Glamourcity - Die Legende kehrt zurück

22.05.2011 - 12:00 Uhr
Jean- Paul Belmondo und Ehefrau in Cannes
JB
Jean- Paul Belmondo und Ehefrau in Cannes
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Moviepilot Redakteur Johann Buchholz erlebt seinen berührendsten Cannes Moment. Ein alter Herr am Stock kämpft sich die Treppe zum Festivalpalast hoch und ganz Cannes jubelt ihm zu: Jean-Paul Belmondo wird für sein Lebenswerk geehrt.

Die Fotografen am roten Teppich lassen sich nicht leicht beeindrucken. Sie haben schon alles gesehen, und selbst wenn eine Filmlegende, was sag ich, ein Hollywoodgott über den Teppich läuft, schreien sie nach ihm, als sei es ein alter Kumpel.
„Clint, look at me like Dirty Harry!“
Clint Eastwood beim Vornamen zu rufen, das muss man sich erst einmal trauen.

Wer gerade den roten Teppich betritt, wird über Lautsprecher verkündet.
Seit vielen Jahren schon macht das derselbe Sprecher.

Aber als eine französische Legende zum ersten Mal seit Jahrzehnten wieder den roten Teppich betritt, da versagt ihm die Stimme, so sehr hat er mit den Tränen zu kämpfen.

Nur noch die Musik aus dem Film Der Profi (Chi Mai von Ennio Morricone) ist zu hören, als Jean-Paul Belmondo sich vor die Fotografen stellt.

Und die tun etwas, das sie noch nie gemacht haben: Sie hören auf zu knipsen, legen ihre Fotoapparate vor die Füße und klatschen. Drei Minuten lang.

Jean-Paul Belmondo wird heute anlässlich der Premiere eines Dokumentarfilms über seine Filme geehrt. Nach einem Schlaganfall vor 10 Jahren hat er Schwierigkeiten zu gehen und zu reden. Der Weg die Treppen hinauf fällt ihm schwer.

Trotzdem bleibt er immer wieder stehen, gibt die Krücke ab, dreht sich zu den Fans und macht eine Belmondo Bewegung, die hier alle kennen.
Gejubel und Geschrei aus tausend Kehlen.

Im Saal bekommt Belmondo überraschend eine goldene Palme vom Präsident des Festivals, Gilles Jacob, überreicht.

Der Schauspieler ist dafür bekannt, seine Stunts immer selbst ausgeführt zu haben. Manchmal auch, obwohl die Versicherung der jeweiligen Produktion es eigentlich verboten hatte.
Deshalb sagt Gilles Jacob: „Jean-Paul, aujourd’hui tu as réussi ta plus grande cascade. »
(« Jean-Paul, heute hast Du Deinen größten Stunt geschafft. »)

Er meint damit das Heraufsteigen der berühmten Treppe. Und er meint es liebevoll.
Denn das ist das Gefühl, das sie ihm hier alle entgegenbringen: Liebe.
Die Franzosen lieben Jean-Paul Belmondo.

Viele seiner Weggefährten sind nach Cannes gekommen, um ihn zu ehren.
Einzeln werden sie auf die Bühne gerufen:
Claudia Cardinale (seine Partnerin in Cartouche, der Bandit), Jean Rochefort* (auch in „Cartouche“), George-Lautner (sein Regisseur in „Der Profi“, „Der Windhund“ und anderen Filmen), Claude Lelouche (sein Regisseur in „Der Löwe“) und viele mehr.

In dem Dokumentarfilm, Belmondo, itinéraire, kommen viele seiner alten Freunde zu Wort. Als es um die Frauen in seinen Filmen und seinem Leben geht, wird eine Szene gezeigt, in der er Ursula Andress küsst. Und der echte Belmondo, ein paar Reihen vor mir, sagt laut: „Ah, elle était belle, belle…“
Applaus im Saal.

Überhaupt wird bei fast jedem Zeitzeugen, der auf dem Bildschirm erscheint, erst einmal geklatscht. Da spricht zum Beispiel der Schauspieler Charles Gérard, der heute abend auch anwesend ist.

Man kennt vielleicht nicht seinen Namen, aber das Gesicht, das erkenne ich aus unzähligen französischen Filmen wieder. Nun bin ich ja kein Franzose und bin deshalb nicht ganz so ergriffen von allem, was bisher auf der Bühne passiert ist. Aber als ich Charles Gérard sehe, da brechen jetzt alle Dämme. Da kommen ganz alte Erinnerungen zurück.
Und diese Gesichter, diese Filme begleiten mich schon so lange.

Mein alter Freund Gaston, auf dem Platz neben mir, wischt sich die Tränen bereits gar nicht mehr von den Wangen.

Das ist das Besondere an einem Star wie Jean-Paul Belmondo. Seine Filme durfte ich schon als Kind sehen. Clint Eastwood, Robert De Niro, Sean Penn… alles große Schauspieler, aber die habe ich erst später mitbekommen.

Belmondo war schon immer da.

Und dann erfüllt mich eine große Dankbarkeit zu diesem Mann.
Und an all die, die da vorne mit ihm sitzen und all die großartigen Filme gemacht haben.

Zwar habe ich in diesem Festival einige Meisterstücke wie „Tree of Life“, Melancholia“ und „Poliss“ entdeckt, dieser Abend ist aber der berührendste.

Es fühlt sich auch nicht mehr albern an, sich für einen Kinofilm einen Smoking anzuziehen (und die blöde Fliege). Die Filme, ihre Macher und Mitwirkenden werden von den Zuschauern geehrt. Und da wirft man sich halt in Schale.

So muss es früher im Theater gewesen sein, als man mit Frack und Zylinder zur Vorstellung ging. In einer Zeit lange bevor man neben stinkende Käsenachos schmatzenden Sandalenträgern im Multiplex saß.

Sollten Sie also in den nächsten Wochen ins Kino gehen und von einem Typ im Smoking angesprochen werden, dass Sie Ihr Popcorn bitte leiser essen mögen, so verzeihen Sie ihm – Cannes ist schuld.

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