Ich, das Network & die unendliche Macht der Illusion

24.02.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Network -  Beale hält eine seiner WutredenWarner Bros.
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Heute verschenke ich mein Herz erneut an eine bissige Medien-Satire. Network aus dem Jahre 1976 erkannte schon damals die Gefahren einer vom Fernsehen bestimmten Welt und prangerte den Verlust der eigenen Meinung scharf an.

Zuletzt lockte Nightcrawler - Jede Nacht hat ihren Preis mit dem famosen Jake Gyllenhaal kritische Zuschauer hinter dem Ofen hervor und rechnete gnadenlos mit der heutigen Sensationsgier ab. Bei all den, durchaus berechtigten, Lobeshymnen auf Dan Gilroys stylisches Erstlingswerk wird jedoch häufig vergessen, dass vor gut 30 Jahren bereits ein viel zu unbekannter Klassiker in die selbe Kerbe schlug. Faszinierend und erschreckend zugleich ist dabei die Tatsache, dass die gezeigten Thematiken im hier angesprochenen Film Network heute noch so aktuell sind wie damals und den Zuschauer noch immer erschaudern lassen.

In Network geht es um Nachrichten-Veteranen Howard Beale (Peter Finch), der sich seit Jahrzehnten vor der Kamera wohlfühlt und Tag für Tag die neusten Neuigkeiten aus aller Welt herunterbetet. Doof nur, dass dies da draußen keiner mehr sehen will. Während Beale vor immer gleicher Kulisse im Studio Platz nahm, hat sich die Welt weiter gedreht. Amerika befindet sich in den schmerzhaften Nachwehen des Vietnamkriegs und die hiesige Wirtschaft leidet unter einer nicht enden wollenden Rezession, die zunehmend mehr Arbeitsplätze vernichtet. Das Geld ist dabei nicht nur in der Familienkasse knapp, sondern auch in den Tresoren der TV-Stationen findet sich meist nicht viel Bares. Das New Yorker Union Broadcasting System hat es dabei besonders schwer erwischt und soll deshalb von Grund auf umstrukturiert werden. Davon bleibt auch die Nachrichten-Abteilung nicht verschont, die ohnehin noch nie profitabel war und deshalb den Managern an der Spitze ein Dorn im Auge ist. Das bittere Aus für Howard Beales kleine Sendung. Am Boden zerstört, kündigt der aufgeregte Sprecher vor laufender Kamera seinen Selbstmord in seiner nächsten und letzten Sendung an, in der er sich eine Kugel durch den Kopf jagen will. Die Aufmerksamkeit der grauen Masse ist geweckt und die zuvor mickrige Quote schnellt rasch in die Höhe. Anstatt sich jedoch selbst zu töten, nutzt Beale das Interesse des Publikums, um all den angestauten Frust abzulassen und schimpft mit heftigen Worten auf seinen Arbeitgeber und den vergorenen Zustand der Welt im Allgemeinen. Der beinahe in Vergessenheit geratene Nachrichtensprecher ist plötzlich in aller Munde und stellt die Welt der Medien gehörig auf den Kopf. Zwar hat der immer wütende Mann durch seinen Ausraster ein neues Show-Konzept aus dem Boden gestampft und landet vorerst nicht auf der Straße, doch noch ahnt er nicht, welche Schreckens-Spirale er damit in Wirklichkeit losgetreten hat.

Warum ich Network mein Herz schenke
Ich steh einfach auf gut gemachte Medien-Satire, die nicht plump anprangert, sondern tatsächlich den Zuschauer zur Aufmerksamkeit ermahnen möchte. Zuletzt beeindruckte mich die Serie Black Mirror mit seiner Schelte gegen die technologische Revolution, welche den Gedanken von Network im Grunde lediglich weiterspinnt. Denn schon 1976 kritisierte der Film vor allem das Fernsehen auf vielschichtige Weise. Dabei wird nicht nur die destruktive Ader für das soziale Zusammenleben hinterfragt, sondern auch die Sender, die statt Nachrichten zunehmend Meinungen verbreiten. Der Film findet dabei seinen Höhepunkt in der neuen Show von Howard Beale, die zwar weiterhin als Nachrichten-Sendung bezeichnet wird, aber im Grunde nur noch aus simpler Meinungsmache besteht. Angeführt von einem wahnsinnig gewordenen Showmaster, lässt sich das Publikum kneten und formen, als wäre es weiches Wachs in seinen Händen. Hinterfragt wird nicht mehr, stattdessen wird stumpf auf Befehle und Anweisungen reagiert, die schallend aus den Boxen der Flimmerkiste drängen.

Warum auch andere Network lieben werden
Dabei beschränkt sich der Film nicht nur steif auf reine Medien-Satire, sondern beschreibt auch die verheerenden Auswirkungen des stetig wachsenden Konsums von Unterhaltung auf das Privatleben der Akteure. Während Beale selbst in seinen Hass-Tiraden langsam wahnsinnig wird, verlernt die junge Generation anscheinend, echte Gefühle zu erleben. Alles gleicht einem schmierigen Film, der am Sonntagabend im Fernsehen läuft. Beziehungen sind nur fade Abziehbilder bekannter Drehbücher, die ebenfalls in die immer gleiche Akt-Struktur unterteilt sind - Liebe, Streit und ein rosiges Happy End zum Schluss. Als rundes Gesamtpaket wirft Network einen umfassenden Blick auf die gesellschaftliche Entwicklung und regt das Publikum zum kritischen Nachdenken an.

Warum Network die Jahrzehnte überdauern wird
Den Test der Zeit hat der Streifen schon jetzt mit Bravour bestanden. Dabei bleibt nicht nur die Thematik - gerade in unserem von den Medien geprägten Zeitalter - aktuell, sondern auch die Inszenierung packt den Zuschauer noch heute. Gerade nach der ersten Hälfte ist der Abwärtsstrudel, in dem sich die Figuren allesamt befinden, beinahe greifbar, was für eine unfassbare Spannung sorgt. Diese innere Unruhe bricht auch nach dem Ende des Dramas nicht ab. Zu sehr erinnert Network an die heutige Realität und lässt einen mit gewisser Sorge in die Zukunft blicken. Satire, wie sie sein sollte.

You're beginning to believe the illusions we're spinning here. You're beginning to think that the tube is reality, and that your own lifes are unreal. You do whatever the tube tells you! You dress like the tube, you eat like the tube, you raise your children like the tube, you even *think* like the tube! This is mass madness, you maniacs!

Kennt ihr Network? Was haltet ihr von der Satire?

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