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Kino mit Aussicht – das "International" in Berlin

07.12.2014 - 16:21 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Gläsernes Foyer im 1. Stock: Kino International
L. Paul
Gläsernes Foyer im 1. Stock: Kino International
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Aus den Berliner Kinos einen Liebling rauszusuchen, ist schwierig. Aber das "International" in Mitte steht bei mir weit oben. Weil dieses Kino immer noch so aussieht, wie es mal gemeint war: ein schlichter Palast, in dem der Film gefeiert wird.

Schlicht ist das Kino International  wohl aus zwei Gründen: Die Zeit des neoklassizistischen Zuckerbäckerstils, in dem während der 1950er-Jahre nach sowjetischem Vorbild die Bauten entlang der Karl-Marx-Allee Richtung Friedrichshain errichtet worden waren, war vorbei.

Außerdem war diese Bauweise für die DDR zu teuer geworden. Etwas Repräsentatives sollte trotzdem her, denn schließlich handelte es sich ja um die Fortsetzung der Prachtallee bis zum Stadtzentrum, bis zum Alexanderplatz, die noch gebaut werden sollte.

Plattenbau der nobleren Art – so hieß die Lösung. Dazu gehörte, dass viele besondere Bauten auf dem Abschnitt entstehen sollten: Café, Hotel, Eisbar und eben ein großes Premierenkino, in dem sich auch die DDR-Führung zeigen wollte. Das tat sie dann auch gern und regelmäßig, der Staatsratsvorsitzende der DDR, Walter Ulbricht, eröffnete das Kino 1963.

Wie der "Zoo-Palast " in West-Berlin nahm das "International" einen Teil der Multiplex-Philosophie der 90er-Jahre vorweg. Es bot zwar nur einen Kinosaal, aber dieser Saal war von der Leinwand aus konzipiert. Der Film sollte die optimalen Bedingungen haben, die Zuschauer sollten den optimalen Blick auf den Film haben, dementsprechend bemaßen sich Breite und Höhe des Kinosaals.

Zwei hohe Stockwerke hat das Gebäude, wobei das untere nur das Vorspiel für Etage 1 darstellt. Drei Foyers durchläuft der Besucher, bevor er den Kinosaal erreicht. Zuerst die nackte Vorhalle im Erdgeschoss, in der sich rechts und links die Kassenhäuschen befinden. Endlich mal ein Kino, in dem noch jemand in einer kleinen Box sitzt und nur die Tickets verkauft – ohne Nachfrage, ob man nicht für 13 Euro 80 das Super-Spar-Menü mit Nachos und kleiner Cola haben möchte. (Obwohl: in Berlin gibt es den Extra-Ticketschalter hinter Glas noch an ein paar anderen Orten. Im "Delphi " zum Beispiel, oder im Zoo-Palast und in der Astor Filmlounge , aber auch in Multiplexen wie dem Colosseum .)

Dann geht's durch Glastüren in Foyer 1 im Erdgeschoss. Ebenfalls schlicht, aber schon beeindruckend groß, befinden sich hier die Garderoben, die nur noch bei Partys im Kino oder bei ganz besonderen Premieren geöffnet sind. In der Mitte eine runde Sitzgruppe, das war's. Am linken und rechten Ende des Foyers führen zwei Treppen ins Obergeschoss.

Dort wird es edler und luftiger. Das Foyer mit der Glasfassade , großen Kronleuchtern und dem Ausblick auf die Karl-Marx-Allee ist beeindruckend hoch, ein feines Raumgefühl gibt das. Sitzgruppen entlang der Fensterfront, eine Süßigkeitentheke (ohne Nachos!), zwei Doppeltüren, die links und rechts in den Saal führen. Es gibt nur das Parkett, das sanft abfällt, bester Blick von allen Plätzen, ohne den Kopf in den nacken legen zu müssen. Meine Lieblingsplätze sind sogar weit am Rand, auch da muss sich niemand verdrehen.

1991 übernahm die Yorck-Kinogruppe  das Haus, und das war wirklich ein großes Glück. Ohne Georg Kloster und seine Yorck-Mitstreiter gäbe es in Berlin viele einzigartige Kinos in den Bezirken gar nicht mehr. Das "International" wäre wohl einen ähnlichen Weg gegangen wie das Kino Kosmos an derselben Straße, das nach Umbauten dichtmachen musste und jetzt zum Party-Ort für Stadtrand-Proleten geworden ist, die auch in Berlins Zentrum ihre Ländlichkeit feiern wollen.

Georg Kloster aber sorgt sich um seine Kinos, und das Programm wird für (fast) jedes seiner Häuser ideal zugeschnitten. So laufen an der Karl-Marx-Alle keine Independent-Filme, sondern erfolgreiche Filmkunst und vor allem große Namen mit festem Fan-Publikum (zuletzt Wim Wenders, Woody Allen). Ach ja, Berlinale-Kino ist das "International" natürlich auch.

Und das Kino birgt einige Geheimnisse. Die meisten lassen sich schnell ergründen, wenn man eine Party im Kino besucht (Premierenpartys, schwullesbische Party "Klub International" ). Da gibt es im Erdgeschoss den Premierenraum, in dem früher der Staatsrat mit den Schauspielern feierte und der heute "Honecker Lounge" heißt. Auch ein kleines drittes Stockwerk ist zu entdecken, in dem sich früher ein Jugendklub befand. Gern würde ich auch mal den kleinen Bunker sehen, in dem die Staatschefs Zuflucht suchen konnten. Oder ist das eine Legende?

Das frage ich mich auch bei der Geschichte über den Vorhang, der silbern vor der Leinwand hängt. Allerdings glänzt nur die Hälfte des Stoffes, der die 17,5 Meter breite Leinwand verdeckt. Glitzernde Stoffstreifen und normaler Stoff wechseln sich ab. Irgend jemand hat mir mal erzählt, in der DDR habe es nicht genug vom Glitzer-Stoff gegeben, dann sei schnell der normale Stoff dazwischengenäht worden, und das sei bis heute so geblieben. Weiß jemand, ob das stimmt?

Und dann ist da noch das große Plakat, das für jeden neuen Film an der Glasfassade montiert wird. Es ist handgemalt und gibt dem Film manchmal fast noch eine surreale Note. Vor allem, wenn die Darsteller gut, aber nicht perfekt getroffen sind und der herzliche Held der französischen Filmkomödie plötzlich ganz verschlagen vom Plakat auf die Karl-Marx-Allee guckt.

Besondere Kinos im Moviepilot-Blog: Cine Packewaia in Ushuaia (Argentinien), Dolby Theatre in Los Angeles (US), TCL Chinese Theatre in Los Angeles (USA), Weltspiegel in Cottbus (Deutschland)



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