Animes sind prädestiniert dafür, grundverschiedene Genres zu kreuzen. Bei meinem Serien-Herz Gungrave treffen sich Mafiageschichten wie Der Pate und Scarface mit einem finsteren Racheplot um Untote und Monster. In einem orgiastischen Akt bleihaltigen Gemetzels zeugen sie einen großkalibrigen Genre-Bastard: Gungrave. War die Videospielvorlage vor allem als stylischer Third Person-Shooter ausgelegt, bewiesen die Macher beim Anime gerade in puncto Inszenierung wesentlich mehr Finesse. Die Story, welche in der ersten Hälfte eine unglaublich lange und intensive Exposition für sich beansprucht, macht sich bezahlt.
Warum ich Gungrave mein Herz schenkte
Gungrave war eine dieser großen zufälligen Entdeckungen. Ich hatte gerade die letzten Folgen von Hellsing verschlungen und war auf der Suche nach irgendetwas Neuem, das mich fesseln konnte. Plötzlich sah ich ein Poster: großer Hut, große Knarre, Ketten und ein riesiger Sarg auf dem Rücken? Mein Gott, das sah auf den ersten Blick aus, wie eine pervers-geniale Mischung aus Hellsing, Django und eben irgendwas mit Ketten! Das musste ich einfach sehen. Ich verabreichte mir die komplette Serie am Stück – quasi intravenös. Im Nachhinein glaube ich zu wissen, dass dies mein erstes Binge-Watching war. Und eine stärkere Brille brauchte ich anschließend auch, glaube ich.
Von Nekrolyse, Orkmännern und der Mafia
Brandon Heat und Harry MacDowell. Zwei Freunde. Zwei kleine Gangster. Unterschiedlicher könnten ihre Charaktere nicht sein. Während Brandon das personifizierte Kalkül darstellt, ist Harry ein Hitzkopf. Sie beschließen, sich in den Dienst der Mafia-Organisation Millenion zu stellen. Schnell arbeiten und morden sie sich, ganz im Stile von Scarface, die pervertierte Karriereleiter hoch. Zeitgleich werden unethische, mysteröse Forschungen angedeutet, welche die Organisation betreibt. Tote werden angeblich reanimiert und Super-Soldaten erschaffen.
Irgendwann nimmt die Gier des Gangsterbosses Harry ‘Blood Harry’ MacDowell überhand. Um sich selbst an die Spitze der Mafia zu setzen, ermordet er auch Mitglieder aus den eigenen Reihen. Als sein Freund den Verrat aufdeckt, sieht sich der Mafiaboss in Zugzwang und jagt Brandon eine Kugel in den Kopf. Nach seinem tatsächlichen Tod wird dieser wird von einem Wissenschaftler und Ex-Mitglied von Millenion, Dr. Tokioka, geborgen und konserviert. Dieser entwickelte das Nekrolyseverfahren. Mit dem ist es ihm möglich, Tote wiederzubeleben. Diese Geschöpfe werden Orkmänner genannt. Unser Held wird ebenfalls wiedererweckt, allerdings stärker als je zuvor. Zitat: “Brandon Heat ist tot. Er heißt nun Grave. Beyond the Grave” Damit beginnt der Rachefeldzug des Mannes gegen die komplette Mafia. Diese war inzwischen allerdings so pfiffig, die Nekrolyse auch bei lebenden Objekten anzuwenden – mit diabolischen Ergebnissen.
Warum man sich Gungrave anschauen sollte
Zum einen wäre da das umwerfende Design und der Stil: dreckig, düster, detailliert. Das ist wieder einmal beste Ware aus dem Hause Madhouse. Dieses Studio zeichnete auch schon für andere Erfolge verantwortlich. Die Weihnachtstragikomödie Tokyo Godfathers und der farbenprächtige Mindfucker Paprika von Satoshi Kon gingen ebenfalls auf das Konto von Madhouse.
Die Geschichte dieses Genre-Hybriden ist dermaßen testosterongeschwängert, dass ich nur empfehlen kann, beim Anschauen dieser Serie einen Wintermantel anzuziehen. Als Bonus gibt es die coolsten Namen in einem Anime ever: Bob Poundmax, Balladbird Lee, Bear Walken, Beyond the Grave, Big Daddy, Bloody Harry. Also wenn einem da vor purer Coolness nicht sofort Eiszapfen aus den Augen wachsen, dann kann ich euch auch nicht helfen!
Was haltet ihr von Gungrave?