Jugend ohne Gott - Fahri Yardim philosophiert über die Gesellschaft

29.08.2017 - 09:00 UhrVor 6 Jahren aktualisiert
Fahri Yardim spielt den Lehrer in Jugend ohne Gott
Constantin Film
Fahri Yardim spielt den Lehrer in Jugend ohne Gott
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Fahri Yardim spielt den Lehrer in Jugend ohne Gott, der am Donnerstag in den Kinos startet, und hat uns einige Fragen zum Film beantwortet.

Mit Jugend ohne Gott verfilmte Regisseur Alain Gsponer dieses Jahr Ödön von Horváths Roman aus dem Jahr 1937 und versetzte die Handlung in eine nahe Zukunft, in der die Menschen in ständigem Wettbewerb zueinander leben. Moral und Individualität rücken auch bei den Jugendlichen in den Hintergrund, die an einem Assessment-Camp teilnehmen müssen, um einen der raren Universitätsplätze zu ergattern.

Fahri Yardim, der dieses Jahr schon Rocket Raccoon in Guardians of the Galaxy Vol. 2 seine Stimme lieh, verkörpert in Jugend ohne Gott den Lehrer, aus dessen Sicht Horváths Buch damals geschrieben war. Uns hat er zum Kinostart am 31.08.2017 ein paar Fragen beantwortet.

Was fasziniert dich persönlich an der Geschichte von Jugend ohne Gott?
Fahri Yardim: Der humanistische Blick auf eine erkaltende Gesellschaft, die Aktualität dieser Beobachtung und das Gefangensein in der Herde, aber auch, wie er das Dilemma erlebt, zwischen Karriere und Idealen wählen zu müssen.

Was sind die wichtigsten Unterschiede zwischen Horváths Roman und dem Film?
Fahri Yardim: Horváths Erzählung widmet sich vollends der Gedankenwelt des Lehrers, mit all ihren vielfältigen Beobachtungen und dem eigenem Ringen um das richtige Leben, vor dem Hintergrund der Erfahrungen eines erstarkenden Nationalsozialismus. Der Film adaptiert die Geschichte in eine nahe Zukunft und übergibt die Perspektive jeder einzelnen Figur und schafft damit eine heftige Konfrontation unterschiedlicher Motivationen. Anstelle des deutschen Faschismus steht im Film eine radikale Ökonomie im Vordergrund, die in ihrer Perversion wiederum faschistoide Züge annimmt.

Jugend ohne Gott wurde 1991 schon verfilmt, damals mit Ulrich Mühe als Lehrer. Hast du dir seine Darstellung zum Vorbild genommen?
Fahri Yardim: Seine Tochter, Anna Maria, die bei uns die Psychologin spielt, schenkte mir den Film im Vorfeld des Drehs. Ich habe ihn bis heute nicht aus seiner Klarsichtfolie gerissen, feige wie der Lehrer selbst oder aber ein Vorschuss an Ehrfurcht vor seinem Spiel. Ich bin mir sicher, es hätte mich eingeschüchtert. Ich hole es nach!

Die Rolle des Lehrers ist für dich eher ungewöhnlich, bist du sonst eher ein Komödien-Darsteller. Was hat dich an der Rolle gereizt?
Fahri Yardim: Die Frage enthält die Antwort. Mich reizte die neue Ernsthaftigkeit, die der wunderbare Regisseur Alain Gsponer mir zutraute. Es war ein Geschenk, um mich in anderen Momenten bewegen zu können. Das hält die Palette vielfältig und ringt der Persönlichkeit neue Anteile ab.

Unterscheidet sich Jugend ohne Gott gerade durch die doch schon sehr alte und aus einer faschistischen Zeit stammenden Vorlage von anderen dystopischen Filmen wie zum Beispiel Die Tribute von Panem?
Fahri Yardim: Es gibt oberflächliche Ähnlichkeiten, aber vor allem tiefer gehende Unterschiede. Die Tribute sind ein populäres Beispiel, stehen aber nicht für die Erfindung der dystopischen Verarbeitung faschistoider Gesellschaften. Und ja, wir haben einen komplett anderen Film gedreht, weniger effektbeladen, aber dafür intensiver. Die Figuren stehen stärker im Vordergrund, die wechselnden Erzählperspektiven entwickeln eine vielschichtige psychologische Dynamik und in seiner Dringlichkeit kann Jugend ohne Gott es locker mit seinen Hollywood-Vergleichen aufnehmen.

Inwiefern soll Jugend ohne Gott sein Publikum zum Nachdenken anregen?
Fahri Yardim: Der Film führt uns unsere Welt in konsequenter Weise vor Augen, wie sie aussähe, würden wir die destruktiven Tendenzen nicht unterbrechen. Wir finden eine von Leistungsdruck und Digitalisierung entfremdete Welt, in einer ehrlichen Radikalform, deren Gewinner in das lieblose Korsett ihrer künstlichen Ansprüche gebunden sind. Die Abgehängten vegetieren in abgetrennten Ghettos. Gleichzeitig aber vertritt der Film durch die Figur des Zach die Hoffnung, aus dieser Depression aussteigen zu können, durch einen unerschütterlichen Glauben an das Mitmenschliche. Es ist ein unverdorbenes Aufbegehren gegen die Verhältnisse, mit ihm wird eine Erinnerung an die archaische Kraft des Mitgefühls lebendig, die verbindet, wo wir drohen, auseinander zu fallen.

Was haltet ihr von der neuen Verfilmung von Horváths Roman Jugend ohne Gott?

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