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Heavenly Creature: Illuminatio ex Machina

01.04.2015 - 11:00 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Doomsday Book
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Vorhang auf für Runde 3 der großen Community-Blogaktion blog me if you can! Wieder fanden sich mehrere Moviepiloten zusammen, um kreative und interessante Blogartikel zu Filmen und Serien zu schreiben. Heute dreht sich alles um "Zukunftstechnologien". Auch ihr, liebe Leser, könnt bei dem Projekt mitmachen und euch jederzeit dem aktuellen Monatsthema widmen. Wie das funktioniert, erfahrt ihr in den FAQ. Alle weiteren Texte zum Thema "Zukunftstechnologien" findet ihr am Ende dieses Blogartikels.

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Die Welt in naher Zukunft: Ein Post-Cyberpunk-Setting, in dem der Roboter längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen ist. Fernab von zynischer Dystopie, bietet Heavenly Creature, das von Kim Jee-woon gedrehte Segment im Kurzfilm-Omnibus Doomsday Book - Tag des Jüngsten Gerichts, eine denkbare Science-Fiction-Vision. Im Mittelpunkt stehen aber weniger die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen der fortgeschrittenen Robotik, als viel mehr ein kurioser Einzelfall, der jedoch ganz grundlegene philosophische Fragen zum Mensch-Maschine-Verhältnis aufwirft.

Ein Techniker des Roboterherstellers UR wird in ein buddhistisches Kloster gebeten, um einen Hilfsroboter, der für die Buchhaltung zuständig ist, auf Defekte zu untersuchen. Sämtliche Hardwarekomponenten scheinen intakt zu sein und ordnungsgemäß zu funktionieren und doch verhält sich der von den Mönchen In-myeong getaufte Roboter überaus ungewöhnlich: Er nimmt an den Gebeten teil, predigt vor den Mönchen und hat längst den Status eine Buddhas erreicht, sprich die Erleuchtung erlangt. Für den Techniker ein absurder Gedanke, vielleicht eine mögliche Schaltkreisfehlfunktion, und doch ist er sich später gegenüber seinem Arbeitsgeber nicht mehr ganz so sicher, ob eine Rückholaktion und Zerstörung der Maschine wirklich nötig ist.

In-myeong wird vom Techniker untersucht.

Der Unterschied zwischen einem Buddha und einer Maschine, so In-myeong selbst, sei die Wahrnehmung. Auf der einen Seite stehen die Mönche in Ehrfurcht vor einem Wesen, das die höchste Erkenntnisstufe erreicht hat, suchen dessen Rat und akzeptieren den Roboter als vollwertiges Mitglied, nicht nur ihres Klosters, nicht nur des Buddhismus, sondern der Menschheit selbst. Dieser Ansicht gegenüber gestellt ist die Meinung, die der Konzern UR vertritt, der seine Maschinen bloß als gehorsame Werkzeuge frei nach Asimov betrachtet, die niemals mit dem Menschen auf der gleichen Stufe stehen können. Ein eigener Wille? Ein eigenes, vom Befolgen zugeteilter Aufgabenbereiche losgelöstes Bewusstsein? Unvorstellbar.

Er kann sprechen, lachen und weinen wie wir. Er kann die Welt der Kunst und des Glaubens infiltrieren, und ihr seht in ihm einen Buddha! Dieses Ding ist wie ein Messer am Hals der Menschheit!

Kims Film betritt damit selbstverständlich keine gänzlich neuen Pfade, sondern packt in seine kompakte Laufzeit viele Jahrzehnte Science-Fiction-Geschichte und ihre Diskussionsbeiträge zur Robotik, rückt den Sachverhalt dennoch in ein neues, zum Nachdenken anregendes Licht. Wie soll eine Maschine eine spirituelle Stufe erreichen, für die der Mensch jahrelange Askese benötigt? Der Techniker ist überfordert, doch In-myeong gibt selbst die Antwort, dass gerade das Fehlen von Lastern, Begierden und Zwängen ihn dazu prädestiniert, den Weg eines Buddha zu beschreiten. Als ein solcher "Readymade Buddha" - so der Titel der Kurzgeschichte, die als Vorlage diente - könnte er gerade deshalb als Vorbild und als Inspiration für die Menschheit dienen, die diesen reinen Zustand zu verdrängt haben scheint.

In-myeong: Buddha ex Machina?

Warum sollt Ihr nicht glauben, dass ein Roboter Erleuchtung finden kann? Ihr Menschen... Jeder Einzelne von Euch wurde als erleuchtetes Wesen geboren. Ihr habt es nur vergessen. Die Welt, wie sie dieser Roboter sieht, ist aus sich heraus schön. Die Frage meiner Erleuchtung beeinträchtigt ihre Vollkommenheit in keiner Weise. Ihr seid die Herren dieser Welt, und jeder von Euch kann Erleuchtung erlangen.

Die Frage nach dem Menschsein in der Maschine verknüpft Kim untrennbar mit der Möglichkeit eines Glaubens und des spirituellen Erwachens. Umfassende Antworten kann der rund 40-minütige Film trotz seiner Dialogfreudigkeit nicht liefern, wohl aber zu Gedanken und Perspektiven anregen, die an anderer Stelle in Film und Literatur zu Robotik weniger Relevanz besitzen, weil der inhaltliche Fokus ein anderer ist. Die von UR ausgerufene Bedrohung durch das technische Gerät, das sich als Schöpfung seinem Schöpfer widersetzt, ist in Heavenly Creature einerseits weniger physisch konkret, sondern existenzialistisch, und andererseits ohnehin zweifelhaft und möglicherweise nichts weiter als ein Ausdruck von konservativer Angst vor einer posthumanistischen Zukunft.

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