Der andere Takeshi

26.08.2013 - 19:01 Uhr
Battle Royale
StudioCanal
Battle Royale
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Die wechselvolle Karriere des japanischen Allround-Talents Takeshi Kitano betrachtet dieser User anlässlich der Aktion Lieblingsstar.

Takeshi Kitano einfach als einen herausragenden Regisseur zu bezeichnen, wäre zu oberflächlich, zu vereinfacht, beinahe eine Halbwahrheit. Seine Arbeit oder seine Person auf diesen Aspekt zu reduzieren, nur weil er von Kritikern weltweit am meisten Resonanz erhält, wäre engstirnig. Es ist deshalb so schwer, sich seiner Person innerhalb einiger Sätze zu nähern, weil sich seine Karriere jedem Schubladendenken verwehrt.

"When people tell me I’m an artist, I say, ‘What?’ It’s impossible for me to take the idea seriously.“

Nachdem er als Jugendlicher von Zuhause weglief, verdingte er sich zunächst u.a. als Taxifahrer, bis er als Mitglied des Komikerduos “The Two Beats” mit anstö゚igen Witzen Karriere machte. Danach folgten Fernsehauftritte, Kitano wurde Showmaster, Radiomoderator, Schauspieler, Regisseur, Autor, Maler und steppen kann der Mann auch!

Sogar als Videospielmacher hat er sich probiert. Von ihm stammt die Idee für das Side-Scroll-Adventure “Takeshi no Chousenjou”, oder: “Takeshis Challenge: The Game That Hates You” aus dem Jahre 1986, das eigentlich nie außerhalb Japans erschienen ist und mal das schlechteste, mal das originellste Videospiel aller Zeiten genannt wird.
Man spielt darin einen Tag im Leben eines Büroangestellten, der sich betrinken, sich von seiner Frau scheiden und Karaoke singen muss, um das Spiel zu bewältigen.

Angeblich mochte Takeshi Videospiele so ungern, dass er ein so sadistisches, unlösbares Anti-Spiel kreieren wollte, das den Spieler irgendwann so frustrieren sollte, dass er aufgeben und lieber etwas nützlicheres mit seiner Zeit anfangen würde. Das Spiel wurde trotzdem ein Verkaufsschlager. Dieselbe Abneigung hegt Kitano auch gegen Computer, E-Mails, Handys und Twitter.

“It took me ten years of playing serial killers and rapists to be perceived as a serious actor amongst the Japanese public.”

Wie würde es sich wohl für uns Deutsche anfühlen, wenn z.B. Mario Barth beschließen würde, Gangsterfilme mit sich selbst in der Hauptrolle zu drehen?
So wie es in Japan gewirkt haben muss, als Kitano, damals vorwiegend als Komiker bekannt, seine erste Filmregie übernahm.
Wer könnte auch den Sprung vom schrillen takeshi%E2%80%99s-castle zum nihilistischen Violent Cop so schnell nachvollziehen?

“For me comedy and violence has a lot in common. Just as you expect, comedy always lurks behind the most unexpected of circumstances.”

Es wird so viel über die Gewalt in Kitanos Filmen geschrieben, dass dabei häufig übersehen wird, dass der Humor darin ein ebenso wichtiger Bestandteil ist, wie die zwischenmenschlichen Momente. Durch sein Auge für Menschen, schafft es Kitano hervorragend, der Komik etwas tragisches und dem Drama etwas komisches zu verleihen.
Am deutlichsten treffen diese gegensätzlichen Pole in seiner vierten Regiearbeit Sonatine aufeinander. Darin trifft eine tief verborgene Todessehnsucht auf eine neu gefundene Lebensfreude, wenn lebensmüde Yakuza-Gangster wie Kinder am Strand herumspielen.

Das Spiel ist hier wie ein Teil eines aktiven Prozesses, den die Figuren durchlaufen. Während das Spiel immer nur vergänglich ist, bleibt der Tod, der in Kitanos Filmen meist die logische Konsequenz für seine Hauptfiguren ist, häufig das ultimative Schicksal, das selbst in den fröhlichsten Momenten wie ein Schatten über allem zu schweben scheint. Man kann es aber auch andersherum sehen: Selbst in den finstersten Schicksalen finden sich kleine Lichtblicke. Im Angesicht eines unumgänglichen Schicksals bekommt das unbekümmerte Spiel eine umso gewichtigere Rolle.

Takeshis Spielfilme bewegen sich abseits von Kommerz und Zuschauerzugeständnissen und kommen mit einfachen, aber starken Bildkompositionen und meist wenig Worten aus. Sie regen zum Denken an, ohne dabei zu verkopft zu sein oder sich in abgehobener Symbolik zu verlieren. Ob er in Kids Return über seine eigene Jugendzeit reflektiert, in Hana-bi – Feuerblume durch die Figur Horibe seinem eigenen, beinahe tödlichen Motorrad-Unfall nachempfindet oder mit Kikujiros Sommer seinem Vater ein filmisches Denkmal setzt, seine Filme transportieren viel von der Persönlichkeit ihres Regisseurs auf die Leinwand.

Kitano, der vor seiner Filmkarriere nie eine Filmschule von Innen gesehen hat, ist in seiner Heimat weiterhin eine feste Größe und noch voll ausgelastet mit wöchentlichen TV-Auftritten. Über die Jahre hat sich der charismatische Charakterkopf ein einzigartiges Image erarbeitet, mit dem er in seinen Fernsehshows weiterhin herumalbern darf, um trotzdem noch von der Fachpresse als seriöser Filmemacher wahrgenommen zu werden.

Ob allein durch seine Präsenz in Rollen wie der des kaltblütigen Klassenlehrers in Battle Royale, der Inszenierung seiner Filme oder seiner Malerei; Takeshi hat bei allem was er tut, eine unverkennbare Handschrift, ohne sich oder seine Arbeit dabei allzu wichtig zu nehmen.

“I do all these various activities like painting and writing, comedy and films probably because not that I’m good at everything, but because I’m not good at any of these things.”

Letztendlich sollte man Kitano wohl weder als Regisseur, noch als Komiker, noch als Künstler sehen. Sondern vielleicht einfach als ein erwachsenes Spielkind, das sich an allem einmal ausprobiert und sich dafür professionell in Film, Fernsehen und auf den Showbühnen Japans austoben darf. Weil er sich in einem Leben, das hart und hässlich sein kann, als einer der wenigen seines Alters seinen Spieltrieb bewahrt hat.


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