Die riskante Genialität des Charlie Kaufman

28.01.2016 - 08:50 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
AnomalisaParamount
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Charlie Kaufman, Drehbuchautor von Being John Malkovich, Vergiss mein Nicht!, Adaption und jetzt Anomalisa gehört zu den originellsten und ungewöhnlichsten Filmemachern Hollywoods. Mehr als einmal setzte er dabei auch seine Karriere aufs Spiel.

In Hollywood gibt es einen Mann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, Filmjournalisten das Leben schwer zu machen. Denn keine Filmplots lassen sich so schwer zusammenfassen, wie solche, die der Vorstellungskraft eines Charlie Kaufman entsprungen sind. Die Geschichten des US-amerikanischen Drehbuchautors und Regisseurs gehören zu den komplexesten und außergewöhnlichsten unserer Zeit. Bereits drei Mal wurde Kaufman in der Vergangenheit für den Oscar nominiert, für Vergiss mein nicht! durften er und seine Ko-Autoren am Ende die Trophäe mit nach Hause nehmen. Doch Kaufmans Verhältnis zu Hollywood ist nicht so rosig, wie es auf den ersten Blick den Anschein haben könnte. Für seine kreative Freiheit setzte der von Produzenten gleichzeitig bewunderte und gefürchtete Autor in der Vergangenheit mehr als einmal seine Karriere aufs Spiel. Nachdem Kaufman lange Zeit von der Bildfläche verschwunden war, geht sein Kampf um mehr Originalität in Hollywood mit seinem neuen Film Anomalisa nun in die nächste Runde.

Bereits Charlie Kaufmans erstes Skript für einen Langspielfilm, stellte sich eine aberwitzige Frage: Was wäre, wenn man ganz einfach durch eine Tür spazieren und im Kopf einer anderen Person landen würde? Und was, wenn diese Person dann ausgerechnet der Schauspieler John Malkovich wäre? Eigentlich hatte der als Fernsehautor arbeitende Kaufman das Drehbuch zu Being John Malkovich aus dem Jahr 1999 nur geschrieben, um sich neue Serienjobs zu sichern. Zum Glück fiel das Skript jedoch dem aufstrebenden Regisseur Spike Jonze in die Hände, der nicht nur in der Lage war, das Projekt auf die Beine zu stellen, sondern auch den titelgebenden John Malkovich für den ungewöhnlichen Film zu gewinnen.

Being John Malkovich

John Cusack spielt hier den frustrierten Puppenspieler Craig Schwartz, der ein Portal in das Bewusstsein des Schauspielers entdeckt, das es ihm ermöglicht, 15 Minuten lang zu sehen, zu riechen und zu fühlen, was John Malkovich gerade erlebt. Doch er ist nicht der einzige, der von der geheimnisvollen Verbindung zu John Malkovich weiß und sie für seine Zwecke nutzen will. Was folgt, ist ein ungemein skurriles und faszinierendes Abenteuer, das nicht nur unterhält, sondern auch den Kopf zum Qualmen bringt. Mit schrulligem Humor und unbändigem Ideenreichtum stellt Charlie Kaufman in Being John Malkovich wie in vielen seiner Filme die ganz großen Fragen nach Identität, Realität und Sinn des Lebens, ohne dabei jemals vorzugeben, dass er eine Antwort auf diese Fragen hätte:

Ich lebe eigentlich in so einer Art Verwirrungszustand. Und ich denke, meine Begabung liegt darin, diese Verwirrung auszudrücken. (via New York Times)


Being Charlie Kaufman

Gäbe es ein Portal in das Gehirn von Charlie Kaufman, müsste über der Tür ein großes Warnschild leuchten. Zu komplex und abstrus geht es in Gedanken des Autors zu, als dass sich ein Fremder in ihnen zurechtfinden könnte. Anders als seine selbstbewussten Geschichten, die ihn sogar aus dem Schatten der sonst prominenteren Regisseure heraustreten lassen, ist Kaufman selbst alles andere als von sich selbst überzeugt. Seine eigenen elementaren Ängste, verwirrenden Gedanken und ambivalenten Gefühle als Inspirationsquelle nutzend, gibt Charlie Kaufman in seinen Filmen mehr von sich Preis, als ihm je ein Reporter entlocken könnte. Tatsächlich kommt in einem seiner Filme sogar eine fiktive Version des Autors selbst vor.

Apaption

Von einer Schreibblockade aus der Bahn geworfen, verarbeitete Charlie Kaufman in seinem dritten Film Adaption, der 2002 in die Kinos kam, sein eigenes Scheitern an der Aufgabe, den Roman Der Orchideendieb von Susan Orlean für die Leinwand zu adaptieren. In einer bunten Mischung aus Fakt und Fiktion stellt Kaufman seinen eigenen Kampf mit dem Drehbuch und die Handlung des zu adaptierenden Romans gegenüber. Nicolas Cage spielt den verzweifelten Charlie Kaufman sowie dessen fiktiven und ungleich optimistischeren Zwillingsbruder Donald, der im Gegensatz zu seinem Bruder kein Problem damit hat, ein schematisches, kitschiges Hollywood-Drehbuch zu schreiben. Wenn der fiktionale Kaufman schließlich seinen Zwillingsbruder beim Schreiben des Drehbuchs um Hilfe bittet, wirkt sich diese Entscheidung auch auf den Film als Ganzes aus. Als Kaufman das verrückte, selbstreflexive Skript seinen Produzenten vorlegte, war er davon überzeugt, seiner Karriere damit ein Ende gesetzt zu haben. Doch entgegen seiner Erwartungen wurde Adaption von Produzenten, Kritikern und Zuschauern mit Begeisterung aufgenommen.

Einer breiteren Masse wurde Charlie Kaufman dank seines Drehbuchs mit der Tragikomödie Vergiss mein nicht! bekannt, für das er nach Nominierungen für Being John Malkovich und Adaptation bei den Academy Awards 2005 endlich einen Drehbuch-Oscar mit nach Hause nehmen durfte. Wieder spielt sich die Geschichte zu großen Teilen im Kopf des Protagonisten ab, diesmal in den Erinnerungen eines verzweifelten Jim Carrey, der herausfindet, dass seine Freundin (Kate Winslet) ihn mithilfe einer medizinischen Prozedur aus ihrem Gedächtnis gelöscht hat. Aus Liebeskummer beschließt er, dasselbe zu tun und nimmt dabei den Zuschauer mit auf eine philosophische und berührende Reise durch sein Unterbewusstsein, während ihm langsam klar wird, dass auch schmerzhafte Erinnerungen wertvoll sein können.

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