Ein Nachruf auf Star Wars

20.09.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Luke Skywalker (Slavoj Zizek)
Disney
Luke Skywalker (Slavoj Zizek)
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Die Zukunft von Star Wars ist besorgniserregend. Das jedenfalls scheint manch dramatische Schlagzeile über die Produktionsschwierigkeiten kommender Episoden vermitteln zu wollen. Aber welche Zukunft? Die Sternenkriege sind vorbei.

Es gab eine Zeit, da war Star Wars einfach nur Star Wars, ein zum Leidwesen mancher Filmfreunde sehr präsentes, aber nicht unumgehbares Phänomen. Neue Episoden liefen höchstens alle drei Jahre im Kino, zwischen der Ur- und Prequel-Trilogie lagen beinahe zwei Dekaden. Das große Drama der Familie Skywalker animierte uns, die alten und nicht gar so alten Filme wieder und wieder zu entdecken, im Modus reiner Sentimentalität oder der Neugier auf ihre mal mehr, mal weniger angemessen präsentierten Versionen. "Star Wars Feeling" lag nicht in den Filmen selbst, es ging aus der andauernden kollektiven Beschäftigung mit ihnen hervor. Eine Generation von Fans wurde geboren, bei deren erster Kinobegegnung mit Darth Vader es sich recht wahrscheinlich um die Wiederaufführung eines schon vertrauten Kapitels der Weltraumsaga handelte. Einfach nur Star Wars also war Star Wars andererseits nie. Glücklicherweise.

Jedes Jahr, pünktlich zu Weihnachten, kommt jetzt ein neuer Teil in die Kinos, zwei sind es bereits und zweihundert könnten es werden. Im Kleinen wollen sie fortsetzen und ergänzen, vervollkommnen und abschälen, was die von George Lucas mit sechs Filmen in knapp 20 Jahren erschaffene Fantasie noch an Storygemüse hergibt. Im Großen geht es schlicht darum, bekannte und liebgewonnene Gefühle abzurufen. Die Sequel-Trilogie und Prequel-Ableger ("Star Wars Anthology") bewegen sich erzählerisch vor und zurück. Was einmal der Stoff nett gemachter Fanfilme war, die Ausschmückung von Leerstellen oder Hinzuzdichtung nicht allzu entscheidender Details, ist bei ihnen Hauptprogramm. Das Phänomen Star Wars soll kein umgehbares mehr sein, von Januar bis November bringt noch die irrelevanteste Neuigkeit viel Aufmerksamkeit. Seit Lucasfilm seine jungen Regisseure bzw. Erfüllungsgehilfen fast monatlich vor die Tür setzt, läuft es besonders gut.

Das Erwachen der Macht: "Chewie, we're home"

Viele der Analysen und Bestandsaufnahmen, die zum scheinbaren Chaos im Hause Star Wars das Internet volltexten, fragen sich, ob Disney die fortlaufend von Produktions- und Personalschwierigkeiten überschatteten Sternenkriegsabenteuer jüngeren Zuschnitts noch im Griff hat – und welche Pläne der Konzern mit dem erworbenen Lucas-Imperium überhaupt verfolgt. Als sei Star Wars nicht immer schon Produzentenkino im Sinne reiner Firmenidentität gewesen, werden die Regiewechsel mit offenbar großer Sorge um die künstlerische Integrität der Auteur-Oase Disney kommentiert. Lucasfilm-Präsidentin Kathleen Kennedy aber weiß sehr genau, was sie tut. Die personellen Umstrukturierungen zeigen eigentlich nur, wie wirksam sie die Verwaltung der ihr anvertrauten Produktpalette gegen gestalterischen Eigensinn oder unvorhergesehene Kreativität verteidigen kann. Wer die neue alte Idee von Star Wars nicht teilt, muss eben gehen.

Diese Idee, vorgestellt in Star Wars: Episode VII - Das Erwachen der Macht, präsentiert sich als eine im Interesse der Fans gedachte Entschuldungsgeste für angebliche Vergehen der Prequel-Trilogie. Das Wort Fanservice scheint dabei negativ besetzt, obwohl gegen Dienste für Liebhaber einer Sache zunächst nichts einzuwenden ist (vorausgesetzt, in Sachen Star Wars geht es tatsächlich um Fans). George Lucas glaubte vielleicht, ihnen mit dem Verkauf der Marke etwas Gutes zu tun, nachdem die Kritik an den Special Editions der alten Filme, seiner beharrlichen Weigerung, sie in ihrer Original-Kinofassung auf Blu-ray zu veröffentlichen, und natürlich an der übel beleumundeten Prequel-Trilogie auch zu ihm durchgedrungen war. Star Wars, so das einhellige Urteil des Fandoms, müsse vor seinem Erfinder geschützt werden. Und Lucas gab nach. Schon die schrittweise Eliminierung von Jar Jar Binks in Episode 2 und 3 war eine Kapitulation.

Star Wars – Episode 1: Für Lucas der Anfang vom Ende seiner Urheberschaft

Noch bevor die Macht in den Kinos der Welt zu erwachen drohte, äußerte sich der Schöpfer  allerdings skeptisch über den vermeintlichen Neubeginn. Er habe die bekannte Geschichte weiter- und nicht einfach noch mal erzählen wollen, begründete der ursprünglich als "kreativer Berater" für künftige Fortsetzungen und Ableger vorgesehene Lucas das Zerwürfnis mit Disney. So albern sein Gerede vom Trennungsschmerz und der "Wunde, die zurückbleibt" anmutete (mit den vier Milliarden Dollar, die ihm der Verkauf einbrachte, ließen sich bestimmt einige Pflaster bezahlen), so einleuchtend analysierte er die mutlose Rückbesinnung der neuen Rechteinhaber auf ein Star Wars sentimentaler Reflexe. Ausgerechnet Filmfranchise-König George Lucas, den unbelehrbare Cinephile als Zerstörer New Hollywoods halluzinieren, rügte die Kommerzialisierung seiner ultimativen Kinovermarktungsware. Das hätte jedem zu denken geben müssen.

Bei aller berechtigten Nörgelei: Die Episoden 1 bis 3 unternahmen den interessanten Versuch eines Gegenentwurfs, der nicht davor zurückschreckte, das für seine Naivität und Unbekümmertheit geliebte Weltraummärchen erheblich zu beschweren. Mit dickem Pinsel verpasste Lucas der Geschichte einen allegorischen Anstrich und rekonstruierte über Machtintrigen, Staatskunde und Dialogsalven um besteuerte Handelsrouten oder intergalaktisches Demokratieverständnis eine politische Star-Wars-Historie. Natürlich zündete nicht jeder Einfall, manche waren ausgesucht schwachsinnig (Midi-Chlorianer als biologistischer Nachweis von Macht). Aber niemand konnte Lucas vorwerfen, es nicht versucht zu haben. Seine Prequel-Trilogie machte sich auf zu neuen Ufern. Und ihr Bestreben, Star Wars komplexere Facetten abzugewinnen, ist den auf denkbar langweiligste Art fangerechten Disney-Sequels weit überlegen.

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