Der Abspann eines Praktikums

01.05.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
La Strada
Arthaus
La Strada
9
33
Das war es auch schon wieder. Mein Vierteljahr als Praktikant in der moviepilot-Redaktion ist nun vorbei und ich muss mich blutenden Herzens von euch, meinen Kollegen und dem wahrscheinlich einzigen quietschenden Stuhl im ganzen Büro verabschieden.

Ihr müsst jetzt stark sein. Ich will es auch versuchen und die Zähne ganz fest zusammenbeißen. Aber es wird schwierig, beim Anblick der salzigen Tropfen, wie sie in Zeitlupe zwischen meinen tippenden Fingern hindurch fallen und die gähnenden Schluchten zwischen den Buchstaben meiner Tastatur füllen, nicht völlig die Fassung zu verlieren. Mein Blick schweift ab, wandert über den Rand meines Bildschirms hinweg und bleibt kurz auf dem “Aaligator” haften, den irgendjemand irgendwann mal an die gegenüberliegende Wand gemalt hat. Seit meinem ersten Tag nimmt diese merkwürdige Kreatur mit großem Maul und länglichem Hinterleib das Blickfeld links meines Desktops ein. Ich weiß nicht, ob ich lachen oder weinen soll im Angesicht dieser grotesk deformierten Kreatur. Wer ist dieses Wesen? Wo kommt es her und wo geht es hin? Ich werde es wohl nie erfahren, denn heute ist mein letzter Tag. Ich hoffe, dass ich es nicht bereuen werde, nie gefragt zu haben.

Doch es bleiben noch viel mehr offene Fragen, wie zum Beispiel: Wie kann jemand beim Vietnamesen in der Mittagspause die Nr. 2 bestellen? Oder: Wie hoch ist mittlerweile der prozentuale Anteil von Curryketchup in meinem Blut? Die mittäglichen kulinarischen Ausflüge werde ich genauso vermissen, wie die Unmengen an herumgeschickten GIFs und Videos, die zwischen den Artikeln mein Zwerchfell strapaziert haben. Besonders hervorzuheben ist dabei John Travoltas absolut überzeugende Ankündigung der unfassbar talentierten “Adele Dazeem”, die mich noch Wochen nach der Oscar-Verleihung vom oben erwähnten Quietsch-Hocker gehauen hat. Manchmal reichte allerdings auch ein Purzelbäume schlagender Waschbär, um den redaktionellen Geist von rasender Betriebsamkeit in den Leerlauf zu befördern.

Alles begann vor drei Monaten mit einer schönen Nachricht über Sanzoku no Musume Ronia, der ersten TV-Serie aus dem Hause Ghibli. Alles endete mit einem ausgesprochen witzigen Lip-Sync-Battle zwischen Emma Stone und Jimmy Fallon. Dazwischen viele bunte News zu Superhelden, Reboots, Remakes, Prequels, Sequels, Spin-offs und Crossover, die nach der achten Erwähnung oftmals so ausgeleiert waren wie die Filmstoffe selbst. In puncto Comics und Superhelden habe ich dafür aber auch einiges dazugelernt und kann endlich mit Stolz behaupten, dass ich weiß, wer der merkwürdige Grinseriese aus Marvel’s The Avengers ist, und dass es Dr. Henry Pym war, der den robotischen Bösewicht Ultron erschaffen hat. Darüber hinaus bin ich fasziniert, wie viele Synonyme sich für Godzilla finden lassen. Riesenmonster, gepanzerter Koloss, schuppiges Ungetüm und Mutanten-Echse sind nur einige von zahlreichen Bezeichnungen, die das zerstörungswütige Ungeheuer (+1) in meiner Praktikumszeit verschlungen hat. All das soll nun also zu Ende gehen. Was würde ich dafür geben, anstatt der universitären Altlasten, die auf mich warten, noch viele viele TV-Tipps, nackte Fakten oder Klassiker-Herzen zu schreiben.

Ich kann mich natürlich damit trösten, dass ich nur körperlich gehe. Virtuell bleibe ich durch und durch moviepilot. Ein bisschen so wie Johnny Depp in Transcendence also. Sicher zu Hause angekommen, erstelle ich mir vielleicht auch einen zweiten Account und schreibe gehässige Kommentare im Schutze der Anonymität. Aber nein, das würde ich meinen liebreizenden Kollegen niemals antun. Oder doch? Ihr werdet es nie erfahren. Oder doch? Das wird der Frust sein, der da aus mir spricht. Frust über die gähnende Leere, die der Abschied in meinem Herzen hinterlässt. Frust darüber, dass ich vielleicht nie wieder eine Dachzeile basteln kann, die oft mehr sagt, als 250 Worte.

Da bereits langsam die Musik einsetzt, die auch geschwätzige Oscar-Gewinner von der Bühne vertreiben soll, noch ein großes kollegiales Dankeschön an Ines, the gaffer, sciencefiction, Lotse, zeekay, den Satiriker, Mave, SurferRosa, bendixlenn, beeblebrox und den Wolf. Elmar, ich habe sämtliche Salzstangen- und Mate-Vorräte mitgehen lassen, aber wenn du das liest, bin ich längst über alle Berge. Am Ende geht sich alles aus. Nun also Vorhang zu. Er wird immer wieder aufgehen. Wie die Sonne. Irgendwann treffen wir uns alle wieder, denn nicht erst seit Rust Cohle wissen wir, dass die Zeit ein flacher Kreis ist.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News