Gewalt von Mimik & Bewegung im Stummfilm der 20er

24.02.2014 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Buster Keaton in Steamboat Bill Jr.
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Buster Keaton in Steamboat Bill Jr.
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Nach dem Zusammenhang von Gewalt und Sehen in den Anfängen des Kinos steht diesmal die Bewegung von Körper und Mimik als Ausdruck von Gewalt im Mittelpunkt. In zwei unterschiedlichen Strömungen zeigen sich diese Formen der Gewalt in den 1920ern.

In den frühen 1920er Jahren entwickelten sich parallel zueinander zwei massenorientierte Filmgenres: der Slapstick aus Hollywood und der deutsche expressionistische Film. Im Slapstickfilm kämpften einfältige Charaktere gegen die Widrigkeiten der Welt. Etwa, um die ersehnte Frau ihres Herzens zu erobern oder es mit den Neuerungen der technisierten Welt aufzunehmen, wozu sie eine Reihe von teils halsbrecherischen Abenteuern bestehen mussten. Dieses Kino setzte auf viel Tempo, präzise getimte Gags, Pointen und Stunts, die das zeitgenössische Publikum in Staunen versetzen und zu herzlichem Mitlachen animieren sollten. Die drei größten, noch heutzutage bekannten Stars in den frühen 20ern waren Charlie Chaplin, Harold Lloyd und Buster Keaton. Vor allem Buster Keaton realisierte Stunts, bei denen der Komiker zum Teil Leib und Leben riskierte, beispielsweise in Sherlock Jr. (1924), als er von hunderten Litern Wasser getroffen auf Bahngleise gespült wird und sich dabei beinhahe buchstäblich den Hals brach und in Steamboat Bill, Jr. – Wasser hat keine Balken (1928), als eine zwei Tonnen schwere Hausfassade auf ihn stürzt.

Der deutsche expressionistische Film
Diesseits des Atlantiks entwickelte sich ein entgegengesetzter Trend zu den damals beliebten, aber teuren Außendrehs ins Hollywood. In den UFA-Studios in Potsdam, Babelsberg, entwarfen Regisseure und Dekorateure fantastische Filmwelten, in denen irrsinnige Tyrannen und grausame Schreckensfiguren die Bevölkerung in Stadt und Land terrorisierten. Im deutschen expressionistischen Film wurde durch eine kontraststarke Licht- und Schattendramaturgie und einen symbolisch aufgeladenen Bildaufbau eine bedrohliche Atmosphäre geschaffen, in der die Schauspieler durch eine übertriebene Spielweise die inneren Angstzustände expressiv, das heißt hochemotional und überbetont, zum Ausdruck brachten. Darunter fallen Filme wie Das Cabinet des Dr. Caligari und Genuine (beide 1919) von Robert Wiene, Nosferatu, eine Symphonie des Grauens (1922) und Faust (1926) von F.W. Murnau, Dr. Mabuse, der Spieler – Ein Bild der Zeit (1922) von Fritz Lang bis hin zu dessen monumentaler Produktion und dem Endpunkt des Genres Metropolis (1927). Sie erzählen von archetypischen Schurken-, Blender-, Horror- und Teufelsgestalten, für die ihre Macher auf klassische Stoffe der Literaturgeschichte oder die surrealistischen Bilderwelten der bildenden Kunst zurückgriffen.

Körper und Kinogewalt
Trotz der unterschiedlichen thematischen Ausrichtung lässt sich eine Gemeinsamkeit im humorgetriebenen Hollywoodkino und den düsteren Visionen aus Berlin und Babelsberg ausmachen. Auf dem Höhepunkt der Stummfilmzeit wurde sowohl im Slapstick-Kino als auch im deutschen expressionistischen Film der menschliche Körper als Gegenstand des Kinos vereinnahmt. Diese Art von Gewalt lässt sich entweder als eine vom Kino selbst gegen den Körper erzeugte Gewalt wie bei Buster Keaton beschreiben. Oder aber sie lässt sich als eine totale Entäußerung affektiver Zustände verstehen, als Gewalt des Körpers und Sichtbarmachung des Schocks wie bei den überbetonten Bewegungen der Darsteller im expressionistischen Film. Beide sind als eine ästhetische Form von Gewalt zu begreifen, die allein zu Unterhaltungszwecken dient.

Die Kunst des schmerzlosen Stürzens
Buster Keaton stieg zu Beginn der 20er Jahre, als er ein eigenes kleines Studio besaß und in kreativer Hinsicht freie Hand hatte, neben Charlie Chaplin (Der Vagabund und das Kind) und Harold Lloyd (Ausgerechnet Wolkenkratzer) zum bekanntesten Stummfilmkomiker seiner Zeit auf. Sein Ruhm gründete sich auf spektakulären Stunts, die er alle selbst konzipierte und ausführte. Zu seinen Dauernummern gehörten die so genannten pratfalls. Dies sind Stürze, bei denen er – kaum hat er den Boden berührt – in einer Schraub- oder Rollbewegung sich selbst noch einmal empor schleudert. Die Kunst des richtigen Stürzens lernte Keaton bereits als Kind, als er mit seinen Eltern als The Three Keatons auftrat. Teil dieser Bühnenshow war es, dass er von seinem Vater wie ein Mob quer über die Bühne geschleuderte wurde. Dabei entdeckte er, dass das Publikum umso mehr lachte, je unbekümmerter er wirkte. Sein stoischer Gesichtsausdruck machte ihn nicht nur als the great stone face bekannt, sondern war Ausdruck einer Erhabenheit über den Schmerz und jedes sentimentale Gefühl.

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