Tarzan - Der weiße Mann im Dschungel

08.08.2016 - 09:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Nur der Weiße kann den Dschungel retten
Warner Bros.
Nur der Weiße kann den Dschungel retten
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Nackte Oberkörper, exotischer Dschungel und eine Geschichte, mit der wir alle aufgewachsen sind. Aber mal ganz ehrlich, wieso verfilmt man so eine rassistische Geschichte wie Tarzan im Jahr 2016 eigentlich noch?

Ach war das schön damals im 19. Jahrhundert. Da konnte man noch was entdecken. Afrika zum Beispiel. Dieser eigenartige, riesige Kontinent, reich an Menschen, denen man Manieren, Religion und anderen Kram beibringen kann und die kostenlos für einen arbeiten. Und dann diese Flora und Fauna, die Spannung in die Sache bringt und die aus dem drögen Kolonialisieren ein exotisches Abenteuer macht. Hier kann man die Natur noch beherrschen lernen und sich an ihrer herrlichen Echtheit ergötzen. Herrlich, diese Menschenaffen, putzig, diese Giraffen, wunderbar als Wandschmuck, diese Löwen und gut für den Geldbeutel, diese Elefanten mit ihren Stoßzähnen.

Sowas kann man heute ja alles nicht mehr machen, ohne Ärger zu bekommen. Aber man kann dem Ganzen trotzdem frönen - indem man einfach noch mal eine literarische Vorlage von damals nimmt und sie zum x-ten Mal verfilmt. Und das sogar, ohne wirklich in den Dschungel zu müssen. Denn wozu hat man CGI? Herrlich!

Dabei sollte man sich eigentlich fragen, ob es wirklich sinnvoll ist, im Jahr 2016 Edgar Rice Burroughs' Tarzan-Romane überhaupt noch als Grundlage zu nehmen, sind sie doch komplett durchzogen mit rassistischen, kolonialistischen und sexistischen Ideen, die heutzutage wahrlich und zu Recht nicht mehr salonfähig sind und einem den Magen umdrehen.

Nur als kleine Erinnerungsstütze: Im ersten Roman Tarzan of the Apes stellt sich Tarzan als

This is the house of Tarzan, the killer of beasts and many black men

vor und hängt die Schwarzen (im Buch immer regelmäßig mit dem N-Wort betitelt) am liebsten an Lianen am Baum auf (eine alte und fast täglich gepflegte Tradition, die man ein paar Tausend Meilen westlich in den USA, wo Burroughs lebt, auch als "lynching" bezeichnet). Burroughs selbst hatte keine Ahnung von dem Kontinent und den Menschen, die er in seinen Büchern beschreibt, glaubte jedoch fest an die damaligen Prämissen, die besagen, dass Rassen- und Klassen und Geschlechtsunterschiede im höchsten Maße die Hierarchie bestimmen, in der der weiße Mann ganz oben steht. Und so beschreibt er die Afrikaner als "Untermenschen", die Araber sind habgierige und stets lüsterne Handlanger und der Dschungel und die Tiere darin sind exotisch wild und sehnen sich nach zivilisatorischen Maßnahmen, sprich Regeln, Hierarchien und einem König. Also klassische, koloniale weiße Vorherrschaft.

Um ein anderes Beispiel zu finden und die Problematik in unserem etwas neueren historischen Geschichtsrahmen zu verorten: Die Tarzan-Romane zu verfilmen ist etwa so, als würde man die geschichtlich völlig verkorkste Überlieferung von Joseph Süss Oppenheimer noch einmal verfilmen und dabei einfach versuchen, Veit Harlans Horrorfilm Jud Süß etwas politisch korrekter zu machen. Es wird nicht funktionieren. Hat es eben bei Legend of Tarzan auch nicht. Und sie haben sich redlich bemüht.

The Legend of Tarzan - Trailer 2 (Deutsch) HD
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Tarzan (Alexander Skarsgård) ist am Anfang des Filmes schon wieder so halbwegs domestiziert und mit Jane (Margot Robbie) in England. Die beiden hatten sich im kongolesischen Dschungel kennen und lieben gelernt. Jane war dort als Tochter eines Missionars und Lehrers unterwegs. Kaum etwas weist auf Tarzans Herkunft hin. Nur die Hände sind geblieben (da die Handknochen sich anders entwickeln, wenn man jahrelang auf allen Vieren läuft). Doch seine Heimat wird zum politischen Thema. Der Kongo ist im Laufe der Kolonialisierung an Belgien gegangen und der König Leopold II. beutet das Land und seine Bewohner aus, denn er braucht das Elfenbein und die Diamanten, um seinen Lebensstil zu finanzieren. Seine rechte Hand vor Ort, Léon Rom  (Christoph Waltz in seiner zigsten Variation von Hans Landa), ist kurz davor, eine Söldnerarmee aufzustellen und alle noch übrigen Stämme zu versklaven. Dafür braucht er Diamanten, die von einem wilden, hochaggressiven Stamm unter Führung von Häuptling Mbongo (Djimon Hounsou) bewacht werden. Und der will Tarzans Kopf. Kurzum wird Tarzan in den Kongo eingeladen. An seine Fersen heften sich Jane und Williams (Samuel L. Jackson), ein Amerikaner, der den Gerüchten von Sklaverei nachgehen will.

Zwei Strategien verfolgt der Film in seinem Versuch, seine ambivalente Vorlage zu entschärfen:

Historische Vorlagen gegen kolonialistische Mythen

Viel mehr und deutlicher als die Bücher lässt der Film seine Figuren auf historischen Figuren basieren. Sowohl Léon Rom, der belgische Bösewicht, als auch George Washington Williams  (Samuel L. Jacksons Figur), quasi sein amerikanischer Gegenspieler, waren tatsächlich an den Ereignissen im Kongo im 19. Jahrhundert beteiligt, wenn auch nicht genau so, wie der Film es zeigt. Rom war für seine Skrupellosigkeit berüchtigt und fungierte längere Zeit im Kongo als Beamter, Richter und schließlich Kommandeur. Williams besuchte in der Tat den Kongo und schrieb danach einen offenen Brief an Leopold II., in dem er die Sklaverei im Kongo anprangerte. Allerdings starb er bei der Rückreise und erst durch diverse andere Interventionen, und Jahre später, änderte sich etwas im Kongo.


Williams, der in den originalen Tarzan-Büchern und -Filmen nicht existiert, ist hier ein ganz klarer Versuch, gegen den kolonialistischen Mythos Tarzans als König des Dschungels und Retter des Kontinents zu agieren. Allerdings funktioniert das nicht im Geringsten. Williams bleibt ein bloßer Sidekick, der daneben stehen darf und staunen, wenn Tarzan dann doch wieder alles mit seinem Wissen über die Natur und der Kraft seiner animalischen Muskeln regelt.


Am Ende darf Williams hier und da ein wenig mithelfen und ansonsten brav die Drecksarbeit erledigen. Interessant ist dabei, dass Williams als schwarzer Amerikaner ja selbst gerade aus einem Land kommt, in dem die Sklaverei Gang und Gebe ist und in noch viel größerem Ausmaß vollzogen wird. Dass er also ausgerechnet im Kongo plötzlich dagegen kämpfen will, lässt einen schon aufhorchen bei einem Film, der in den USA gemacht wurde. Dass auch andere europäische Länder den Rest Afrikas unter sich aufgeteilt und ausgebeutet haben, wird hier ebenfalls nicht einmal erwähnt. Aus Kolonialisierung und Sklaverei wird somit eine Art lokales Problem gemacht, an dem nur ein König und ein Handlanger - Rom - beteiligt sind, die man eben ausschalten muss, und alles ist gut.

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