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Look, I've got a blanket! - Wie Sherlock meinen Alltag rettete

14.10.2014 - 12:00 Uhr
Die Schock-Decke in Aktion
BBC
Die Schock-Decke in Aktion
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Viel mehr als nur ein Stück Stoff...

Eigentlich begann der Tag ganz normal. Wir gingen nach der Uni gemeinsam zum Bus, fuhren zum Bahnhof. Ich würde ihn bis dorthin begleiten und dann weiter zu mir ins Wohnheim fahren.

Als wir in der Bahnhofshalle stehen, dreht er sich plötzlich noch einmal zu mir um. „Sag mal, willst du mit mir gehen?“ Ich stehe da und bin vollkommen verwirrt. Mein Gehirn hat sich selbst Schachmatt gesetzt und weigert sich, auch nur einen vernünftigen Gedanken auszuspucken. „Was?“
Dankeschön, Hirn, da hast du ja was Geistreiches ausgespuckt. „Na, ob du mit mir zusammen sein willst.“ Ich fixiere ihn mit zusammengekniffenen Lippen. Nimmt er mich auf den Arm?
Mein Gehirn sitzt immer noch in der Ecke und spricht nicht mit mir.

Also greife ich auf meine neue Allzweck-Verteidigung zurück. „Warte einen Moment.“, bitte ich ihn und greife in meinen Rucksack. Er beobachtet mich dabei und legt verwirrt den Kopf schief, als ich eine leuchtend orangefarbene Decke aus dem Rucksack herauszerre, wobei sich mein Block und mein Mäppchen verabschieden und auf dem Boden landen.

Blaulicht, Sirenen. Der Detektiv sitzt im hinteren Teil eines Krankenwagens und sieht den Inspector irritiert an, als könne er mit der gesamten Situation nichts anfangen. Gerade wurde der Massenmörder, den er gejagt hat, nur einen halben Meter neben ihm stehend erschossen und er gerade so davon abgehalten, die Pille zu schlucken, die ihn mit fünfzigprozentiger Chance umgebracht hätte.

Er befand sich also in einer ähnlich beklemmenden Situation, wie ich gerade. Ich werfe mir die Decke um die Schultern und ziehe sie eng um mich. Sie ist schön weich und warm und gibt mir Sicherheit. „Warum hast du diese Decke?“ Ich kichere leise, weil es mich an die Szene erinnert.

„What am I supposed to do with this blanket? They keep putting this blanket on me.“ „You’re in shock.“ Der Detektiv beginnt, den Tathergang zu analysieren, um zu beweisen, dass er überhaupt nicht unter Schock steht und verplappert sich beinahe. Denn er weiß, wer geschossen hat.

Ich fische immer noch verzweifelt nach Worten, um ihm zu erklären, was ich am liebsten auf seine Frage antworten würde. Die sehnlichst gesuchten Worte finde ich leider nicht, aber die Decke spendet mir Trost. Ach, würde er nur Sherlock schauen, dann würde er mich jetzt verstehen. Denn wie er sollte ich jetzt besser nicht sagen, was ich eigentlich ganz genau weiß.
„Also, gibst du mir jetzt eine Antwort? Und was um alles in der Welt soll die Decke? Und...“ Der Inspector hakt noch einmal nach.

Sherlock will John aber nicht an die Polizei verraten, also dreht er kurzerhand seinem Gegenüber die vorige Erklärung im Munde herum.

In Gedanken spreche ich die nächsten Worte des Sherlock Holmes mit, in der Realität wandele ich sie ein wenig ab: „What now? I’m in shock, look, I’ve got a blanket!“ „Hörst du jetzt auf zu fragen? Ich stehe unter Schock! Siehst du, ich habe sogar eine Decke!“
Er dreht sich um und geht. Wortlos. Vermutlich hält er mich jetzt für wahnsinnig. Ich aber lächle und sammle Block und Mäppchen auf, um mich mit der Decke um die Schultern auf den Weg zum Bus zu machen. So musste ich ihm immerhin nicht das Herz brechen.

Diese eine kurze Szene aus der ersten Folge der BBC-Serie Sherlock ist mir eine der liebsten überhaupt. Ich zitiere sie ständig und tatsächlich wünsche ich mir oft auch so eine orange Decke. Denn hätte ich eine, wäre die eben beschriebene Situation genauso passiert und ich hätte mir einiges an Ärger erspart. Zu Weihnachten wird diese Decke auf meinen Wunschzettel gesetzt, basta. Danke Sherlock.

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