Identität und freier Wille in Avatar

25.06.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
You should see your faces!
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Nicht nur Schlümpfe! Von einem Essay für die Uni direkt in die Speakers’ Corner: Heute befasst sich moviepilot-Mitglied martin89 mit Identität und Fortschrittskritik in einem der erfolgreichsten Filme aller Zeiten – James Camerons Avatar.

Dieser Text ist eine Art Teilanalyse des Films Avatar – Aufbruch nach Pandora. Achtung: Er enthält zahlreiche massive Spoiler und setzt auch sonst die Sichtung des Films voraus.

Der Vorwurf „Pocahontas/Schlümpfe im Weltraum” ist bekannt und auch nicht ganz unberechtigt. Bei der Flut an Neuverfilmungen und Adaptionen heutzutage aber kein Grund Avatar nicht ernst zu nehmen. Ganz davon abgesehen, dass der Film trotz allem genügend Eigenständiges besitzt.

Auch, dass der Film Kritik an Kolonialismus, Ressourcenerschöpfung und teilweise am technischen Fortschritt übt, ist für manche nichts Neues. Dennoch möchte ich diese Dinge hier kurz aufwärmen, da sie in Zusammenhang mit einem Aspekt stehen, der vielleicht nicht so offenkundig ist, mich aber deutlich mehr beschäftigt: Die Macht des freien Willens und der Wille zur Identitätsfindung des Hauptcharakters.

Zunächst ein bisschen trockene Theorie: Was ist eine Identität? Wie wissen wir, wer wir sind, womit wir uns identifizieren? Ab wann sind wir eine Person? Fragen, die sich Jake Sully (Sam Worthington) stellt sind: „Wer bin ich?” und „Wozu gehöre ich?”

Für den deutschen Soziologen Theodor Geiger hängen diese Fragen zusammen. Er sagt, dass sich in der Psyche des Menschen zwei Formen des Seins befinden: mehrere Wir-Schichten und eine einzige Ich-Schicht. Letztere ist nur für uns selbst. Wir teilen sie mit niemandem. Sobald wir mit anderen Menschen in Interaktion treten entsteht eine Wir-Schicht. Wir haben z. B. eine Wir-Schicht für unseren Kegelclub, eine für die moviepilot-Community usw. Für jede einer solchen „Gruppe” existiert eine Wir-Schicht in einer Psyche. Eine Gruppe ist eine Gruppe sobald ein „Wir”-Gefühl in ihr herrscht, sie in der Wir-Form von sich spricht. Man selbst ist Teil einer Gruppe, wenn man mit diesem „Wir” mitgemeint ist. Dies ist gleichzeitig die Antwort Hans Bernhard Schmids (Professor für Philosophie an der Universität Wien) auf die Fragen: „Ab wann habe ich eine Identität? Ab wann werde ich als Person anerkannt?”

Bei der Zähmung des flugsaurierähnlichen Ikrans denkt man an die Lehre der Anerkennung des deutschen Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel: Ich kann nur sein, wenn andere mich anerkannt haben. Ein anderes Selbstbewusstsein als mein eigenes muss mich anerkennen. Ich bin mir über meine Identität erst im Klaren, wenn andere Identitäten mich als Identität ansehen. In der Ikranzähmung steht der Kampf um Leben und Tod, die Feindschaft, am Anfang. Erst daraus folgt wechselseitige Anerkennung und schließlich Domestikation. Es ist für die Omaticaya ein wichtiges spirituelles Ereignis, das nötig ist, um seine Identität als Krieger zu vervollständigen.

Wenn man sich das Konzept Identität im Medium Avatar anschaut kann man auf zwei Ebenen Beobachtungen machen. Auf der ersten Ebene besteht eine Identifikation des Rezipienten des Films mit dem Protagonisten im Film. Auf der Zweiten eine Identifikation des Protagonisten mit den verschiedenen anderen handelnden Personen und Gruppen im Film, die Einfluss auf ihn nehmen.

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