Ich, Die zwölf Geschworenen & die Schuldfrage

29.07.2014 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Henry Fonda in Die Zwölf Geschworenen
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Henry Fonda in Die Zwölf Geschworenen
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Mit Die Zwölf Geschworenen lieferte Sidney Lumet ein großartiges Regiedebüt ab, in dem er nicht nur die Unschuldsvermutung hochhält, sondern auch zusammen mit Henry Fonda zeigt, wie richtig gutes Kammerspiel funktioniert.

Als ich das erste Mal Die zwölf Geschworenen von Sidney Lumet gesehen habe, hatte ich keinerlei Hintergrundwissen zu dem Film. Ich saß einfach da und war über die Maßen beeindruckt. Die zweite Sichtung verlief anders, technischer. Inzwischen hatte ich so viele Hintergrundinfos wie nur irgend möglich zu dem Film gesammelt, hatte ein Buch des Regisseurs gelesen und wusste, welche Mittel er wie angewandt hatte. Ich bezweifle, dass ich zu einem anderen Film so viel weiß, wie zu Die Zwölf Geschworenen. Was lag also näher, als diesem Meisterwerk des Kammerspiels mein Herz für Klassiker zu schenken? Ich hatte Glück, bisher hatte es noch niemand behandelt.

Ein weiteres Mal (ich weiß nicht, wie oft ich den Film inzwischen gesehen habe) setzte ich mich zu diesem Anlass vor den Bildschirm und verfolgte, wie sich die zwölf Geschworenen in einen Raum setzten, wie sie sicher sind, dass die Schuldfrage schnell geklärt ist. Dann der erste Einspruch von dem Geschworenen Nr. 8 (Henry Fonda). Nein, er sage nicht, dass der Angeklagte unschuldig sei, aber er wisse nun mal auch nicht, ob er wirklich schuldig sei und mit diesem Zweifel wäre es ihm unmöglich, den Angeklagten zu Tode zu verurteilen. Es folgen lange Diskussionen, in denen jedes einzelne Detail des Falls auseinander genommen, wiederholt und in Frage gestellt wird, und immer mehr ändert sich die Stimmung in dem kleinen, überhitzten Raum.

Warum ich Die Zwölf Geschworenen mein Herz schenke
Der Film beginnt mit einer 3 Minuten langen Plansequenz, in der nicht nur der Raum vorbereitet wird, sondern jeder einzelne Geschworene vorgestellt wird, im Off ist dabei die Aufforderung des Gerichts, sich nun zurückzuziehen, zu vernehmen. Das alles bietet die ideale Einleitung für diesen Film. Alle stehen in der Gegend herum, reden über die drückende Hitze über die langweiligen Verhandlungen und sind sich darin einig, die Entscheidung so schnell wie möglich hinter sich zu bringen. Doch sie müssen einstimmig abstimmen, und das verhindert Henry Fondas Charakter mit seiner Unsicherheit. Obwohl von nun an in dem Film die ganze Zeit diskutiert wird, glaube ich nicht, dass Überredungskunst oder Manipulation das eigentliche Thema des Films ist. Hier geht es darum, einander zuzuhören. Es geht darum, auch einer einzelnen Person, die gegen die Masse steht, mit Respekt zu begegnen, denn vielleicht hat diese Person ja Recht.

Aus den leisen Zweifeln des Geschworenen Nr. 8 werden schließlich immer mehr, und jedes kleinste Detail des Falles wird in seine Einzelheiten zerlegt. Ganz am Ende verlässt die Kamera zum ersten Mal den, durch sehr wirksame Kameraarbeit, die vor allem durch immer länger werdende Brennweiten bestimmt ist, immer enger werdenden Raum. Ein Befreiungsschlag, der mich immer mit der Frage zurücklässt, wie tief unsere Rechte und die unserer Mitmenschen tatsächlich im Bewusstsein verankert sind, dass diese Diskussion so lange währen muss.

Warum auch andere Die Zwölf Geschworenen lieben werden
Wer aus Prinzip keine Kammerspiele mag, wird sich vermutlich auch von diesem Film nicht vom Gegenteil überzeugen lassen, hätte damit aber jede Menge verpasst. Wer dem auch nur ein bisschen offener gegenüber steht, sollte es aber auf jeden Fall versuchen. Trotz der sich ständig wiederholenden Themen, schaffen es die perfekt geschriebenen und gespielten Dialoge niemals, auch nur einen Anflug von Langeweile aufkommen zu lassen. In dem winzigen Raum kommt durch das Spiel der Darsteller eine solche Energie auf, dass der Zuschauer sogar die drückende Hitze im Raum zu spüren glaubt. Zusätzlich setzt der Film auch noch eine Mahnung, uns nicht von Vorurteilen trügen zu lassen, sondern die Hintergründe zu untersuchen.

Die Schauspieler brillieren durch die Bank und liefern sich beeindruckende Diskussionen, Wortgefechte und laute Streitereien. Aufgelockert wird die starke Spannung immer wieder durch einzelne humorvolle Sequenzen und das Nachspielen der Tat. Ob der Angeklagte tatsächlich schuldig war? Wir werden es wohl nie herausfinden, aber möglicherweise war er nicht schuldig und das allein rechtfertigt es, ihn nicht zum Tode zu verurteilen.

Warum Die Zwölf Geschworenen die Jahrzehnte überdauern wird
1957 herausgekommen, hat der Film bereits mehrere Jahrzehnte überdauert, und ich bin der Überzeugung, dass das auch so bleibt. Die zwei Hauptthemen des Films, Zuhören und Rechtsbewusstsein, werden auch in etlichen Jahrzehnten (hoffentlich!) noch aktuell sein, denn das Leben eines Menschen sollte niemals von dem Befinden anderer abhängig gemacht werden. Minimalistisch und trotzdem spannend gefilmt, ist die Botschaft zusätzlich in ein äußerst ansprechendes Paket verpackt.

Wer generell keine Schwarz-Weiß-Filme, Kammerspiele oder Klassiker mag, sollte die Finger von diesem Film lassen. Allen anderen sei er hiermit wärmstens empfohlen. Well, so long!

Geht es eurer Meinung nach in Die Zwölf Geschworenen eher um Manipulation oder eher um das Zuhören?

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