Jim Carrey - Ein Plädoyer für kreative Rollenbesetzung

18.11.2014 - 09:12 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Jim Carrey in Die Truman Show
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Jim Carrey in Die Truman Show
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Dumm und Dümmehr läuft seit kurzem auch in unseren Kinos und bespaßt besonders Freunde des eher wenig subtilen Humors. Aber wieso wird Jim Carrey eigentlich nicht häufiger in ernsthaften Rollen eingesetzt? Ein Plädoyer für kreative Rollenbesetzung.

20 Jahre ist es nun her, dass sich die beiden gutherzigen Volldeppen Lloyd Christmas (Jim Carrey) und Harry Dunne (Jeff Daniels) zusammen in Dumm und Dümmer auf eine abgedrehte Reise voller Grimassenkomik und infantiler Gags begaben. Seit vergangener Woche ist nun auch Dumm und Dümmehr in den deutschen Kinos angelaufen, der zweite Teil der Blödel-Komödie, in der Harry herausfindet, dass er eine Tochter hat und sich zusammen mit Lloyd auf die Suche nach eben jener begibt. Für Jim Carrey ist der Film nur eine weitere in einer langen Liste klamaukiger Komödien, welche die Filmographie des Komikers durchziehen und ihn im Prinzip zu dem gemacht haben, was er heute ist. In dieser Hinsicht gehört der Grimassenkasper sicherlich auch zu den besten seines Fachs, egal, ob man Albernheiten wie Die Maske, Ace Ventura oder eben Dumm und Dümmer nun mag oder nicht.

Mich begeistern aber vor allem Jim Carreys ernstere Rollen, jene Rollen, die alle Jubeljahre einmal grandiose Schauspielqualitäten zum Vorschein bringen. Dabei möchte ich mich nicht über die teilweise schwer albernen Komödien des Schauspielers beschweren, da diese sicherlich ihre Daseinsberechtigung haben und die ernsten Darbietungen des Komikers, wenn sie dann mal vorkommen, umso mehr hervorheben. Ebenfalls möchte ich auf keinen Fall die schauspielerische Leistung im Komödienfach schmälern - eine gute Comedy-Darbietung ist selbstverständlich ebenso ehrenwert und nicht weniger anspruchsvoll als ernstes Schauspiel. Ich möchte dies allerdings zum Anlass nehmen, einmal die Casting-Politik der Filmemacher gerade in Hinsicht von Komikern im Filmgeschäft in Frage zu stellen. Denn wäre es nicht irgendwie schön, wenn sich die Studios und Regisseure dieser Welt des Öfteren auch mal für die etwas außergewöhnlichere Besetzung entscheiden würden, als immer auf Nummer sicher zu gehen und die immer gleichen Gesichter für ihre Rollen zu besetzen?

Jim Carrey hat in Filmen wie Die Truman Show und Vergiss mein nicht! eindrucksvoll zur Schau gestellt, dass er ein wundervoller Schauspieler sein kann, wenn man ihn nur lässt. Insbesondere Die Truman Show ist für mich die perfekte Symbiose aus Komik und tieftrauriger Dramatik, in der Carrey trotzdem in gewissem Maße herumblödeln, mit zunehmender Filmdauer aber gerade abseits seiner berühmten Comedy-Qualitäten immer mehr glänzen darf und dabei mit seiner darstellerischen Leistung teilweise wirklich emotional zu bewegen weiß. Ein perfektes Beispiel für einen echten Casting-Coup, für ein Projekt, in dem die Filmemacher mit der Besetzung der Hauptfigur etwas gewagt haben und am Ende zu 100 Prozent dafür belohnt wurden.

Es finden sich aber noch weitere Beispiele für unkonventionelle, frische Casting-Entscheidungen. Der britische Komiker Steve Coogan ist auch so ein Schauspieler: Er begann seine Karriere als Stand-Up-Komiker und arbeitete für die BBC, verkörperte Figuren wie Alan Partridge und belustigte über 20 Jahre lang die Zuschauer. Und dann lieferte er aus heiterem Himmel im Jahr 2013 mit Philomena eine wunderbare Darstellung eines zynischen Journalisten ab und damit den idealen Gegenpart zu der von Judi Dench verkörperten Frau auf der tragischen Suche nach ihrem Kind. Möglicherweise nicht das beste Beispiel für eine mutige Castingentscheidung eines Studios, da Coogan selbst stark in die Entwicklung des Films involviert war - so war er ebenfalls für das Drehbuch verantwortlich und als Co-Produzent mit an Bord. Es zeigt aber dennoch tadellos, dass in einem Komiker auch weitere Talente schlummern können und dass es schlicht und einfach erfrischend sein kann, wenn Schauspieler aus ihren typischen Rollen ausbrechen, gegen ihr Image spielen und völlig neue Seiten an sich offenbaren.

Ebenso bei Schauspieler Steve Carell, seines Zeichens einer der beliebtesten und talentiertesten Comedy-Schauspieler der USA und insbesondere bekannt durch Filme wie Anchorman - Die Legende von Ron Burgundy oder das US-Serien-Remake Das Büro. So zeigte Carell neben brillanten Comedy-Leistungen ebenfalls bereits ernstere Seiten, insbesondere hervorzuheben seine Darstellung als suizidgefährdeter, schwuler Onkel im Indie-Roadmovie Little Miss Sunshine, wo er mit seiner tragikomischen, aber subtilen Darstellung den anderen, ebenfalls guten Darstellern teilweise die Show stahl. Und so können wir auch auf den im Januar 2015 startenden Foxcatcher gespannt sein, in dem Carell den exzentrischen und übermäßig erfolgsorientierten Trainer eines Wrestling-Teams spielt - eine dieser Rollen, die schon weit vor dem Filmstart als Oscarköder gehandelt werden.

Ich verlange nicht, dass man aus reiner aufgesetzter Kühnheit immer nur die unpassendsten Schauspieler besetzt, einfach nur, um ein gewisses Hipster-Image zu pflegen. Nein: Wenn Robert De Niro oder wer auch immer der perfekte Schauspieler für diese und jene Rolle ist, dann zögert nicht und holt ihn euch! Und natürlich ist mir auch bewusst, dass es naiv wäre, zu denken, dass man bei der Wahl seiner Schauspieler nur vom kreativen Standpunkt ausgeht: Natürlich versuchen die Filmemacher zunächst erstmal sich die Gesichter für ihr Projekt an Bord zu holen, die am Ende die größten Zuschauerzahlen in die Kinos locken. Das ist mir schon klar. Doch ich appelliere trotzdem: Bitte werft auch hin und wieder einmal einen Blick über den Rand der Kavierplatte am Schauspiel-Buffet und besetzt auch Darsteller, die die meisten Menschen möglicherweise eben gerade nicht auf dem Schirm haben. Und wenn das bedeutet, dass vermeintlich eindimensionale Komiker am Ende eine echte Spitzendarbietung aus sich herausholen, wo sie vorher möglicherweise nie vermutet worden wäre, oder ein toller Komödien-Darsteller die Chance bekommt, wichtige Qualitäten wie Timing und Rhythmus ins Drama-Fach zu transferieren, dann gewinnen wir am Ende alle mehr Diversität in unserem Lieblingsmedium. Der Appell geht aber auch an die Schauspieler selbst: Sicher, wo kein Veranlagung oder keine Lust ist, solltet ihr nichts erzwingen. Doch wenn ihr nicht für den Rest eures Lebens auf einen Rollentypus festgelegt werden wollt, dann wagt auch mal etwas, erforscht auch einmal Bereiche eurer Kunst, die euch auf den ersten Blick vermeintlich nicht liegen. Ansonsten steht ihr am Ende da wie Jim Carrey, der trotz vereinzelter, hervorragender Drama-Spitzen doch am Ende des Tages irgendwie immer noch als Clown vom Dienst bekannt ist.

Würdet auch ihr begabte Schauspieler wie Jim Carrey gerne häufiger in abwechslungsreicheren Rollen zu sehen bekommen?

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