Fargo - Staffel 2, Episode 7 im Recap

26.11.2015 - 10:40 UhrVor 8 Jahren aktualisiert
Fargo
FX
Fargo
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Fargo spielt mit unseren Erwartungen in der 7. Episode, in der so viel gemordet wird, dass einem eine einfache Umarmung fast die Tränen in die Augen treibt.

Erst einmal ein kleiner Freudensprung meinerseits: FX hat Fargo diese Woche um eine 3. Staffel verlängert. Werden wir den Aufstieg der Familie Gerhardt in den 40er und 50er Jahren zu Gesicht bekommen? Oder ist dieser Verweis aus den vergangenen Episoden schon wieder zu offensichtlich für einen Noah Hawley, der aus zwei Seitenbemerkungen eine bisher überragende 2. Staffel spinnen konnte? Welche Epoche wollt ihr nächstes Jahr im eiskalten Mittleren Westen erkunden? Ein historisches Setting wäre wieder großartig, vielleicht sogar eines im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert, das die Bühne frei für Hanzees Vorfahren macht? Die 7. Episode der 2. Staffel, Did you do this? No, you did it!, spielt titeltechnisch jedenfalls auf eine berühmte Anekdote aus dem Leben von Pablo Picasso an. Der wurde von einem deutschen Militär gefragt, ob er die Guernica gemalt habe, Picassos berühmte künstlerische Aufarbeitung deutscher Bombardierungen während des Spanischen Bürgerkriegs. Und Picasso antwortete: Nein, das waren Sie.

Der Tod hängt also über dieser Episode von Fargo, in der diverse Figuren damit beschäftigt sind, sich und anderen Gräber zu schaufeln. Allen voran Simone Gerhardt (Rachel Keller), eine der schwierigsten Figuren der Serie. Schwierig, weil sie mit ihrer Großmutter Floyd (Jean Smart) im Prinzip ein wichtiges Gangster-Pendant zum, sagen wir mal, domestizierten Doppel Betsy (Cristin Milioti) und Peggy (Kirsten Dunst) bildet. Ebenso wie Betsy hat sich Floyd weitgehend ihrer Rolle als Mutter und Ehefrau verschrieben und ebenso wie Peggy spielt Simone mit dem Ausbruch aus dem für sie "vorgesehenen" Leben. Nur haben die Autoren ihr in den vergangenen Episoden bei Weitem nicht genug Zeit gewidmet, um Simones wiederholte und ziemlich dämliche Rückkehr zum abusive boyfriend Mike Milligan (Bokeem Woodbine) zu rechtfertigen. Solche Beziehungen existieren, keine Frage, aber Did you do this? No, you did it! ist das ideale Exempel für die fragliche Funktionalisierung von Simones Privatleben in der 2. Staffel. Anstatt Mike, der vor einer Folge ihr Haus zusammengeschossen hat, einfach anzurufen, fährt sie blindlings zu ihm. Das passiert in erster Linie, damit die Autoren Noah Hawley, Matt Wolpert und Ben Nedivi ihren Onkel Bear (Angus Sampson) der Familie abschwören lassen können.

Erschießt Bear also Simone? Gleich zweifach verweist Fargo hier auf Miller's Crossing, in dem Gabriel Byrne John Turturro im Wald laufen lässt (hier die Szene ). Die Präsenz von Danny's Boy  auf der Tonspur verleiht der Szene in Fargo zwar eine angemessene Tragik, die auf eine Hinrichtung schließen lässt. Sie irritiert aber auch ein wenig, weil es wohl kaum einen Song gibt, der dermaßen mit der irischen Kultur verwachsen ist. Und die spielt in Fargo so gut wie keine Rolle. Vielleicht sind aber auch die ungesehenen Aliens riesen Guinness-Fans, denn die etwas traumartige Wanderung durch den Wald, inklusive der Overhead-Shots, scheint fast deren Perspektive einzunehmen. Ich stecke jedenfalls in einem Zwiespalt: Trotz all der Toten zu Beginn der Episode und in der bisherigen Staffel wollte ich ganz sicher nicht sehen, wie Bear Simone eine Kugel in den Kopf jagt. Was wohl damit zusammenhängt, dass Simone bisher kaum mehr als ein Magnet von Misshandlungen war. Andererseits machen solche künstlichen filmischen Auslassungen unnötig misstrauisch.

In jedem Fall haben die Autoren einiges an Lob verdient für ihre Fähigkeit, zwischen überzeichneten Genre-Momenten (das Fensterputzer-Attentat) und kleineren, aber berührenden zwischenmenschlichen Szenen zu wechseln. Bear, eben noch in einer überlebensgroß stilisierten Szene Teil eines Erschießungskommandos, muss in derselben Folge sichtlich bewegt zuhören, wie seine Nichte um ihr Leben bettelt. Szenen wie diese sind der Prüfstein der Charakterentwicklung, durch den wir ein für alle Mal Sicherheit erhalten, ob wir es mit Karikaturen oder Menschen zu tun haben. Wie viel wollen wir als Zuschauer schließlich in einen flachen Stereotyp investieren?

Und so beeindrucken in dieser 7. Episode von Fargo Dialogszenen mehr als Schießereien. Die fantastische Jean Smart reiht sich in die Liste potenzieller Emmy-Kandidaten ein. Erst am Aufgeben im Verhörraum spielt sie den Polizisten vielleicht genau das vor, was sie und Männer wie Dodd von ihr erwarten würden: Die Mutter, die alles für ihre Söhne tun würde, selbst wenn es die Geschäftsehre beschmutzt. Doch sobald der Job getan ist, die Tricks des Kansas City-Syndikats ausgeplaudert wurden, schleicht sich ein kaltes, selbstzufriedenes Lächeln in ihr Gesicht, unmerklich und doch unübersehbar. Ob sie die Gerhardts damit rettet oder nur weiter in den Untergang treibt, sei mal dahingestellt. Der Gangsterkrieg fordert jedenfalls auf beiden Seiten Tribut. Nie haben wir Mike Milligan so klein, zweifelnd und verletzlich gesehen. Auch er versucht sich in einer Welt zu assimilieren, die ihm feindlich gesinnt ist. Da redet der Chef am Telefon von ihm als "Darkie", als wäre Martin Luther King, Jr. nie nach Washington marschiert. Doch auch Milligan rappelt sich auf. Er entscheidet sein Western-Duell mit dem groß angekündigten Undertaker (und dessen beiden ganz eigenen Kitchen Brothers) in King Schultz-Manier für sich und wieder einmal schlägt Fargo einen erzählerischen Haken, der uns perplex zurücklässt. Kansas City wendet sich gegen Milligan, Milligan könnte Dodd Gerhardt in die Hände gespielt werden, Floyd gibt augenscheinlich für die Familie die Verräterin und Bear scheint die Familie vollends aufzugeben. Schein und Sein sind in dieser von Geschichtenerzählern bevölkerten Staffel wieder einmal schwer voneinander zu unterscheiden. Die Fronten aber haben sich so weit zerfasert, dass der Ausgang der kommenden drei Episoden ungeheuer schwer vorherzusagen ist.

Der warme, gemütliche Kern in einer weiter auseinanderdriftenden Serienwelt findet sich trotzdem im Hause Solverson. Das verdeutlichen die amüsant flapsigen Dialoge, das sicherlich leckere Frühstück des "Breakfast Kings of Loyola", die erdige Farbgebung und eine Umarmung, die nach so viel Gewalt unbedingt nötig war. Meine Lieblingsszene gesellt sich dazu: Ein äußerst gelassener Schwenk über die Familienfotos in Hanks Haus bildet hier nämlich eine Variation eines bekannten Moments innerhalb der Serie. In der letzten Episode Rhinoceros saß Bear auf der Veranda bei seinem Vater und erinnerte sich an seine Kindheit. Als Flashback-Ersatz wurden sekundenkurze Blicke auf Familienfotos dazwischen geschnitten. "None of us is family anymore." Recht hat er.

Zitat der Folge: "We're not meant to have more than we can handle, is what I mean. So, this need for conquest, you know, tryin' to own things that aren't meant to be owned." - "Like people?"

Anmerkungen am Rande:

  • Was sagt ihr zu Hanks Hieroglyphen?
  • "I said, it's not like my dad's the shark in that movie 'We're gonna need a bigger boat.'"
  • "This family deserves the ground."
  • "Stories used to be simpler, that's for sure."
  • Man vergleiche Mikes Monolog über astronomische Revolutionen (sprich: Kreisbewegungen) mit dem Gespräch über die absolute Trennung von Vergangenheit und Gegenwart und freue sich zwischendurch über die Split-Screen-Sequenz, in der die Gerhardt-Familie aus Vergangenheit und Gegenwart nebeneinander gestellt wird.


Alle Recaps zur 2. Staffel von Fargo:

Fargo Recap - Waiting for Dutch (S02E01)
Fargo Recap - Before The Law (S02E02)
Fargo Recap - The Myth of Sisyphus (S02E03)
Fargo Recap - Fear and Trembling (S02E04)
Fargo Recap - The Gift of the Magi (S02E05)
Fargo Recap - Rhinoceros (S02E06)

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