Der Krieg der Journalisten im Budapest Hotel

07.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Berlinale-Tagebuch, die Erste
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Berlinale-Tagebuch, die Erste
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Es ging los. Mein erster Berlinale-Tag. Quantitativ war die Ausbeute gestern noch mau, doch qualitativ hochwertig, einmalig und bedeutend. Was sich allerdings zwischen Grand Budapest Hotel abgespielt hat, entsprach weniger meinen Erwartungen.

Die Aufregung ließ am Morgen noch auf sich warten. Ich wunderte mich, sollte mir doch angesichts der kommenden Berlinale-Woche ordentlich die Pumpe gehen. Doch ich war ruhig, gelassen, alles in allem aber bereit, wie es Spongebob nur sein kann! Am Vortag erwarb ich neben meinem Akkreditierungsausweis und dem zugehörigen Schlüsselband (ein Gegenstand, der im Laufe dieses Tages noch von großer Bedeutung werden sollte) noch eine wunderschöne Tasche und war mit dem nötigen Equipment ausgestattet.

Der Tag begann also ruhig, ich machte mich zum Aufbruch bereit. Meinen neuen Kalender, das Berlinale-Programm, meinen persönlichen Zeitplan und natürlich einen Block zur Hand – sprich: in dieser tollen Tasche – machte ich mich eine Stunde vor Vorführungstermin auf den Weg. Immerhin stand eines meiner heiß ersehnten Werke auf dem Programm und stellte gleichzeitig den Start in das Festival dar: Grand Budapest Hotel von Wes Anderson. Der Ort für diese Pressevorführung sollte der Berlinale-Palast sein. Darauf hatte ich mich sehr gefreut, schließlich saß ich noch nie in jenem Saal und konnte es gar nicht erwarten, die Festival-Stimmung aufzusaugen. Während ich im Wedding aufgrund der Tasche noch mit argwöhnischen Augen betrachtet wurde, war ich, einmal am Potsdamer Platz angekommen, einer unter vielen. Überall erblickte ich meine Presse-Kameraden, meine Gefährten auf dieser abenteuerlichen Reise der Berichterstattung, meine Verbündeten im Geiste. Ha, denkste! In Gedanken rannte ich über eine Blumenwiese, während die Messer schon gewetzt waren.

Eine halbe Stunde vor Vorführungsbeginn stand ich vor dem Berlinale-Palast, bei welchem ich mit dem Schild begrüßt wurde: Presse-Screening, Budapest Hotel, 12 Uhr, Cinemaxx 7. Welch eine Enttäuschung. So nah und doch so fern. Aber egal, geht es halt morgen zum ersten Mal in den großen Saal. Sicherlich müssen sie noch allerhand für die Premiere am Abend vorbereiten. Auf dem Weg zum Cinemaxx rannten Journalisten an mir vorbei, zu erkennen an den roten Presse-Ausweisen, wie auch ich ihn besitze. Aber sie rannten, ja tatsächlich, sie rannten. Jetzt wurde ich unruhig. Warum rannten sie? Das Cinemaxx ist eine Minute vom Palast entfernt. Ich ließ mich nicht aus der Ruhe bringen und ging zum Kinosaal 7. Niemand da. Ein Mitarbeiter wies mich von der oberen Etage in den Keller, zum Kinosaal 3. Dass ich dort an der richtigen Adresse war, wurde mir unmissverständlich klar, als ich die Treppenstufen hinabging und Journalisten erblickte… hunderte, tausende, ach was, Millionen! Das könnt ihr euch nicht vorstellen. Es waren so viele, dass sich plötzlich die große Angst in mir regte, in diesen Saal nicht mehr hineinzupassen.

Ich muss nun gestehen, dass ich geschummelt habe und einen Pakt mit dem Teufel schloss. Während sich eine Schlange bildete, die fast schon wieder aus dem Kino hinausführte, tat ich so, als hätte ich ein mir bekanntes Gesicht im vorderen Teil dieser Reihe gesehen und stand auf einmal drin. Jetzt nur nicht auffallen! Wo ist mein Handy? Die perfekte Tarnung. Als dann andere Menschen Ähnliches taten, aber weitaus offensichtlicher als ich, wurde es gehörig unruhig im Foyer des Kinos. Der hintere Teil der Schlange brüllte, verlangte nach Ordnung und dem gebührenden Respekt. Ich stimmte in diese erbosten Klänge ein und klagte das Vordrängeln an. Ein bisschen zumindest. Dann öffneten sich die Kinotüren, eine Dame schrie irgendetwas mit roten Badges und ich schob mich nach vorne – oder besser: Ich wurde nach vorne geschoben. Mittig-mittig saß ich endlich im Saal. Zufrieden und glücklich über meine erste gewonnene Schlacht mit den Journalisten.

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