Die Transgender (R)evolution

07.09.2015 - 11:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Lili Elbe (Eddie Redmayne) in The Danish Girl
Universal Pictures Germany
Lili Elbe (Eddie Redmayne) in The Danish Girl
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Freaks, Witzfiguren, Kranke, Mörder, Opfer: Die Darstellung von Transgender hat einen sehr langen und schrecklichen Weg hinter sich.

Ich bin gerade bei den Filmfestspielen in Venedig und hatte dort die Möglichkeit Tom Hoopers The Danish Girl zu sehen. Ich will nicht allzu viel über den Film verraten, aber sagen wir mal so: The Danish Girl ist für die Transgender-Thematik was Brokeback Mountain für das Thema Homosexualität war: ein filmischer Wendepunkt, ein Durchbruch, ein Ankommen im filmischen und sozial-politischen Mainstream.


Und das ist eine große, wichtige Angelegenheit. Für uns alle, wie ich finde, auch wenn viele von uns erstmal nicht direkt betroffen sein mögen. Aber warum ist The Danish Girl so wichtig? Um das nachvollziehen zu können, muss man einen Ausflug in die Filmgeschichte unternehmen. Aber erstmal eine kurze Einweisung in die wunderbare, komplexe Transgender-Welt.

Was ist Transgender?

Grundsätzlich steht der Begriff für das Abweichen von der zugewiesenen Geschlechterrolle, die von den äußeren Geschlechtsmerkmalen abgeleitet wird. Dabei muss man aber sofort noch einmal anmerken, dass Geschlecht und Sexualität zwei verschiedene paar Schuhe sind. Eine Transgender Person kann also jegliche Art von Sexualität haben (homosexuell, heterosexuell, asexuell, bisexuell, pansexuell...you name it). Fakt bleibt aber, dass die Person sich nicht mit dem ihr zugewiesenen Geschlecht identifiziert. Transgender ist auch nicht automatisch gleichzusetzen mit Transvestismus, also dem Tragen von Kleidung des anderen Geschlechts. Manche machen es, manche nicht. Und andersrum, nicht alle Menschen in Drag sind transsexuell.


Es ist kompliziert. Es gibt viele verschiedene Spielarten, das Thema ist hochgradig komplex und man kann weder die Gefühle, noch die Bedürfnisse oder Lebenswege über einen Kamm scheren. Es wollen auch nicht alle eine geschlechtsangleichende Operation. Am besten ist also, man nimmt nichts an, verallgemeinert nichts. Wie ist es also nun mit dem dänischen Mädchen? Aus Einar (Eddie Redmayne) wird Lili, Lili ist also eine Trans-Frau. Lili ist lesbisch; Einar war heterosexuell. Lili bevorzugt, sich als Frau zu kleiden. Lili lässt sich ihr Geschlecht angleichen. Et voilá.

Der bescheidene Anfang

96 Jahre vor The Danish Girl, also im Jahr 1919, erschien erstmalig ein "Doppelgeschlechtlicher" im Film. Der deutsche Stummfilm Aus eines Mannes Mädchenjahren . Der Verleihtext  zu diesem inzwischen verschollenen Film liest sich, als wäre der hier porträtiere Karl M. Baer  von einem anderen Stern:

„Erika Glässner verkörpert den Pseudohermaphroditismus in selbstverleugnender Charakterisierungskunst. Sie stellt den/die unselig Behaftete(n) in spannenden Szenen dar, als armes Menschenkind von unbestimmtem Geschlecht, Szenen, die alle Tragik der sexuellen Zwischenstufe festhalten.“

Wohl gemerkt, diese biografische Verfilmung des Lebens von Karl M. Baer war keineswegs die eines Menschen von "unbestimmten Geschlecht", er war auch keine "sexuelle Zwischenstufe" - was auch immer das bedeuten mag. Karl hatte zwar biologische Anlagen für beide Geschlechter (was auch als Intersexualität bezeichnet wird) und wurde als Mädchen erzogen, aber hat sich klar für das männliche Geschlecht entschieden. Nichtsdestotrotz ist Baers Geschichte die erste und für lange Zeit einzige, die von Transsexualität berichtet. Danach kam lange nichts.

Und zwar ganze 34 Jahre lang nichts. Das ist eine lange Zeit. In dieser Zeit hat das Kino den Tonfilm erschaffen, den Farbfilm erfunden, die Oscars gegründet, die ersten Hand gezeichneten Animationsfilme kreiert und schon 4 Runden im Zensur-Karussell gedreht, in denen es zwei Phasen großer filmischer Promiskuität und zwei Phasen der Zensur selbiger gab.

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