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Der Witte beantwortet die 7 Fragen der großen Serien-Blogparade

27.07.2017 - 08:47 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Die große Blogparade zu Serien
Studio Hamburg Enterprises
Die große Blogparade zu Serien
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Warum nach all den Jahren wieder einen Blogeintrag verfassen, wenn es nicht mal um meine gewohnte Baustelle Film geht? Nun, wenn es mir ums Schreiben geht, ist die Motivation seltenst rational, vielleicht nun aber auch dem Thema entsprechend einer Freude zum 'Revival' geschuldet - in vielerlei, unerwarteter Hinsicht sogar? Wie auch immer es geschehen konnte: Es ist geschehen und man kann es nachlesen!

Es wurden ja einige Preise ausgeschrieben, welche man in diesem Rahmen gewinnen könne und dabei handelt es sich um Serien, Serien, noch mehr Serien in einem Strudel an derzeit reichlich gefächerten Angeboten binnen der inzwischen weitreichend digitalisiert erhältlichen Fernsehlandschaft. Ich mag mich nicht beschweren, aber die letzten Jahre war mein allgemeiner Eindruck von mir selbst immer irgendwie: Ach, dafür habe ich keine Zeit, Filme sind mir lieber, das Kino wurde von der episodenhaften Redundanz des TV verseucht, bei Hypes bin ich raus, etc., etc. Wie ich beim Antworten jener folgenden Fragen (sowie dem Faktum, dass ich überhaupt soviel dazu letztendlich schreiben wollte) feststellen sollte, steckt doch viel mehr von einem Serienjunkie, gar Bingewatcher in mir drin, als ich's mir meistens bewusst mache. Die dazugehörende Selbstanalyse hat zudem ergeben, welche Sendungskonzepte mich seit jeher besonders ansprechen und dass ich mich offenbar genauso ins Konservative einmotte wie jeder andere Gewohnheitsvogel auch, zu einem ewiggestrig-verklärten Adolepopanz sozusagen. Ganz schön kuckuck, diese Dauerschleife thematischer Wiederkehr! Es ist beschämend, abgründig und widersprüchlich, was wir in den folgenden Zeilen zu meiner Person erfahren werden oder unter Umständen ist es das auch gar nicht. Alles unten Verfasste scheint mir mit meinen eigenen Worten die Frage zu stellen, ob in mir 1/2/3 Verlangen nach Ordnung, nach (animierter) familiärer Geborgenheit, Frauen namens Elisabeth und Konfrontationen/Frieden mit dem 'Heimatgedanken' schlummern, wenn ich im Grunde ständig Serien schaue und es doch tunlichst vermeide, mich darüber zu definieren, bis es in spontanen Blogeinträgen wie diesen ausartet. Immerhin wohne ich schon seit Jahren nicht mehr im selben Bundesland wie der Großteil meiner Sippe, hab ich einfach Patchwork nötig, kann mir wer im Deuten dessen vorstellig werden? Vielleicht habe ich diesen einleitenden Abschnitt ja allenfalls nur deshalb so dramatisch verfasst, um einen einleitenden Abschnitt vorweisen zu können, doch wer ahnt schon, was Wahrheit und was nur Fassade sei? Ehrlichkeit währt aber wie folgt am längsten: Eine Serienmentalität, auch solche des Kontinuums des Lebens, wird ihren Weg schon finden (Anmerkung zu dieser ungelenken Formel: Mein letzter Blogeintrag hier handelte von Jurassic World).

1. Wie würdest du die aktuelle Serienlandschaft in einem Wort beschreiben? Übersättigend.

2. Wie viele Serien guckst du gerade parallel? (Auch die Pausierten zählen mit.) Twin Peaks - The Return, Game of Thrones, King of the Hill, Decker. Pausiert: Steven Universe, Clarence, Fargo

3. Welche ist deine liebste deutschsprachige Serie? Ein Herz und eine Seele. Deutschland zeitgleich im rechten Kleingeist, linken Frust und gefälligen Mittelstand zwischen allen weiteren Fronten sowie Grenzen zu erleben, den politischen Zweikampf/Stillstand im privaten, geerdeten Sektor der Familie Tetzlaff konkretisiert/banalisiert zu sehen - das ist nur eine der Qualitäten, die man vom Evergreen hiesiger Feiertagsprogramm-Lückenfüller abgreifen kann. Über die Jahre hinweg ist mir alleine schon die Herausforderung der Prämisse an sich ans Herz gewachsen, diese miefig gemütliche Atmosphäre, diese Sozialisierung einer Familie unter sich im Schwarzweißquadrat (das später auch farbig war) inkl. WDR-Logo. Geholfen hat bestimmt auch, dass ich davor noch viele unterhaltsame Stunden mit der Sippe von Al Bundy oder Tim Taylors Grunzlauten verbracht hatte. Die Heimeligkeit bannt hier einen dann aber nochmal anders, zudem mit dem höchst ambivalent liebenswerten Ekel des Deutschen im Fokus (bis ins Dschungelcamp verfolgbar), der sich schon in seiner Rolle des Studiopublikums bewusst zu sein scheint/scheinen will, eine Hölle im Alltag erschafft, die alle anderen dennoch mit Leichtigkeit passieren können (weil er zudem so klein wie großmäulig ist). Für Zuschauer wie Figuren-Ensemble konstruiert sich da eine Distanz in der Komödie, die weder distanziert noch des Komödiantischen wegen in ihrer Realität überspitzt wird, so wie sie das jeweilige Thema des Tages und ihre ideologischen Brennpunkte fassen lässt. Es bringt bei aller folgenden Projektion im Duell aber auch eine andere Qualität als die der absehbaren passiven Aggression ins Spiel, wenn sich die Parteien an einem pingelig-trivialen Arsenal an Argumenten und Waffen (z.B. Fußnägel am Essenstisch) aufbauen, das auf die jeweils eigenen Schwächen und Nichtigkeiten im unvermeidlichen Kleinbürgerkorsett schießt/schließt.

V.l.n.r.: Diether Krebs, Hildegard Krekel, Elisabeth Wiedemann, Heinz Schubert

Da hat man das Minenfeld der Demokratie im Abgleich des small picture so transparent vor sich, dass die Nähe einen auch stets selbst zu entlarven droht - die Erwartungshaltung dazu ist dann auch solche heller Freude, da jedermanns Pointe erfahrungsgemäß einen Volltreffer ergibt. Grundsätzlich geht es bei jenem Diskussionsgehalt nämlich nie um die großen Taten oder dramatische Schicksalsschläge, witzig wird es eben dadurch, dass Patriarch Alfred (Heinz Schubert) jeden Schiss in den Garten als Teil der nationalen Pflicht versteht, seine Familienmitglieder nur in der Wut bekehren kann und sich im Stolz jedes noch so ironischen Lobs sonnt, während er sich auf die teils schwammigsten Sachverhalte einschießt, etwas zu erreichen glaubt. Solche Gefühle beknackt ausgelebter Selbstgefälligkeit beruhen auf Gegenseitigkeit; seine meist männlichen Widersacher sind von einem kaum abgeänderten Siegeswillen gekennzeichnet - diese Idiotie des Egoismus, eine gefühlte Last am besten vom Buckel der gesamten Erde aus, Angriff bzw. Schutz von Scham: Wer kann sich von solchen Gedanken allerdings frei sprechen, außer vielleicht solch neutrale Empfänger wie Mutter Else (wahlweise Elisabeth Wiedemann, Helga Feddersen), die in der theoretischen Egalität ohne feste Position mitgehangen wie mitgefangen scheinen? Wolfgang Menges Serie ist da als Nachkriegsreflexion beinahe konkurrenzlos forsch, gleichsam strahlt sie eine Bodenständigkeit in ihrer Präsenz/Marke der Positionen aus, wie sich der Prozess der Demokratie mitunter am romantischsten liest: Vereinte Gegensätze auf der Suche nach Konsens und Einsicht, im Kleinsten anpackend und immer in Bewegung, dass selbst der übelste Hardliner seine Motivation zum Kontakt, zum Miteinander nicht verbergen kann. Zu alledem gesellt sich noch die Spontanität der Live-Aufnahme jeder Folge, in den zufälligen Makeln umso näher über den Bildschirm hinaus, hinzu. 40 Jahre nach Erstausstrahlung haben sich natürlich vielerlei globale Eckdaten gewandelt und soziale Entwicklungen vollzogen, die Konflikte sind im Kern aber größtenteils gleichgeblieben. Deutschland ohne Ekel kennt man daher also auch schon lange nicht mehr, vielleicht repräsentiert die Serie genau das am ehesten, wie sehr die Zeit hier auf der Stelle tritt, aber glücklich schätzen lässt, dass immer jemand zurück tritt.

4. Was ist deine liebste Schauspielleistung in einer Serie? Elisabeth Volkmann als Synchronstimme von Marge Simpson - übertraf mMn die Originaldarbietung von Julie Kavner und verkörperte eine wahrhaftige Mütterlichkeit, die ich selten so bauchig, offensiv, defensiv, verletzlich und lebendig auf animierte Charaktere ausgelegt erlebt hatte. Der persönliche Bezug, Serie und Stimme in dem Rahmen schon von klein auf empfangen zu haben, ist natürlich auch ein entscheidender Faktor. Aber solch eine Prägnanz sticht ja nicht ohne Grund heraus, was ich übrigens auch dem ursprünglichen Synchroncast der Show im Allgemeinen attestieren würde.

5. Welche Serie/Serienepisode hast du am häufigsten gesehen/ist deine liebste? Die Simpsons ist dann auch vermutlich die Serie, die mich stets erfolgreich zum Wiedersehen eingeladen hat, wenn sich die Freude auch nur meist über die ersten 8 Staffeln oder so hielt. Lacht man da am meisten, weil man sich eher wiedererkennt oder ist die Qualität in Dialog & Regie einfach frischer am Start? Wie dem auch sei möchte ich mal mutmaßen, dass die mehrfache Rückkehr zu jener Serie nicht bloß von nostalgischer Bestätigung herrührt - irgendein Aspekt transformiert sich mit jeder Sichtung, stellt einen neuen Kontext auf, lässt auch viele Fehlgriffe wie Höhepunkte durchscheinen, auch hinsichtlich dessen, was man aus der dort verinnerlichten Ära mitgenommen und im Nachhinein gelernt hat - siehe u.a. Simpsonwave. Es ist stellvertretend dafür schon bezeichnend, dass das klassische Familienbild innerhalb der Sendung seit jeher von einer tiefen Dysfunktionalität gezeichnet war, damit aber auch (sowie mithilfe der Popkultur) einen Realismus für sich behaupten konnte, der eine ehrlichere Auseinandersetzung mit dem vergänglichen Begriff der Normalität im Mainstream anzuleiten wusste. Ob aktuellere Staffeln diesen Status noch ausfüllen können, weiß ich nicht.

6. Welche Serie hast du nach mehreren Staffeln abgebrochen, weil sie mies wurde? Im Augenblick stecke ich gerade bei der achten Staffel von King of the Hill fest und es läuft wohl auf einen vorzeitigen Abbruch hinaus. Wenn's demnächst zu sehr auf den Effekt wiederholter, forcierter Abstrusitäten abzielt und sich zeitgleich umso weniger darum gekümmert wird, die Vorurteile der Protagonisten/des Zuschauers zu unterwandern, ist glaube ich alles dazu gesagt. Bereue es trotzdem nicht, da zumindest einen guten Anteil der Sendung knapp zwei Jahrzehnte nach Erstausstrahlung nachgeholt zu haben - denn eins ist ja auch immer sehr entscheidend: Ich habe viel, seeeeehr viel gelacht. Ich will aber ohnehin aufpassen, nicht komplett so einem Beuteschema in Sachen Serien zu verfallen, das sich am Dysfunctional-Family-Charakter orientiert. Steven Universe hab ich aus eben dem Grund auch pausiert (obwohl da ja immer wieder neue Figuren in den Kreis dazu stoßen), aber die unvermeidliche Gleichförmigkeit derselben Gegensätze ist nie so schlimm wie eine tolle Prämisse, die von der reinen Episodenmenge her auf dürftig geschriebene Ausschussware setzen muss, ne, wenn das Filler-Material der künstlichen Verlängerung wegen auch noch auf Durchzug geschaltet ist. Die Tiny Toon Abenteuer sind da das beste Beispiel für. In Sachen Live-Action-Serien fällt mir The Walking Dead ein. Ich hatte die (zunehmend zynische) Serie so bis zur 4./5. Staffel eher zum Spaß, aber auch teils sehr innig, mit meiner Ex-Freundin verfolgt - im Nachhall solch einer Konstellation kann man das Eine natürlich nicht mehr ohne das Andere haben wollen. Zweite Staffeln, die ich mir im Nachhinein gerne erspart hätte: True Detective & Ash vs. the Evil Dead

7. Von welcher Serie wünscht du dir ein Revival mit den Original-Darstellern? Was ich mir wünsche, weiß ich im Regelfall meistens leider erst dann, sobald es passiert - sowas kommt tief aus dem Unterbewusstsein, aus lang gehegten, unterbutterten Sehnsüchten und abstrakten Träumen. So ein Fall wie Twin Peaks - Staffel 3 (?) macht mich dann aber auch sehr, sehr glücklich - wohl aber auch, weil eine große Stärke jener Rückkehr das Nicht-Einlösen berechenbaren Fan-Service ist, zumindest bis jetzt. Dann wiederum wollte sich die Serie und der Film darauf auch nicht unbedingt dafür anbieten, also ergibt sich im Grunde auch wieder eine Erwartungshaltung zum Unerwarteten. Wie man's auch dreht... Hat mir jedenfalls auch bewusst gemacht, dass eine Reunion von Originaldarstellern einer Serie seinen Reiz hat, es mir aber weit wichtiger ist, wenn sich die kreativen Köpfe dahinter wieder einklinken. So oder so ist man retrogeil, das kann ich nicht leugnen, neeneenee.

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