Lieber (gut) geklaut als schlecht erfunden

07.10.2010 - 18:50 Uhr
Konferenz der Tiere
Constantin Film
Konferenz der Tiere
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Die deutsche Neuverfilmung von Erich Kästners Kinderbuchklassiker startet in dieser Woche in unseren Kinos und nach zwei sehr gegensätzlich angelegten Trailerkampagnen steigt die Spannung, was uns nun wirklich erwartet.

Die Neuverfilmung von Konferenz der Tiere steht in den Startlöchern und nach einem überraschend ernsthaften und nachdenklichen Teaser (vom abschließenden Appell an die “Tiere ohne Fell” mal abgesehen) folgte ein bedeutend kindlicherer (je nach Betrachtungsweise kindischer) Trailer, der mit einem ganzen Koffer voll Fremdassoziationen aufwartete. Es stellte sich die Frage: Erwartet uns nun eine erwachsene, nachdenkliche Buchadaption wie es der Teaser versprach oder sollte sich der Zuschauer auf einen mehr klassischen Animationsspaß einstellen?

Made in Germany
Grundsätzlich steht fest: Deutsche Animationsfilme haben keinen leichten Stand. Beinahe monatlich starten bei uns Filme der großen amerikanischen Animationsstudios wie Pixar, Dreamworks oder Blue Sky, aus Japan schaffen es hauptsächlich die dominierenden Filme des Ghibli Studios in die deutschen Kinos und aus Australien setzen Filme wie Happy Feet oder der kürzlich gestartete Mary & Max – oder: Schrumpfen Schafe, wenn es regnet? Maßstäbe. Vergleichsweise kleine Produktionen aus Deutschland, wie Konferenz der Tiere, die mit einem bedeutend kleineren Budget und beschränkten Ressourcen arbeiten müssen, haben im Schatten einer solcher Übermacht einen schweren Stand. So verwundert es also nicht, wenn die hiesigen Filmemacher sich an den Großen orientieren und lieber sich fremd inspirieren lassen, als Zeit und Geld in eigene Konzepte zu investieren. Das dachten wohl auch die Macher von Konferenz der Tiere und bedienten sich fleißig im Fundus des computeranimierten Animationsfilms.

Außen hui,…
Wie es sich heutzutage für Animationsfilme gehört, wurde auch für Konferenz der Tiere eine erlesene Truppe an Comedians und Schauspieler als Sprecher engagiert. Namen wie Ralf Schmitz, Christoph Maria Herbst, Bastian Pastewka, Oliver Kalkofe und Thomas Fritsch finden sich im Film akustisch wieder und treiben stimmlich allerlei Unfug. Ein beachtliches Ensemble, dass einerseits dafür sorgt, dass die Charaktere noch lebendiger wirken, andererseits fungieren sie natürlich auch als Aushängeschild, um für den Film zu werben.

Seine ganze Klasse stellt der Film auf der technischen und gestalterischen Seite unter Beweis. Sowohl das Design der Charaktere als auch ihrer Umwelt wirkt unter Berücksichtigung des cartoonigen Stils, den der Film verfolgt, beeindruckend realistisch und lebensecht. Auch entbehren sie nicht einer detailverliebten Niedlichkeit, die vor allem die kleinen Zuschauer erfreuen dürfte. Wenn das Fell sich im Wind bewegt, die Tiere vor malerischen Hintergründen agieren oder gegen Ende noch aufwändige Wasseranimationen zum Zuge kommen, ist es dem Laienauge kaum mehr möglich, Unterschiede zu den großen und etablierten Animationsfilmen festzustellen. Lediglich bei den Animationen ist dem Film anzumerken, dass noch produktionstechnische Defizite existieren. Die Bewegungsabläufe wirken nicht ganz so rund, weich und ausdrucksstark, wie wir es sich aus anderen Filmen gewohnt sind.

…innen pfui
Der Trailer hatte es bereits angedeutet, Konferenz der Tiere ist lediglich “Inspired by” dem Kinderbuchklassiker von Erich Kästner. Abgesehen von der losen Ausgangslage sollten Buchfans also nicht zu hohe Erwartungen in die neuste Verfilmung stecken. Stattdessen erinnert der Film mehr an eine Madagascar meets Happy Feet meets Ice Age meets whatever Animationsretrospektive. Teils wurden ganze Charaktere (zum Beispiel Giraffe Gisela oder Elefantenkuh Angie) oder Witze (beispielsweise ein Piranhaangriff oder eine tollpatschige Auseinandersetzung mit Nashörnern) von den großen Vorbildern zweckentfremdet. Generell vermitteln die Macher den Eindruck, dass sie viel lieber Madagascar 3 oder Ice Age 4 produziert hätte, anstatt sich selbst etwas aus den Finger zu saugen. Was auch erklären würde warum Ice Age Komponist David Newman für die Filmmusik engagiert wurde.

Ein weiterer inhaltlicher Aspekt des Films ist seine Orientierungslosigkeit. Ein wirklicher Handlungsfaden offenbart sich erst in der zweiten Hälfte, als der Staudamm in Erscheinung tritt. Bis dahin bietet der Film einen (müden) Sketch nach dem anderen. Mal mehr und mal weniger moralinsauer angereichert. Wer sich bereits bei Happy Feet durch den am Ende dominierenden linksliberalen Gutmenschton auf den Schlips getreten fühlte, sollte sich auf was gefasst machen. Keine fünf Minuten vergehen, ohne dass ein Tier ein Appell an die Menschlichkeit vom Stapel lässt. In manchen Momenten wünschte ich mir, alle Tiere wären so wortkarg wie der tasmanische Teufel Smiley, der einfach nur dem Alkohol frönt und unbekümmert seine Gase in die Atmosphäre entlässt: vielleicht die einzig ehrliche Darstellung menschlicher Abgründe im ganzen Film.

Von allem und für jeden etwas dabei?
Es ließe sich argumentieren, dass der Film in erster Linie auf die ganz Kleinen zugeschnitten wurde und einfach nur unterhalten will. Nur stellt sich die Frage, warum nach dem vergnüglichen Ich – Einfach unverbesserlich und kurz vor Start des (vielleicht) weniger biederen Sammys Abenteuer – Die Suche nach der geheimen Passage, die Eltern ihre Sprösslinge in Konferenz der Tiere mitnehmen sollten. Zumal der nostalgische Einfluss von Kästners Vorlage, den sich ältere Generationen vielleicht erhoffen, kaum vorhanden ist. Die beeindruckenden Bilder aus dem ersten Teaser stammen fast ausnahmslos aus den letzten Minuten des Films, wo versucht wurde, Happy Feet und Erich Kästner in eine Form zu gießen. Ob diese Symbiose aus allen nur erdenklichen Quellen geglückt ist, kann ab Donnerstag jeder für sich entscheiden.

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