Die schönste Nebensache der Welt - Fußball im Film

12.06.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Das Wunder von Bern
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Pünktlich zum Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Brasilien starten wir mit unserer Textreihe zum Thema Fußball und Film. In der ersten Ausgabe geht es um die Bedeutung des Fußballs im Film und seinen Stellenwert auf der Leinwand.

Heute Abend startet die Fußball-Weltmeisterschaft mit dem Eröffnungsspiel zwischen Gastgeber Brasilien und der Mannschaft aus Kroatien. Grund genug, uns mit der oft als “schönsten Nebensache der Welt” bezeichneten Sportart näher zu beschäftigen. Doch keine Angst, euch erwarten keine Spielberichte oder Taktikbesprechungen. In fünf Texten geht es um das Thema Fußball im Film. Bevor wir uns mit der Ästhetik von Fußballfilmen, den Auftritten von Spielern auf der Leinwand oder den Fan- und Hooliganfilmen widmen, geht es erst einmal um die Bedeutung des Fußballs in der Filmgeschichte.

In der Episode Homer und der Revolver der Zeichentrickserie Die Simpsons besucht ganz Springfield die Fußballpartie zwischen Mexiko und Portugal. Während sich die südamerikanischen Reporter trotz Rückpassfestivals vor Spannung kaum auf ihren Sitzen halten können, schläft der US-amerikanische Lokalreporter Kent Brockman vor Langeweile ein und die Zuschauer entladen ihren Frust in einer wilden Schlägerei. Das ist natürlich bewusst überzeichnet, spiegelt den generelllen gesellschaftlichen Wert des Fußballs auf der Welt in seiner unterschiedlichen Ausprägung aber ganz gut wider.

Trotz der Ausrichtung der WM in den USA im Jahr 1994 und einer wachsenden Begeisterung für diesen Sport bleiben Baseball und American Football unangefochten die beliebtesten Sportarten der US-Amerikaner. Das zeigt sich auch auf der Leinwand. In Hollywood tritt Fußball als Filmstoff kaum in Erscheinung, während Sportfilme über Baseball oder Football wie beispielsweise Feld der Träume mit Kevin Costner nicht nur die Kinokassen klingeln lassen, sondern auch den American Way of Life in all seiner patriotischen Pracht auf dem Sportplatz zelebrieren.

Sportliche Wettkämpfe dienen im Kino oftmals nicht nur als Kulisse für Heldenepen, sondern auch als Ausdruck von Vaterlandsliebe oder Nationenbildung, etwa im Nelson Mandela-Biopic Invictus von Clint Eastwood, in dem die Versöhnung von Schwarzen und Weißen auf dem Rugbyfeld stattfindet. Kann der Sportfilm die Geschichte eines Volkes über ihren Nationalsport erzählen, so müsste der Fußball zumindest bei uns in dieser Kategorie an oberster Stelle stehen, weshalb wir nun den Blick auf deutsche Filmproduktionen lenken.

Nachdem in den 1920er Jahren noch Filme wie Der König der Mittelstürmer ein Massenpublikum in die Kinos lockten, verschwand der Fußball als Leitmotiv deutscher Produktionen nach dem zweiten Weltkrieg bis auf wenige Ausnahmen aus den Lichtspielhäusern. Nur vereinzelt, etwa im semidokumentarischen Franz Beckenbauer – Porträt Libero war unserem Nationalsport eine tragende Rolle im Film gegeben, meist diente der Kicker eher als Hintergrund einer Figur aus der Arbeiterklasse, wie etwa in der Ruhrpott-Komödie Bang Boom Bang – Ein todsicheres Ding. Offener Patriotismus war aus bekannten Gründen in der BRD schließlich nicht an der Tagesordnung und so blieben Filme zur Erbauung des Einheits- und Staatsgedankens mittels Fußball aus. Das änderte sich erst nach der Wiedervereinigung und einer allmählich einsetzenden Neubewertung unseres Nationalgefühls zu Zeiten der ersten Rot-Grünen Bundesregierung Ende der 1990er Jahre. Spätestens seit der Weltmeisterschaft im eigenen Land stören sich nur noch wenige an den schwarz-rot-goldenen Fahnenmeeren, die auch jetzt wieder überall im Lande zu sehen sind.

In diesem Geiste entstand im Jahr 2003 der Fußballfilm Das Wunder von Bern von Regisseur Sönke Wortmann, ein erbauliches Drama über den legendären WM-Sieg der deutschen Nationalmannschaft bei der WM 1954, der seinerzeit auch in der Realität als Initialzündung für das viel umwobene Wirtschaftswunder funktionierte. Über den Finalsieg gegen Ungarn erhebt sich nicht nur eine Nation aus den Ruinen des selbst verschuldeten Krieges, auch die Familie eines Kriegsheimkehrers, der sich zuvor nur mühevoll in der entfremdeten Heimat zurechtfand, wächst in ihrer gemeinsamen Begeisterung für den Fußball in Das Wunder von bern wieder zusammen. Der Sportfilm ist zugleich ein Vater-Sohn-Drama sowie das Porträt einer Zeit, in der die junge Bundesrepublik Deutschland noch um ihre neue Rolle in der Welt bangte. Fußball funktioniert hier als gemeinsamer Nenner einer ganzen Nation, als Vermittler und Integrator, sowie als Projektionsfläche einer neu entdeckten Zusammengehörigkeit.

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