Ein Plädoyer für Kartoffelsalat

17.06.2017 - 08:50 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Bitte, fragt!Take25pictures/Central Film/moviepilot
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Da haben wir den Salat - und den Beweis, dass auch ein Film mit einem legendär schlechten Communityrating von 1.4 einen großartigen Kommentar hervorbringen kann. Sicher, es gibt schlechter bewertete Filme auf moviepilot, aber keiner von denen wurde je so mutig verteidigt.

...als ob ihr euch den vormerken würdet :) Was ihr euch aber vormerken solltet, wenn ihr es nicht ohnehin schon getan habt, ist der Ort, an den ihr einen großartigen Kommentar schicken müsst, wenn euch einer auf dem Bildschirm erscheint: Nämlich hier hin! Und das solltet ihr erst recht tun, wenn der Kommentar dazu, so wie diese Woche, das Beste am ganzen Film ist...

Der Kommentar der Woche
Manchmal muss ein Mann tun, was ein Mann tun muss... Egal, wie hoch die Wellen schlagen, wie die Menge einen zerreißen wird, ob die Bestatter bereits die Schultern ausmessen und es eine Kamikaze-Mission mitten in den Kartoffelsalat hinein wird. Manch eine Wahrheit muss einfach ausgesprochen werden, egal wie schmerzhaft sie ist. Filmpflaume, es war uns eine Ehre, mit Ihnen gedient zu haben!

*seufz*
Okay. Zeit, sich auf das dünnste Eis der deutschen Kulturlandschaft zur Zeit zu wagen und darauf herumzuspringen: So schlimm ist der Film nun wirklich nicht.

Halt, Stop, haltet ein, löscht die Fackeln, senkt die Mistgabeln!

Natürlich ist Kartoffelsalat nicht "gut", das spricht schon meine Wertung aus, deswegen ist es auch seltsam, dass ich dafür nun ein Plädoyer halten muss. Nur scheint es mir in den letzten Wochen vornehmlich so, als sei es in Mode, auf den ersten deutschen YouTube-Film mit allen Mitteln einzuprügeln und sich dabei eigentlich hauptsächlich lustvoll an der wehrlosen Zielgruppe und ihrer augenscheinlichen Dumpfheit zu ergehen, den Film nicht als das zu sehen, was er ist, sondern lediglich in seinem eigenwilligen Kontext. (Auch in diesen Kommentaren sehe ich übrigens unzählige Einträge, die auf "diese Jugend" möglichst abfällig herabblicken, und auf YouTuber sowieso. Was die wohl verbrochen haben?) Kartoffelsalat ist stumpf. Verdient hauptsächlich an seinen jungen Fans. Und nach dem Aufbau sollte man bitte "Nicht fragen!". Alles korrekt, unterschreibe ich so.

Bei solchen Äußerungen muss ich unwillkürlich an die alten Komödien-Geniestreiche à la "Zucker/Abraham/Zucker" denken, die wohl 90% der hier Kommentierenden, wie ich selbst, sehr zu schätzen wissen. Natürlich würde ich es nicht ernstlich wagen, diese Werke mit einem Freshtorge-Werbespot in Spielfilmlänge auf eine Stufe zu stellen, dennoch sind auch diese Filme reichlich "bescheuert", aber es zündet eben. Humor ist subjektiv, und Kartoffelsalat nicht zu mögen sofern vollkommen legitim, aber dann kaum anders als mit "voll dumm" argumentieren zu können, wieso, ist dünn. Ich jedenfalls habe mich manchmal ehrlich amüsiert und unter wenigen Fremdschäm-Momenten gab es Gags, die ich für mich als im besten Sinne blöde und kreativ bezeichnen will (Walter White zu imitieren und parodieren ist nett. Den Schauspieler dann aber komplett nachzusynchronisieren, und zwar mit der deutschen Stimme Bryan Cranstons, finde ich persönlich grandios. Aber vielleicht bin das auch nur ich). Nur hat sich mancher Zuschauer, wenn nette Witze kommen, vermutlich schon zu sehr darauf eingeschossen, dass dieser Film einen bloß nicht mehr zum Lachen bringen darf. Auch das Ende war vollkommener Nonsens, und genau deswegen ist es für mich aufgegangen - und hat mich legitim überrascht.

An dieser Stelle ein bisschen Hintergrundinfo (ja, ich weiß, dies wird ein furchtbar langer Text): Ich ging mit einem Freund mit just jener Einstellung ins Kino, dem festen Willen, mich über diesen cineastischen Schandfleck lustig zu machen. Und zusätzlich kann ich die wenigsten der auftretenden YouTuber auch nur ansatzweise leiden. Ich bin also definitiv alles andere als ein Fanboy, ich hatte nicht einmal Lust auf den Film. Ich wollte den scheiße finden. Gleichzeitig habe ich mich gewissermaßen mit YouTube durch die Pubertät gekämpft, also bin ich vermutlich auch schlicht für den Humor empfänglich, das gebe ich zu. Trotz meiner im Voraus aufgebauten Antipathien konnte ich den Film dann im Kino aber einfach nicht anständig runtermachen, weil er mich nunmal wenigstens unterhalten hat und nicht derart schlecht war, wie die Warnungen vermuten ließen.

Das ist, und somit beschließe ich meinen Roman, mehr als ich von einem Großteil des deutschen Kinos behaupten kann. Ich würde mir lieber fünfmal Kartoffelsalat ansehen, als mich von einem einzigen Schweighöfer-Film zur Bewusstlosigkeit langweilen zu lassen. Nichtmal das Schauspiel fand ich schlechter, einige YouTuber bewiesen, dass sie mit der Zeit zumindest ein Gefühl für Timing entwickelt haben. Alle Zuschauer, die Kartoffelsalat in Fassungslosigkeit zurückgelassen hat, dürfen sich also mal ein bisschen beruhigen, anstatt wutschnaubend Todesanzeigen für die Jugendkultur in die Tasten zu hauen. Und jetzt gehe ich mich für meine Meinung schämen.

Den Originalkommentar findet ihr übrigens hier.

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