Hier eine Störung, da ein Tick. Neurosen pflastern seinen Weg.
Lieber Nicolas,
erst gestern wieder musste ich Dich in einem Gespräch über Schauspieler, die absolut nichts können und nur in schlechten Filmen mitspielen, verteidigen. Was bist Du nicht schon alles genannt worden, einst sogar bester schlechtester Schauspieler der Welt. Overacting wird Dir vorgeworfen, sowie dass Du deine Figuren lediglich als Karikatur darstellen kannst. Dabei bist Du doch wandlungsfähiger als es anfangs scheinen mag, dein Overacting stets der Kern deiner Performance und nicht bloßer Mangel an Talent. Sicher, meist verkörperst Du gebrochene, gequälte Figuren, aber immer wieder ein wenig anders. Sei es nun beispielsweise in Bringing Out the Dead – Nächte der Erinnerung, Adaption, Tricks oder in Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen. Nicolas, Du hast es einfach geschafft ein Prototyp für charmante Verlierer zu werden, die vom Leben entweder zu viel oder genug haben und dem Wahnsinn zulächeln.
Überhaupt spielt der Wahnsinn eine wichtige Rolle, besonders für dein Schauspiel. Da sind die Grenzen zwischen eigener Persönlichkeit und zu spielender Rolle manchmal nur schwerlich zu ziehen. Aber das ist für Dich ja nichts Neues. So hast Du ja selbst gesagt, dass nur eine dünne Linie zwischen einem Method Actor und einem Schizophrenen besteht.
Für mich bist du, wie soll ich es sagen, der Christian Bale des psychologischen Schauspiels. Du scheinst vollkommen in deiner Rolle aufzugehen, ja sogar dein wahres Ich völlig mutieren zu lassen. Dann wiederum mimst Du reserviert und mit einer gewissen Melancholie, einen zynischen Waffenhändler oder einen frustrierten Wettermann.
Wahnsinn und Melancholie, welch eine Kombination!
Vielleicht haben Dir die Jahre voller Störungen, Ticks und Neurosen auch zu sehr zugesetzt. Doch ist gerade dies für mich ein Ausdruck deiner schauspielerischen Qualität. Du zelebrierst förmlich den Wahnwitz. So verwundert es nicht, dass es auch im privaten Bereich bei Dir etwas, sagen wir mal, exzentrisch zugeht. So sei nur mal der Kauf eines Schlosses in Bayern erwähnt.
Aber zurück zum eigentlichen Thema. Dein Auftreten, deine manchmal aus dem Rahmen fallende Mimik und Gestik, die unterkühlte Stimme, und zu guter Letzt dein wunderbares Moll-Gesicht prädestinieren Dich einfach dafür zerrissene, freudlose Rollen zu spielen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass Du für deine Paraderolle in Leaving Las Vegas – Liebe bis in den Tod , in der dein intensives Schauspiel bestens zur Geltung kam, einen Oscar dein Eigen nennen darfst; und überhaupt wurdest Du viele Male bereits ausgezeichnet, auch mit der Goldenen Himbeere, die ja sogar letztes Jahr an den von vielen geschätzten Al Pacino ging.
Aber was sind schon Preise auf dieser Welt. Viel wichtiger für mich ist, dass Du neben deinen Ehrungen, mit einigen der besten bzw. prominentesten zeitgenössischen Regisseure gearbeitet hast, wie Francis Ford Coppola, den Coen-Brüdern, Ridley Scott, David Lynch, Oliver Stone, John Woo, Werner Herzog und nicht zuletzt Martin Scorsese. Eine beachtliche Liste!
Ich muss aber auch zugeben, dass Du auch einen gewissen Drang für Trashfilme besitzt, ansonsten könnte man sich so manche Rollen nicht erklären. Aber wirklich gravierend finde ich das nicht. Denn jeder Schauspieler, auch solche von ganz hohem Rang, haben in fragwürdigen Filmen mitgespielt. Das Seltsame hierbei ist aber, dass viele „nur“ deine schlechteren Filme kennen und ansonsten sich eher wenig mit deinem, wollen wir es mal Œuvre nennen, auseinandersetzen. Du bist einer von den umstrittenen Schauspielern, die weit mehr Kritiker gegen sich haben als Befürworter. Zumindest ist dies mein Eindruck.
Ich schreibe Dir diesen Brief um zu zeigen, dass es da draußen auch Menschen gibt, die deine Filme, natürlich nicht alle, gerne sehen. Du bist zwar nicht mein unerreichter Toplieblingsschauspieler dem ich jeden Film verzeihen würde, so einen gibt es bei mir nämlich nicht, doch angesichts einer grassierenden Geringschätzung deines Könnens und einiger grandioser Filme von Dir, muss ich Dir einfach meine Anerkennung aussprechen und hoffe, dass Du in Zukunft wieder in „besseren“ Filmen mitwirkst, die deinem Maß entsprechen. Abgesehen davon möchte ich noch deine Synchronstimme Martin Keßler loben, die ausgezeichnet in deutscher Sprache deine schauspielerische Leistung unterstreicht.
Auf das mehr Menschen dein individuelles Schauspiel endlich wahrhaftig zu schätzen wissen.
In diesem Sinne
Ein filmliebender Fan, der an Dich glaubt.
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