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Literaturverfilmungen - Immer dasselbe Dilemma

13.09.2014 - 16:43 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Die hinreißende Carey Mulligan und der fantastische Leonardo DiCaprio in einer gelungenen Literaturverfilmung.
Warner Bros. Pictures
Die hinreißende Carey Mulligan und der fantastische Leonardo DiCaprio in einer gelungenen Literaturverfilmung.
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Literaturverfilmungen sind immer ein großes Wagnis. Der Regisseur steht unter dem enormen Druck, dem Werk nicht gerecht zu werden. Besonders bei Werken mit großer Fangemeinde oder gar, wenn es sich um Weltliteratur handelt. Da zückt schon so mancher die "Unverfilmbar"-Keule. Sicherlich gibt es Werke, denen ich eine Verfilmung eher abraten würde, wie etwa James Joyce "Ulysses", aber allgemein glaube ich das das Kino dazu fähig ist, nahezu jede Geschichte zu projizieren, wenn da nicht die ewige Angst der Regisseure wäre...

Vor wenigen Monaten lief bei uns die Jugend-Buch Verfilmung Das Schicksal ist ein mieser Verräter, Roman verfasst von John Green bekannt für Werke wie etwa "Looking for Alaska" oder "Will Grayson, Will Grayson". Ein Film, der so nah an seinem Buch ist, das Kenner des Buches bei den Dialogen nahezu mitsprechen konnten. Nahezu jeder Satz wird kopiert und übernommen. Das Ergebnis: Die Dialoge wirken ausgesprochen künstlich und gestellt, eben als hätte man sie vorher aufgeschrieben. Gut, das trifft auf jeden Film zu, aber die Sprache eines Romans und eines Filmes ist eine völlig verschiedene und lässt sich nicht 1:1 übersetzten. Viele Regisseure aber begehen eben jeden Fehler, indem sie wirklich alles übernehmen, aus Angst davor, die Fangemeinde des Buches zu erzürnen. "Was, das haben die weg gelassen? Diese Schweine!".

Eine Literaturverfilmung sollte kein bebildertes Hörbuch sein, sondern einfach eine filmische Adaption. Jeder Roman löst im Leser Gefühle aus und diese gilt es, auf die Leinwand zu bannen. Gerade das Kino eignet sich fabelhaft für bildgewaltige Aufnahmen. Jedoch kuschen sehr viele Regisseure vor dem Ansehen von Weltliteratur und so endet es, das es meist die besten Bücher sind, die eine schlechte Adaption abbekommen.

Der deutsche Klassiker der Literatur, Johann Wolfgang von Goethes legendärer Faust erntete 1960 unter der Regie von Peter Gorski und Gustaf Gründgens eine Adaption. Gründgens spielt die Rolle des Mephisto fabelhaft, keine Frage, aber dennoch ist diese Adaption als Katastrophe zu bezeichnen. Als Setbauten bekommt man eine billige Theaterbühne zu sehen, die Schauspieler reden ihren Text auswendig runter, zwar nicht emotionslos, aber dennoch merkt man die Künstlichkeit jedes Satzes an. Gorski und Gründgens voraus war die Regie-Legende F.W. Murnau der uns schon 1926 mit Emil Jannings als Mephisto seine Vision auf Faust als faszinierenden Bilderrausch schenkte, ein Film, der für seine damalige Zeit, visuelle Maßstäbe setzte. Die Krone setzt dem ganzen aber erst ein anderer auf. Es ist der Russe Aleksandr Sokurov, der 2012 uns seine eigene Vision auf Faust präsentierte. Sokurov ändert ganze Passagen aus Goethes Text, dichtet die Aussage völlig um und erschafft so etwas völlig neues. Sein FAUST wirkt wie ein Film von anderen Stern : Bilder verzerren sich, die Kamera scheint zu schweben, Gesichter werden in diesem Rausch manchmal komplett unkenntlich. Bilder, so hässlich wie aus der Hölle, so dreckig und ekelhaft. Ein Film, von dem ich bis heute nicht weiß, was ich von ihm halten soll. Aber ein weiß ich: Das war etwas gewagtes, etwas wirklich neues, was man dieser Geschichte abgewinnen konnte. Etwas, was ich von einer guten Literaturverfilmung erwarte.

Um bei der Weltliteratur zu bleiben. Das beste Buch, was ich je gelesen habe, DER ZAUBERBERG von Thomas Mann, fand 1982 unter der Regie von Hans W. Geissendörfer die schlimmste Literatur-Verfilmung aller Zeiten. Dieses hochkomplexe, wahnsinnig schwer greifbare Buch lies mich damals in einem Zustand der völligen Fassungslosigkeit zurück. In Geissendörfers Film bleibt davon ein merkwürdiger Mischmach, welcher verzweifelt versucht, Szenen des Buches hintereinander zu klatschen, ohne die Aussage von Thomas Mann auch nur ansatzweise verstanden zu haben. Auch der Protagonist Hans Castorp verkommt zu einem nervigen Schreihals. Nicht anders verhält es sich mit einer weiteren Thomas Mann-Verfilmung : Heinrich Breloers Buddenbrooks - Ein Geschäft von einiger Größe summt die mitreißende Geschichte einer Lübecker Getreidefamilie auf unsägliche Rosamunde Pilcher-Konflikte herunter. Dazu werden wahnsinnig wichtige Aspekte des Romans nicht einfach nicht angesprochen. Wie man ein derartiges Jahrhundertwerk so lahm inszenieren konnte, bleibt mir ein Rätsel. Als positive Thomas Mann Adaption sei Luchino Viscontis Tod in Venedig angesprochen. Sein Film beinhaltet nicht einen einzigen Satz aus der Novelle und bringt stattdessen fantastisch das verlorene Gefühl dieser Geschichte rüber.

Die wohl unterschätzteste und beste Literaturverfilmung der letzten Jahre ist aber immer noch Baz Luhrmanns Adaption von F. Scott Fitzgerald Der groߟe Gatsby. Oft gescholten wegen des Einsetzens moderner Pop und Rap Musik im New York der 1920er vergessen viele, das es nicht wichtig ist, ob etwas historisch akkurat ist. Obwohl er recht viele Dialoge aus der Vorlage übernimmt, hat Luhrmann etwas verstanden : Es geht um Emotionen, um die ganz großen Gefühle. Wenn Leonardo DiCaprio als Jay Gatsby nach dem grünen Licht greifen will spüren wir seine Sehnsucht. Wir fühlen uns wie Nick Carraway als wir das erste Mal auf Gatsbys rauschenden Fest zu Besuch sind und der Alkohol und das Geld in Strömen fliesst. Aber vor allem, berührt es uns als Carey Mulligan als Daisy und Gatsby sich nach so vielen Jahre wiedersehen. Von Nicks Haus aus sehen beide auf den großen See, während sich ihre Hände berühren, ganz zufällig, ganz verflüchtend, wie das große Glück in diesen schnellen Zeiten. Und als Gatsby Daisy dann sein großes Anwesen zeigt und dazu Lana Del Ray "Young & Beautiful" ertönt, bleibt kein Auge trocken. Luhrmann entfesselt einen Bilderreigen über das New Yorker Glamour-Leben der 20er. Das ist wahres Kino, Kino der großen Bilder und Emotionen.

Mit anderen Worten: Es zählt nicht die hohe Ähnlichkeit des Filmes zum Roman, sondern das Auffassen des Gefühls des Romanes, und es auf die Leinwand zu übertragen. Nur so gewinnt man alten Stoffen etwas neues ab und kaut sie nicht immer wieder vor. Nur muss man sich halt über ein paar erzürnte Fanboys hinweg setzen.

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