Hellraiser - Die qualvolle Pforte zwischen Lust und Schmerz

08.05.2018 - 09:00 UhrVor 5 Jahren aktualisiert
Hellraiser - Das Tor zur Hölle
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Hellraiser - Das Tor zur Hölle
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Durch die Verfilmung seiner eigenen Novelle schuf Clive Barker mit Hellraiser einen Klassiker, in dem unstillbare Lust und unerträglicher Schmerz auf fatale Weise höllische Dämonen gebären.

Da seine vorherigen Gehversuche als Drehbuchautor für Filme wie Underworld und Rawhead Rex kommerzielle Fehlschläge waren, nahm der britische Schriftsteller, Grafiker, Maler und Theater-Regisseur sowie -Schauspieler Clive Barker persönlich auf dem Regiestuhl Platz und inszenierte die Adaption seiner eigenen Novelle The Hellbound Heart gleich selbst. Dabei war Barker als Autor längst kein unbeschriebenes Blatt mehr. So wird in Bezug auf dessen Talent gerne Stephen King zitiert, der über ihn einmal sagte: “I have seen the future of the horror genre, and it is named Clive Barker."

Mit Hellraiser - Das Tor zur Hölle, der während der Produktionsphase so abenteuerliche Arbeitstitel wie Sadomasochists from beyond the Grave (ein Wunsch des Regisseurs) und What a Woman Will Do for a Good Fuck (der Vorschlag einer 60-jährigen Mitarbeiterin) trug, schien Barker als Filmemacher durch das Kino ein ideales neues Medium gefunden zu haben, in dem er seine Mischung aus psychosexuellen Spannungen, sadomasochistischer Symbolik, bizarren Höllenvisionen und perversen Abgründen innerhalb der menschlichen Seele vor allem visuell ausufernd verwirklichen konnte. Erschaffen hat der Regisseur hierbei einen Klassiker, dem ich hier mein Herz schenken möchte.

Abgründige Neugier und alptraumhafte Konsequenzen

Mit dem Satz "What's your pleasure, Mr. Cotton?" wird der Betrachter in die Geschichte von Clive Barkers Hellraiser - Das Tor zur Hölle geleitet. Die Anfangsszene zeigt den attraktiven Frank Cotton, der in einem Café irgendwo im Orient vor einem Mann sitzt, welcher ihm einen auffälligen, mit schicken Ornamenten verzierten Würfel anbietet. Dass Frank von seinem Gegenüber danach gefragt wird, was denn sein Vergnügen oder seine Lust sei, ist bereits das erste Anzeichen für eines der zentralen Motive, das Barker in seinem Film mit abgründiger Neugier und alptraumhaften Konsequenzen ergründet.

Nachdem Frank den sonderbaren Würfel erworben hat, sitzt er in einem dunklen Raum, der nur von Kerzenlichtern erhellt wird. Er entdeckt einen Mechanismus, mit dem sich der Würfel öffnen, drehen und wieder schließen lässt - und öffnet hierdurch unwissentlich ein Portal, in das er durch zuckende Blitze hineingezogen und eingeschlossen wird. In dieser andersartigen Dimension warten die sogenannten Zenobiten auf Frank, dämonische Wesen, die mit unvorstellbaren Erfahrungen jenseits des Bekannten experimentieren.
Hellraiser - Das Tor zur Hölle

Was Frank an diesem Ort, der einer Art Hölle gleichkommt, erwartet, bekommt der Zuschauer jedoch nicht im Detail zu sehen. Clive Barker enthüllt stattdessen direkt die abstoßenden Konsequenzen des transgressiven Lustspiels der Zenobiten, dem Frank offensichtlich nicht gewachsen war. An Haken hängende sowie quer über den Boden verteilte Fleischfetzen und andere menschliche Überreste offenbaren die körperliche Zersetzung der Figur, die der Regisseur mit blutiger Explizität abbildet.

Unterdrückte Lust und fataler Schmerz

In jenes Haus, in dem Frank zuvor in das Reich der Zenobiten verbannt wurde, wollen einige Zeit später Franks Bruder Larry und seine Frau Julia einziehen. Dabei scheint die Ehe zwischen dem Paar nur vordergründig intakt zu sein. Vielmehr stellt sich heraus, dass Julia mit Frank in der Vergangenheit eine Affäre hatte. Auf dem Dachboden des Hauses, der zugleich als verborgener Bereich ihres unterdrückten Verlangens gedeutet werden kann, sieht sich Julia in einer Szene des Films ältere Fotos von Frank an, der darauf mit verschiedenen Frauen in aufreizenden Posen zu sehen ist.

Durch Rückblenden schildert Barker das sexuelle Verhältnis zwischen Frank und Julia mit einer fantastischen Parallelmontage, in der nebenbei zu sehen ist, wie sich Larry beim versuchten Transport eines Möbelstücks seines Hand an einem Nagel aufschlitzt, der aus der Wand ragt. Indem der Regisseur den lustvollen Höhepunkt zwischen Frank und Julia mit dem schmerzhaften Höhepunkt von Larrys Unfall verschmelzen lässt, bringt Barker die Symbiose der Kernmotive von Hellraiser - Das Tor zur Hölle, das Verhältnis zwischen Lust und Schmerz, kunstvoll auf den Punkt.

Hellraiser - Das Tor zur Hölle

Als Larry mit der Verletzung zu seiner Frau eilt, bieten die Bluttropfen, die er auf dem Dachboden verliert, einen Nährboden für Frank. Wie sich herausstellt, konnte dieser den Zenobiten entkommen und benötigt nun fortlaufend mehr Blut, um wieder eine menschliche Gestalt annehmen zu können. Zuerst reagiert sie schockiert, als Julia die grauenerregende fleischliche Erscheinung erblickt, die sich als Frank zu erkennen gibt. Als Sinnbild der verdrängten Lust, die sich auf monströse Weise wieder einen Weg zurück in ihr Leben bahnt, verfällt sie ihrem ehemaligen Liebhaber allerdings sofort erneut und wird für ihn sogar zur Mörderin. Wie eine schwarze Witwe verführt sie in sich wiederholenden Szenenfolgen ahnungslose Männer, um sie auf dem Dachboden meist mit einem Hammer für Frank zu erschlagen, der sich anschließend an den toten Körpern labt.

Der Blick unter die Oberfläche und andere ikonische Elemente

Auch wenn Barkers Film im Detail einige Holprigkeiten aufweist, was die Leistung einzelner Schauspieler betrifft, oder Handlungselemente wie der heruntergekommene Landstreicher die meiste Zeit über eher irritieren, besitzt Hellraiser - Das Tor zur Hölle auch heute noch eine unwiderstehliche Sogkraft. Durch die faszinierenden Motive dringt der Regisseur mit seinem Horrorfilm im Kino der 1980er Jahre, das auch als Kino der Oberflächen bezeichnet wird, bewusst schmerzhaft unter die Haut und lotet das Innere des menschlichen Körpers ebenso aus wie dessen innere Triebe.

Hellraiser - Das Tor zur Hölle

Daneben enthält der Film aber auch einige denkwürdige Bilder sowie Zitate, die ihn womöglich auf ewig die Zeit überdauern lassen. Sätze wie das regelmäßig von Frank ausgesprochene "Come to daddy" oder das von Schauspieler Andrew Robinson beim Dreh improvisierte "Jesus wept!" strahlen eine mindestens genauso beklemmende Wirkung aus wie das handgemachte Design der Zenobiten. Ähnlich wie die derben Splattereffekte, die Hellraiser - Das Tor zur Hölle in Deutschland eine jahrzehntelang andauernde Zensurgeschichte  einbrachten, sind die Auftritte der Kreaturen recht sparsam über den gesamten Film verteilt. Nichtsdestotrotz wurde aus dem von Doug Bradley gespielten Pinhead eine Horror-Ikone in der Tradition von Jason Voorhees, Freddy Krueger oder Michael Myers, die in jeder der anschließend folgenden, bislang 8 Fortsetzungen einen Auftritt erhielt. Fortsetzungen von wechselhafter, mitunter fragwürdiger Qualität, die selbst Clive Barker durchaus in Rage versetzen.

Hellraiser - Das Tor zur Hölle

Zarte Unschuld gegen verdorbene Triebe

Eine Schlüsselposition in Hellraiser - Das Tor zur Hölle nimmt zuletzt Larrys Tochter sowie Franks Nichte Kirsty ein. In einer Geschichte, die von ungezügeltem Verlangen, instinktiven Trieben und mörderischen Zuspitzungen handelt, ist Kirsty gewissermaßen ein Symbol der Unschuld und Reinheit. In einer Szene des Films befindet sie sich mit ihrem Freund Steve auf dem Nachhauseweg, wo beide in einen U-Bahn-Tunnel kommen. Erst hier, in der anonymen Abgeschiedenheit von der breiten Öffentlichkeit, tauscht sie mit ihm einen leidenschaftlichen Kuss aus. Im weiteren Verlauf der Handlung ist es Kristy, die mit dem mysteriösen Würfel in Kontakt kommt, dadurch im Krankenhaus landet, von den Zenobiten als neues Opfer auserkoren wird und schließlich von allen Figuren des Films in tiefer Trauer den größten Verlust verkraften muss.

Und doch ist es am Ende auch Kristy, die nach einem surreal entfesselten Finale, in dem Körper ausgesaugt sowie zerrissen werden und das Haus zum Schlachtfeld zwischen Menschen und Zenobiten mutiert, mit gefestigter Entschlossenheit einem entfachten Feuer entgegenblickt. Ein Feuer, das alten Schrecken verschlingt, neue Dämonen gebärt und den qualvollen Kreislauf aus Lust und Schmerz erneut von vorne entfachen wird.

Ist Hellraiser - Das Tor zur Hölle für euch auch ein Klassiker?

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