Hommage an Berlinale-Jurypräsident Wong Kar-wai

06.02.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Wong Kar-wai
Karen Seto
Wong Kar-wai
7
20
Morgen wird die Berlinale mit dem neusten Film des Jury-Präsidenten Wong Kar-wai eröffnet: The Grandmasters. Wir werfen einen Blick auf das Schaffen des Chinesen, der zu den eindrucksvollsten Filmemachern unserer Zeit zählt.

Morgen geht es endlich los, die 63. Internationalen Filmfestspiele kommen ins Rollen. Eröffnet werden sie von The Grandmaster, was natürlich keiner willkürlichen Entscheidung zugrunde liegt. Der Martial Arts-Streifen ist der neuste Streich von Kar Wai Wong, der als Jurypräsident der diesjährigen Berlinale maßgeblichen Einfluss darauf haben wird, welche der Wettbewerbsfilme letzten Endes als Sieger vom Platz gehen. Die Filmographie des Chinesen ist dabei so interessant, dass es sich lohnt, einen detaillierteren Blick auf sie zu werfen, schließlich handelt es sich um einen der beeindruckendsten Künstler, die das Kino aktuell hat.

Wong Kar-wais Kino ist in erster Linie ein Kino der Emotionen. Vor allem seine älteren Werke befinden sich fernab unserer westlichen Sehgewohnheiten, gehören aber dennoch, oder gerade deshalb, zu den zauberhaftesten Filmen, die sich weit und breit finden lassen. Wenn ihr euch also mit den Streifen des Chinesen näher beschäftigen wollt, solltet ihr euch klar machen, was euch da eigentlich erwartet. Wong Kar-wai behandelt am liebsten Themen von Liebe und Sehnsucht und dem damit einhergehenden Leid. Damit betritt er sicherlich kein Neuland, viel mehr ist es die Art und Weise, wie er diese Gefühle zu übermitteln versucht. Er verzichtet dabei weitestgehend auf einen klassischen Plot und lässt seine Figuren für sich sprechen. Da dürfte für die meisten Zuschauer bereits das erste Problem liegen, denn Wong Kar-wai arbeitet häufig ohne ein Drehbuch, lässt seinen Darstellern freie Hand und konzentriert sich darauf, Emotionen einzufangen.

Mehr: Der große Jahresrückblick 2013

Das könnte dazu führen, dass ihr euch beispielsweise Chungking Express anseht und euch plötzlich darüber wundern müsst, dass der vermeintliche Protagonist einfach aus dem Film verschwindet. Sich daran aufzuhalten, wäre jedoch ein fataler Fehler, der Chungking Express nicht gerecht werden würde. Stattdessen ist es erforderlich, sich dem Film gänzlich hinzugeben und sich von der einzigartigen Symbiose aus schönen Bildern und traumhafter Musik mitreißen zu lassen. Dabei sollte keineswegs die Arbeit von Wong Kar-wais Stammkameramann Christopher Doyle unterschlagen werden, der einen maßgeblichen Teil zu der stilistischen Brillanz seiner Film beitrug. Die vollkommen entfesselten Handkamera-Aufnahmen, die gewissermaßen zum Teil wild und willkürlich erscheinen, gleichzeitig aber in jeder Sekunde wunderschöne Bilder mit prächtiger Farbgebung einfangen, sind das Markenzeichen von Filmen wie Chungking Express und dem dazugehörigen Fallen Angels. Wong Kar-wais Gespür für den Einsatz von Musik ist dabei ebenso wichtig wie bemerkenswert: Mir ist kein Film bekannt, in dem der selbe Song so oft verwendet wird, wie California Dreamin’ von The Mamas & The Papas in Chungking Express. Und das Erstaunliche daran ist, dass er jedes Mal genau so funktioniert, wie beim ersten Mal. Wenn Faye Wong sich zum gefühlt zehnten Mal tänzelnd in dem Song verliert, erzählt uns das nichts Neues, doch die Emotionen, die uns damit entgegenschlagen, sind immer von selber Intensität.

Nach der Jahrtausendwende scheint sich der Regisseur gewissermaßen beruhigt zu haben. Die hektischen Steadycam-Aufnahmen haben Platz gemacht für eine deutlich ruhigere Bildkomposition, teilweise sogar mit der Verwendung von Stativen. Doch das mindert die Qualität seiner Filme in keiner Weise, ganz im Gegenteil: Mit In the Mood for Love – Der Klang der Liebe lieferte uns Wong Kar-wai sein bisher vielleicht bestes Werk. In seiner Essenz erzählt es von den selben Gefühlen wie auch seine Vorgänger: Liebe, Sehnsucht, Leid und Begehren werden hier noch greifbarer, noch realer, noch intensiver übermittelt, als jemals zuvor. Die Mittel sind jedoch die selben: bestechende Farbgebung, liebenswerte, wunderbar gespielte Charaktere und eine musikalische Untermalung, die die Atmung ins Stocken bringt.

Mehr: Erster Trailer zu Wong Kar-Wais The Grandmasters

Mit 2046 gab uns Wong Kar-wai schließlich seinen persönlichen Ausblick auf die Zukunft, in der Realität und Fiktion miteinander verschmelzen und den Zuschauer des öfteren etwas verwundert zurücklassen. Wie so viele beliebte asiatische Regisseure, hat es auch Wong Kar-wai irgendwann in die USA verschlagen, um seine Kunst etwas großspuriger zu gestalten und sie vielleicht auch einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Grundsätzlich kein verwerflicher Ansatz, doch wie der Großteil scheiterte auch er mit seinem Hollywood-Debüt My Blueberry Nights auf ganzer Linie. Das hat der Herr Wong offensichtlich auch selber eingesehen und ist für seinen neusten Streich zurück in die Heimat gekehrt. Nun ist nach einer nicht enden wollenden Post-Produktionsphase The Grandmaster bereit für die Sichtung. Selten habe ich mich so sehr auf einen Kinobesuch gefreut, wie auf das Martial Arts-Epos mit Tony Leung Chiu Wai, das morgen die Berlinale eröffnen wird.

Was haltet ihr von Wong Kar-wai? Und was erwartet ihr von ihm als Jury-Präsident der Berlinale?

Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News