Loriots Weihnachten bei Hoppenstedts beweist, dass Deutsche an Feiertagen unerträglich sind

25.12.2021 - 10:30 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Weihnachten bei Hoppenstedts mit Komik-Traumpaar Loriot (links) und Evelyn Hamann
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Weihnachten bei Hoppenstedts mit Komik-Traumpaar Loriot (links) und Evelyn Hamann
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Alle Jahre wieder versammeln sich deutsche Familien vor dem Fernseher, um Weihnachten bei Hoppenstedts von Humor-Altmeister Loriot zu gucken. Der Grund dafür ist ebenso einfach wie traurig.

In Deutschland gibt es bestimmte Dinge, die als absolut selbstverständlich hingenommen werden. Auch wenn niemandem mehr so richtig klar ist, warum eigentlich. Dazu gehört zum Beispiel, dass Sandalen mit Socken zu tragen als total unpeinliches Modestatement wahrgenommen wird und "echte" Männer sich angeblich nur beim Fußball oder unter dem Deckmantel von sehr viel Bier umarmen. Aber auch: An Heiligabend oder den nachfolgenden Feiertagen muss Weihnachten bei Hoppenstedts geguckt werden.

Was ist Weihnachten bei Hoppenstedts von Loriot?

Verantwortlich für diese deutsche Tradition – und ehrlich gesagt auch für große Teile des deutschen Humorverständnisses–, ist Vicco von Bülow alias Loriot. Der drehte für seine gleichnamige Fernsehserie mal mehr, mal weniger zusammenhängende Sketche und schuf damit Legendäres. Wie den Streit um einen "Kosackenzipfel" im Restaurant oder der Versuch, den Transport eines geschenkten Klaviers als Heimvideo für die Verwandtschaft festzuhalten.

Ebenfalls legendär: Loriots erster Spielfilm Ödipussi

Loriot Ödipussi - Trailer (Deutsch)
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Apropos Kosackenzipfel: Schon in diesem Sketch tauchen die Eltern aus Weihnachten bei Hoppenstedts auf. Loriots Sketch-Reihe war also so etwas wie das Komik-MCU der 70er. Und so ist auch Weihnachten bei den Hoppenstedts, wie es Jahr für Jahr im Fernsehen läuft, weniger eine feststehende Szene à la Der 90. Geburtstag oder Dinner for One, sondern ein Verbund mehrerer Szenen, die den klischeedeutschen Weihnachtswahnsinn persiflieren.

In insgesamt 25 Minuten sehen wir unter anderem einen motzigen Großvater, der dem ungeliebten Enkelkind ein Atomkraftwerk zum selber bauen im Spielzeugladen besorgt. Vertreter, die Mutter Hoppenstedt kurz vor dem Fest noch Wein und Staubsauger aufquatschen wollen. Und natürlich das Weihnachtsfest selbst, bei dem Mutter (Evelyn Hamann), Vater (Heinz Meier), Kind Dicki (Katja Bogdansky) und Großvater (Loriot selbst) unter dem heimischen Baum zusammenkommen. Und bei dem absolut alles schiefgeht.

Der Grund für den Erfolg von Weihnachten bei Hoppenstedts von Loriot ist ebenso einfach wie unangenehm

Im Kern von Feiertagen steckt für viele ein großer Konflikt: Erst holt man sich die Verwandtschaft ins Haus, die man im Rest des Jahres aus gutem Grund nicht all zu regelmäßig sieht. Und dann lädt man sich auch noch auf, eine wirklich gute Zeit miteinander zu verbringen. Denn Weihnachten ist ein Familienfest und die Familie, das kennt man aus Weihnachtsfilmen, hat gefälligst glücklich und zufrieden gemeinsam um den perfekt geschmückten Baum zu sitzen, atmosphärische Weihnachtslieder zu singen und sich anschließend mit Präsenten zu überhäufen, die sowohl wertig als auch sehr persönlich auf die zu beschenkende Person zugeschnitten sind.

Ziemlich viel Druck für einen Abend, der eigentlich vor allem entspannt und besinnlich sein soll. Kein Wunder, dass Weihnachten in vielen Familien in Streit und dem Konsum mehrerer Beruhigungsliter Wein endet. Loriot hat das verstanden und gibt der geschundenen, feiertagstraumatisierten Seele mit Weihnachten bei den Hoppenstedts eine 25-minütige Therapiesitzung. Hier fühlt man sich gesehen und gehört. Und kann sich inmitten des eigenen Familientumults denken: "Na zumindest hat dieses unerträgliche Balg Karoline nur eine Playstation und kein Atomkraftwerk bekommen!"

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Weihnachten bei Hoppenstedts funktioniert aber noch auf einer anderen Ebene. Und die ist ziemlich deutsch.

Weihnachten bei Hoppenstedts zeigt, was Deutschen an Weihnachten wirklich fehlt

Es gibt einen Satz in Weihnachten bei Hoppenstedts, der die Unerträglichkeit des deutschen Festtags-Seins perfekt zusammenfasst: "Jetzt wird erst der Baum fertig geschmückt, dann sagt Dicki ein Gedicht auf, dann holen wir die Geschenke rein, dann sehen wir uns die Weihnachtssendung im Ersten Programm an, dann wird ausgepackt und dann machen wir es uns gemütlich!"

Weihnachten, das ist nicht nur bei den Hoppenstedts ein durchgeplanter Programmablauf, der reibungslos zu erfolgen hat. Ein gemeinsam zu stemmender Kraftakt, der vor allem eines bedeutet: Stress. Dahinter steht der Wunsch, irgendwann doch noch entspannen zu können. Dann, wenn alles, wirklich alles erledigt ist. Nur, dass eben nie alles erledigt ist, wenn jeder Moment der Besinnlichkeit zum Teil einer niemals endenden Checkliste wird.

Wir können etwas wichtiges von Loriots legendärem Sketch lernen

Für die Hoppenstedts läuft an Weihnachten alles schief, was überhaupt nur schief laufen kann. Dicki singt das falsche Weihnachtslied (Zicke Zacke Hühnerkacke!) und enttarnt den Weihnachtsmann als verkleideten Großvater. Vater Hoppenstedt versucht sich am Aufbau des Atomkraftwerks und sprengt ein Loch in den Boden. Und als die Familie dann noch versucht, die Unmengen an Geschenkpapier heimlich im Flur zu entsorgen, wird sie von einer Lawine aus Verpackungen erfasst. Denn die faulen Nachbarn hatten die gleiche Idee.

Ganz alltäglichen Familienterror gibt es auch in Loriots Pappa ante Portas

Loriot Pappa ante portas - Trailer (Deutsch)
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Weihnachten bei Hoppenstedts ist eine deutsche Weihnachtstradition, weil sie einer permanent unentspannten Nation den Spiegel vorhält. Statt uns in unserem selbstgeschaffenen Stress verstanden zu fühlen, um anschließend weiter den imaginären Weihnachts-Programmplan abzuarbeiten, sollten wir Loriots Geniestreich aber lieber als freundliche Warnung verstehen: Vergesst den Programmplan. Fangt direkt mit der Gemütlichkeit an. Der Stress kommt nach den Feiertagen schnell genug.

Mehr Nostalgie im Podcast: Lohnt sich die Kultserie Twin Peaks auch heute noch?

Twin Peaks von David Lynch ist Kult – auch 30 Jahre später noch, nachdem Kyle MacLachlan als Special Agent Dale Cooper den Mord an Laura Palmer untersucht hat. Als die Serie 2017 noch einmal für eine weitere Staffel zurückkehrte, schlug das abermals große Wellen.

Trotzdem haben noch nicht alle sich an Twin Peaks herangetraut. Deshalb Patrick versucht Moviepilots Chefredakteurin Lisa zu überzeugen, dass die "beste Serie aller Zeiten" unbedingt auf die Watchlist eines jeden Serienfans gehört. Streamen könnt ihr sie bei Sky* .

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Gehört Weihnachten bei Hoppenstedts für euch zum Weihnachts-Pflichtprogramm?

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