Das Volk gegen ... Ang Lee

03.08.2011 - 08:50 Uhr
Diese Woche steht Ang Lee für Hulk vor dem Filmgericht
TOBIS/moviepilot
Diese Woche steht Ang Lee für Hulk vor dem Filmgericht
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Regisseure können nicht nur geniale Filme machen. Nicht mal ein Genie wie Ang Lee schafft es, mit jedem Film einen Treffer zu landen. Aber muss er gleich derart daneben greifen? Das Filmgericht wird entscheiden.

Ang Lee hat klein angefangen und kam groß raus. Zuerst war er nur Regieassistent seines Kommilitonen Spike Lee, später drehte er dann eine Reihe extrem erfolgreicher Filme und sammelte eine beliebte Trophäe nach der der anderen ein. Seine ersten drei Filme, die sogenannte Father-Knows-Best-Trilogie, beschäftigte sich mit dem Spannungsfeld zwischen Selbstverwirklichung und Tradition in einem asiatischen Setting. Darauf folgte eine Trilogie im englischsprachigen Raum (Sinn und Sinnlichkeit, Der Eissturm, Ride with the Devil). Tiger & Dragon leitete eine Schaffensperiode ein, in der Ang Lee zwischen asiatischen und amerikanischen Schauplätzen schwankte. Es war diese Schaffensperiode, in der Ang Lee mit seiner Comic-Adaption Hulk erstmals negativ auffiel.

Nicht nur wegen des schlechten Films, auch wegen der Enttäuschung, der uns dieses Genie hiermit ausgesetzt hat, stellen wir Ang Lee heute vor das Filmgericht.
Auf der Anklagebank: Ang Lee
Die Tat: Hulk

Führungszeugnis
Bis zur hier verhandelten Tat war der Angeklagte unauffällig. Oder besser gesagt, er fiel positiv durch seine hervorstechenden Leistungen auf. Er gewann zwei Oscars, zwei Golden Globes, zwei Goldene Löwen und zwei Goldene Bären mit den Filmen Brokeback Mountain, Tiger & Dragon, Gefahr und Begierde, Sinn und Sinnlichkeit sowie Das Hochzeitsbankett. 2009 war er Vorsitzender der Jury der Filmfestspiele von Venedig. Ang Lee ist der einzige asiatische Preisträger des Oscars für die beste Regiearbeit. Seine Filme überzeugten stets durch die stimmige Darstellung zwischenmenschlicher Konflikte und ihre vollendete Charakterzeichnung

Beweisaufnahme
Im Jahr 2003 machte sich der Angeklage der Straftat Hulk schuldig. Diese Comic-Adaption erhielt, entgegen der Lobeshymnen für seine bisherigen Werke, nur stark durchmischte Kritiken. Zu Recht, denn Hulk verkompliziert im Zuge eines fehlgeleiteten künstlerischen Anspruchs eine simple, aber klare Handlung in ein verworrenes Psychogramm. Dem Comic-Fan hätten Nanomeds und Gamma-Strahlung vollkommen gereicht, um die Verwandlung von Eric Bana in den großen, grünen Hulk zu begründen. Die Geschichte einer genetischen Vorbelastung und eines diffusen ödipalen Konflikts war vollkommen unnötig. Die nicht-chronologische Erzählweise verspricht dem Zuschauer einen Aha-Moment, der niemals eintritt und enttäuscht uns somit doppelt. Auch die Zeichnung der Hauptfigur ist extrem ungeschickt: Es handelt sich entweder um einen völlig untertemperierten, entsexualisierten und entschleunigten Nerd, oder um einen wild gewordenen, grünen Riesen – beides lädt nicht unbedingt zur Identifikation ein.

Einspruch
Ang Lee hat sich Mühe gegeben, das dürfen wir ihm nicht absprechen. In seiner Arbeit mit multiplen Split-Screens schafft er es auf sehr originelle Art und Weise, eine Comic-Ästhetik zu transportieren. Auch wenn die Besetzung der Hauptrolle eher das Prädikat “suboptimal” verdient, wurde mit Nick Nolte eine charismatische und optimal besetzte Randfigur geschaffen. Nick Nolte schafft es, den Zuschauer vorübergehend im Unklaren über die wahren Intentionen des Vaters von Bruce Banner zu lassen, und erzeugt damit (leider die einzige) Spannung. Zudem ist lobend zu erwähnen, dass Ang Lee versucht hat, der zweidimensionalen Comic-Figur Hulk, ein komplexes emotionales und psychologisches Innenleben zu verleihen.

Schlussplädoyer
Leider trägt das Psychodrama, das Ang Lee inszeniert, um seiner Hauptfigur Persönlichkeit zu geben, nur zur Verwirrung des Zuschauers bei. Ebenso wie die Ex-Freundin Bruce Banners, will der Zuschauer am liebsten schnellstmöglich mit der Hauptfigur Schluss machen. Diesem Bedürfnis steht die Überlänge des Films krimineller Weise entgegen. Aber Ang Lee schafft es auch mit dem perfekten Maß an optischer Übertreibung eine stimmige Comic-Athmosphäre zu kreieren. Somit hat er eigentlich die Aufgabe des Regisseurs erfüllt. Ja, es ließe sich argumentieren, dass nicht er, sondern die Drehbuchautoren für etwaige Mängel in Plot und Charakterzeichnung zu verurteilen sind. Dennoch bleibt Ang Lee als Regisseur der Kopf der (kriminellen?) Vereinigung und ist zur Verantwortung zu ziehen.

Ihr habt die Anklage und den Einspruch der Verteidigung gehört. Nun liegt es in eurer Hand: Soll Ang Lee für sein Hulk Vergehen verurteilt werden?

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