Gérard Depardieus Flucht nach Russland

12.01.2013 - 17:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Neu-Russe Gérard Depardieu
Concorde Filmverleih/moviepilot
Neu-Russe Gérard Depardieu
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So, jetzt ist’s genug! Über mehrere Wochen brodelt es schon, immer wieder und wieder kommen neue Meldungen hinzu – nun ist die Zeit gekommen, sich aufzuregen.

Eigentlich soll ja jeder machen, was er will. Zumindest, wenn niemand anderes in Mitleidenschaft gezogen wird und die Gesetze eingehalten werden. Individuelle Freiheit ist ein hohes Gut, eine Errungenschaft, die es zu bewahren gilt. Ein paar französische Filmstars treiben es aber derzeit sehr weit, allen voran der sichtlich dem Genuss zugetane Gérard Depardieu.

Der Aufreger der Woche dreht sich um französische Stars, die die Nationalität wechseln (wollen).

Gérard Depardieus neuer Pass
Jeder hat es mitbekommen: Die französische Regierung unter François Hollande hatte vor, eine – wie sie im Volksmund genannt wird – Reichensteuer einzuführen. 75 Prozent für Einkommen über eine Million Euro. Schauspieler und Unternehmer Gérard Depardieu (er betreibt nebenher noch Restaurants und besitzt Weinberge) lehnte sich dagegen auf und drohte prompt mit dem Wechsel seiner Nationalität. Zu Anfang klang das noch wie aufgebrachtes Geschwätz, doch mittlerweile ist der Passtausch vollzogen worden. Gérard Depardieu ist nun, durch kräftige Unterstützung von Vladimir Putin, russischer Staatsbürger. Eigentlich wollte der Mime ja Belgier werden, aber ein Steuersatz von 13 Prozent ist einfach ein zu verführerisches Angebot. Außerdem ist es ja nicht so, dass es bei einem neuen Pass bleiben muss: Gérard Depardieu beabsichtig nach wie vor, die belgische Staatsbürgerschaft zu erhalten. Ob’s klappt, bleibt abzuwarten.

Vor den Karren gespannt
Unterstützung bekam er vor kurzem erst von Catherine Deneuve und Brigitte Bardot. Beide sprangen ihrem Berufskollegen zur Seite und verteidigten ihn gegen Attacken, in denen ihm Habgier unterstellt wurde. So weit, so loyal. Betrachten wir Gérard Depardieus bisheriges Leben, kann allerdings davon ausgegangen werden, dass ihn die Angriffe eh kein Stück interessiert haben. Interessiert hat ihn jedoch auch ganz offensichtlich nicht die Lawine, die er mit seinem Wechsel der Staatsbürgerschaft und einigen getätigten Aussagen ins Rollen gebracht hat. Zum einen hat er sich als Zugpferd vor den russischen Karren spannen lassen. Nach dem Skandal um die Verurteilung der Punkband Pussy Riot benötigte Russlands Regierung schnellstens gute PR. Ob die durch die eilig vorangetriebene Passaustellung für Gérard Depardieu wirklich so gut ist, sei mal dahingestellt. Tatsache ist jedoch, dass sich Russland als kunst- und künstlerfreundlicher Staat darstellen konnte, der ein liberales Steuersystem hat, das Besserverdiener nicht schröpft. Ob das Gegenteil tatsächlich auf das mittlerweile gestoppte französische Vorhaben zutrifft, ist dabei nicht von Interesse.

Neuentdeckte Liebe
Dass Gérard Depardieu mit den Worten „Ehre sei Russland“ dankte und das Riesenreich als „große Demokratie“ bezeichnete, ist aber wohl der größte Witz mit Anlauf. Wer daran ernsthaft glaubt, der sollte mal mit Wahlbeobachtern und Amnesty International sprechen. Bestseller-Autor Wladimir Kaminer äußerte sich diesbezüglich vor einigen Tagen. Er merkte an, dass das Gebaren der französischen Stars für die russische Opposition ein Schlag ins Gesicht sei. Durch sie und ihre aus Steuergründen neuentdeckte Liebe zur russischen Regierung (nicht zum Land oder den Leuten) werden die wichtigen Anliegen unbedeutender, Vladimir Putin und seine Mannen bekommen massig Werbung. Die kleingeistige Haltung wird vor allem deutlich, wenn der Grund für Brigitte Bardots Drohung, die russische Staatsbürgerschaft anzunehmen, genannt wird: Sollten zwei kranke Elefanten in Frankreich eingeschläfert werden, dann gibt sie ihren französischen Pass ab – und geht ins für Menschenrechte und Tierschutz bekannte Russland…

Dass sie allesamt durch die ausgebaute Filmförderung in Frankreich profitiert haben, und sie durch höhere Steuerabgaben (wie hoch die auch immer sein sollten) einen Teil zurückgeben könnten, bedenken sie nicht. Als anständige und angesehene Bürger würden sie auch nicht einfach so die Nationalität wechseln oder zumindest damit drohen, sondern aktiv an einer politischen Lösung mitarbeiten. Gérard Depardieu hat schließlich Gewicht – also sein Wort hat Gewicht.

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