Community

Kritik zu »Herbert«

29.12.2016 - 00:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Bild zu Kritik zu »Herbert«
Wild Bunch/Central Film
Bild zu Kritik zu »Herbert«
0
0
Thomas Stuber gelingt mit seinem Langfilmdebüt ein intensives Drama mit einem grandiosen Peter Kurth, der beim Deutschen Filmpreis für seine Rolle geehrt wurde. Der Film wurde zudem »Bester Spielfilm in Silber« und war in weiteren Kategorien, u.a. für die beste Kamera, nominiert.

Das Zittern seiner tätowierten Hände beachtet der Exboxer Herbert (Peter Kurth) zunächst nicht weiter. Er ist ein Berg von einem Mann, der mit Leidenschaft seinen Schützling Eddy trainiert, als Türsteher in zwielichtigen Spelunken arbeitet und zuhause seine Fische pflegt. Dann reißt es ihm unter der Dusche die Beine weg. Der Boxer erstmals am Boden und in der ersten Runden seines letzten Kampfes, denn die Diagnose lautet ALS.

Regisseur Thomas Stuber bürstet in seinem Langfilmdebüt »Herbert« die gängigen Muster des Genres gegen den Strich: Anders als etwa bei amerikanischen Boxfilmklassikern wie »Rocky«, »Wie ein wilder Stier« oder »Million Dollar Baby«, die immer auch vom Erfolg eines aufgehenden Boxersterns handeln, erzählt »Herbert« ab Minute eins vom buchstäblichen Zerfall eines betagten Exboxers. 16 Kilogramm nahm Peter Kurth für den Film zu und verlor sie im Laufe der Dreharbeiten wieder. Kurths körperlicher Wandel legt eindrucksvoll Zeugnis für Herberts prozesshaften, unweigerlich zum Tode führenden Krankheitsverlauf ab. Der Berliner Schauspieler spielt Herbert nicht, er ist Herbert. Mit jeder Faser seines Körpers macht er den Boxer lebendig, in der schattigen Halle beim Eindreschen auf den Boxsack ebenso intensiv wie später, dünnbeinig und schwach im Rollstuhl.

Die Authentizität verdankt der Film neben dem begnadeten Peter Kurth dem starken Drehbuch, das aus der Feder von Stuber und dem Leipziger Autor Clemens Meyer stammt. Ähnlich eindringlich und poetisch wie in dessen Romanen »Als wir träumten« und »Im Stein« erzählt »Herbert« von gesellschaftlichen Randgestalten. Meyers Sympathie für das Milieu, aus dem er selbst stammt, ist auch in dem Film jederzeit spürbar. Herbert mit all seinen Fehlern, die er gemacht hat und im Laufe des Films machen wird, ist menschlich und könnte hinter jeder Ecke in den Gassen Leipzigs warten. Ein Typ, der durch die Schattenwelt wandelt, seinen Abschied als aktiver Boxer und vielleicht auch den Zusammenbruch der Mauer nie ganz überwunden hat und sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser hält.

Erstaunlich ist, dass der Film trotz (oder vielleicht gerade wegen) seiner kalkulierten und hin und wieder in rührseligen Kitsch kippenden Tragik so gut funktioniert. Wie Herbert die Kontrolle über seinen Körper verliert, der ihm sein finanzielles Auskommen sichert und dann versucht, alte Fehler gegenüber seiner Tochter wieder gut zu machen um kathartische Läuterung zu erfahren: Das trieft stellenweise. Aber es funktioniert. Vielleicht, weil das Leben solche Geschichten schreibt. Und ganz sicher, weil Stuber und Meyer sie gekonnt bis in letzte Konsequenz erzählen.

Das könnte dich auch interessieren

Kommentare

Aktuelle News