Grimms Märchen von den brutalen Videospielen

02.07.2011 - 07:45 Uhr
Ganz schön grimmig
EA/moviepilot
Ganz schön grimmig
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Wie die Zeit vergeht, wie der Kragen immer dicker wird. Ja, die Woche bot wieder einige Anlässe, etwas heftiger zu atmen. Wir haben uns eines der Themen rausgepickt.

Justitia ist blind. Manchmal ist sie sogar so blind, dass sie die einfachsten und einleuchtendsten Argumente nicht mehr sieht. Aber von Zeit zu Zeit erhellt sich ihr Blick und sie sieht wieder etwas schärfer. Und dann geschehen Wunder, denn es wird Recht gesprochen, das so klar ist wie Bergwasser.

Der Aufreger der Woche behandelt diesmal ein Gerichturteil in den USA, dessen Folge und die Vorbildfunktion.

Videospiele für alle
Wir wollen euch erst einmal schildern, worum es eigentlich geht: Am Montag haben die Richter des Obersten Gerichtshofs in den USA ein kalifornisches Gesetz gekippt, das die Abgabe von Videospielen mit gewalttätigem Inhalt an Personen unter 18 Jahren verboten und sogar unter Strafe gestellt hat. Die Begründung der Aufhebung des Gesetzes ist klar, deutlich und rechtens: Wie Bücher, Theaterstücke oder Filme vermitteln Videospiele Ideen und sogar gesellschaftliche Botschaften. Damit werden sie durch den ersten Verfassungszusatz, in dem grundlegende Rechte wie die Religionsfreiheit, die Rede- und Pressefreiheit sowie die Versammlungsfreiheit festgeschrieben sind, geschützt. Alles klar? Jup, alles klar.

Der Staat, der Bürger
Bevor von einigen Seiten ein Aufschrei hereinbricht: Nein, 5-jährige sollen nicht mit Ego Shootern aufwachsen. Es geht auch gar nicht darum, dass Kinder oder Jugendliche auf sämtliche Arten von Medien Zugriff haben sollen. Nur: In den USA ist staatliche Einmischung in persönliche Bereiche ein No-go, jedweder Verstoß gegen die Verfassung, die den Status des Heiligen Gral besitzt, wird missbilligt. Und die Argumentation, dass sogar die Märchen der Gebrüder Grimm schon ziemlich brutal waren, ist vielleicht etwas zu arg heruntergebrochen, aber dennoch stichhaltig. Entscheidend ist vielmehr die Wirkung des Urteils.

Es geht um die Zurückhaltung staatlicher Einmischung (die US-Industrie hat ja ein vom Gericht hervorgehobenes System, das Altersempfehlungen gibt), um die Übertragung der Verantwortung an die Bürger. Es mag vielen ein Gefühl der Sicherheit geben, wenn ihnen gesagt wird, dass sie dies tun dürfen und das nicht. Und prinzipiell ist es ja auch nicht verkehrt, Regeln vorzugeben, eine Gemeinschaft soll schließlich nicht wie Sodom und Gomorra enden. Aber den Menschen muss mehr zugetraut werden, die Aufgaben der Erziehung und der Verantwortung für die Kinder müssen wieder an die Eltern über gehen, der Staat sollte nicht vorgeben, in welchem Schritttempo eine Ampel überquert wird, in welcher Farbe das Spielzimmer gestrichen sein sollte und welche Ideen und Inhalte für wen geeignet sind.

Die deutsche Situation
Dass es einen gesetzlichen Rahmen geben muss, steht außer Frage. Nur wie weit soll der gehen? Es ist zugegebenermaßen eine Gratwanderung. Niemand muss auch das Urteil bezüglich der Gewaltspiele gutheißen. Aber es ist zumindest eine nachvollziehbare Entscheidung. Und da hakt der eigentlich Aufreger ein: Wir in Deutschland sind offenbar nicht fähig dazu, eine allgemeinverbindliche Regelung zu finden. Verbote werden, zumindest wirkt es so, willkürlich ausgesprochen. Es ist allemal besser, eine Vorgabe zu haben, die für manch einen vielleicht zu liberal ist, aber an der sich jeder orientieren kann. Wenn Filme, Games und Co. eben eine Idee transportieren, egal, ob die einem gefällt, dann transportieren sie eben eine Idee. Das gilt es nicht zu bewerten, zumindest nicht von staatlicher Seite aus.

Dass ein US-Urteil nicht mit unserer Auffassung von Staatlichkeit und Rechtssprechung übereinstimmt, ist klar. Wir sollten dem auch nicht nacheifern und es kopieren, schließlich haben wir eine andere politische Geschichte. Aber wir sollten uns das Credo der klaren Rechtssprechung und der Übertragung von Eigenverantwortlichkeit an die Bürger zu Herzen nehmen. Bis dahin wird aber noch viel Wasser den Rhein, die Spree und den Neckar runterlaufen und wohl ein konstanter Aufreger der Woche bleiben.

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