Die Finanzkrise wütet auch im Kino

26.09.2011 - 08:50 Uhr
Die Herrschaften aus Der Große Crash - Margin Call
Koch Media
Die Herrschaften aus Der Große Crash - Margin Call
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Der Große Crash landet nun auch im Kino und damit ist nicht nur das Ensemble-Drama Margin Call gemeint. Die Finanzkrise und ihre Folgen raubt vielen Filmemachern den Schlaf.

Bei der Recherche dieses Artikel (ja, hier wird recherchiert) bin ich gefühlt 300-mal auf den Ausdruck “Der Film zur Finanzkrise” gestoßen, jedes Mal in Bezug auf ein anderes Werk. Das nervt auf Dauer ganz schön, ist aber ebenso Ausdruck der Tatsache, dass der Film zur Finanzkrise noch gedreht werden muss. Die Krise ist mit drei Jahren relativ jung und längst nicht beendet, so dass es schwer fällt, sie überhaupt aus der Distanz zu betrachten. Der große Crash – Margin Call, der diese Woche in den Kinos startet, versucht nun, den Vorabend der Krise aus der Innensicht der Wall Street zu schildern. Nicht zuletzt deswegen lohnt sich ein Blick auf die verschiedenen Formen der Auseinandersetzung mit der Finanzkrise in aktuellen Kinofilmen.

Gold Diggers of 1929
Natürlich hat sich die Filmkunst und insbesondere Hollywood schon vor dem Jahr 2008 mit Wirtschaftskrisen befasst. Am berühmtesten ist die Weltwirtschaftskrise von 1929, die mit der Durchsetzung des Tonfilms in Hollywood zusammenfällt. Bevor der Blick auf jüngere Filme geworfen wird, soll deshalb quasi als Vergleichsbasis die Bewältigung des tiefgreifenden Schocks durch das klassische Studiosystem herangezogen werden. Damals war Hollywood selbst massiv vom Börseneinbruch und der sich anschließenden Großen Depression betroffen. RKO, Paramount, Universal und Fox gerieten in die Konkursverwaltung und im Jahr 1933 waren schließlich ein Drittel aller Kinos geschlossen. Die Preise verfielen, so dass die Leute sogar mit Geschenken wie Fahrrädern und Strumpfhosen ins Kino gelockt wurden.

Auf der großen Leinwand schlugen sich die steigende Arbeitslosigkeit und andere Krisensymptome nicht etwa in einer Welle von Filmen über traurige Börsenmakler nieder. Stattdessen erlebte mit dem Gangsterfilm ein Genre seine Blütezeit, das rücksichtslose Individuen im Kampf gegen korrumpierte Autoriäten heroisierte. Der kleine Cäsar, Der öffentliche Feind und Narbengesicht wagten einen zynischen Blick auf die Gesellschaft und die Zuschauer belohnten diese Ehrlichkeit. In anderen Genres wie dem Melodram fand sich diese Weltsicht wieder, bis der aus damaliger Sicht brutalen und anzüglichen Filmwelle durch die Durchsetzung der Zensur 1934 ein Ende gesetzt wurde. Trotzdem sind diese wenigen, aber fruchtbaren Jahre unmittelbar nach dem Schwarzen Freitag am ehesten ein Vergleichspunkt, an dem wir heute, mitten in der Finanzkrise, ansetzen können.

Up in the Air
Springen wir ein paar Jahrzehnte zurück in die Zukunft stehen wir also vor Der große Crash – Margin Call, der sich ganz auf die verantwortlichen Finanzschergen in den Investment-Unternehmen konzentriert. Das Regiedebüt von J.C. Chandor gesellt sich zu anderen recht offensichtlichen Krisenfilmen aus den letzten Jahren wie Kapitalismus: Eine Liebesgeschichte, Wall Street 2: Geld schläft nicht (einer der Filme zur Finanzkrise) von Oliver Stone, die mit dem Oscar ausgezeichnete Doku Inside Job, Too Big to Fail – Die große Krise mit William Hurt und Bill Pullman und einige mehr. Sie alle geben sich auf ihre Weise als Welterklärungsfilme, sozusagen große Versionen eines lehrreichen YouTube-Videos und das ist okay.

In dieser Liste vermisst werden hingegen Filme über den kleinen Mann und die kleine Frau, was vielleicht daran liegt, dass die Inkubationszeit der Krise noch nicht groß genug ist. Immerhin hat selbst Frank Capra zunächst einen Film über (vertrauenswürdige) Bänker gedreht (Bankkrach in Amerika, 1932), bevor er sich um die Mr. Deeds, Mr. Smiths und John Does seiner Nation kümmerte. Dieses Jahr vermochte es wenigstens Company Men mit Tommy Lee Jones und Ben Affleck, das Thema Arbeitslosigkeit in Angriff zu nehmen, wobei er dies noch direkter und white collar-lastiger als Up in the Air (2009) mit George Clooney tat.

It’s a Wonderful Pirate Life
An offensichtlichen Finanzkrisenfilmen fehlt es uns heutzutage anders als in den 30er Jahren nicht. Dafür fällt es schwerer, das Aufblühen von Genres auf die wirtschaftliche Lage zurückzuführen. Das liegt zumindest bei mir nicht am fehlenden Interpretationswahn, sondern eher an der politischen – und manche würden meinen: gesellschaftlichen – Krise, in der sich die USA seit dem 11. September 2001 befinden. Zu den bereits bestehenden Erschütterungen ist eine weitere große hinzugekommen, die womöglich die Sehnsucht nach Superhelden, Piraten und altersschwachen Actionheroen noch stärker weckt.

Ein paar Gangsterfilme sind nach Public Enemies in Arbeit, etwa Gangster Squad und Gotti: In the Shadow of My Father. Deren Ergebnisse müssen abgewartet werden. Ansonsten hat die Finanzkrise wie beiläufig Eingang in Mainstreamfilme gefunden. Streifen wie Kill the Boss, Brautalarm und Larry Crowne seien hier erwähnt, aber auch Ohne Limit, der sich der Finanzwelt sprichwörtlich auf Droge annimmt.

Vielleicht bringt es diese Formulierung besser auf den Punkt: In einem Zeitalter, in dem zynische Helden zur Norm geworden sind, kann höchstens ein betont naiver Film wie Captain America – The First Avenger für Zündstoff sorgen. Und: Solang die Studios auf zurückgehende Zuschauerzahlen anders, als in den 30ern, mit Preiserhöhungen (Stichwort: 3D) reagieren können, solang befinden sie sich gewissermaßen im Auge des Sturms, sind also nicht zu umfassenden Änderungen gezwungen.

Zum Abschluss dieses kurzen Abrisses gibt es eine Empfehlungsliste der Filme zur Finanzkrise. Nehmt das, ihr einfallslosen Feuilletonisten!

- Wall Street
- Ocean’s Thirteen
- Inside Job
- Die Glücksritter
- Glengarry Glen Ross
- Früchte des Zorns
- Ist das Leben nicht schön?
- Der Sinn des Lebens
- Panzerkreuzer Potemkin
- Che – Revolucion

Was sind eure Filme zur Finanzkrise?

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