als seltsam verhalten hat. Außerdem leidet Far Cry 4 auf dem PC unter einigen technischen Mängeln.

Nichtsdestotrotz wird am Beispiel des Shooters klar, wie gut Ubisofts Rezept nach wie vor funktioniert. Die Gameplay-Mechaniken sind aus den Vorgängern bekannt und auch die Handlung weist einige Parallelen auf. Dieses Recycling mag zwar für die Branche nicht gerade förderlich sein, ein sehr gutes Spiel kommt dabei trotzdem heraus. Der Entwickler geht auf Nummer sicher, weswegen Far Cry 4 genauso gut wie der dritte Teil ist.

Far Cry 4 wurde uns in Form einer Retail-Edition von Ubisoft bereitgestellt. Alle Aussagen beziehen sich auf die PC-Version. Der Koop wurde nicht getestet und fließt deshalb nicht in das Review mit ein.

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