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Mama, die alte Hexe

19.10.2016 - 09:00 Uhr
Braindead (1992): Monster Mom
Laser Paradise/moviepilot
Braindead (1992): Monster Mom
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Dieser Artikel entstand im Rahmen der Aktion Lieblingsmonster.

Ich hab noch nicht mal mitbekommen worüber ich hier überhaupt schreiben soll und es interessiert mich auch nicht, weil die Community mittlerweile ein Maschinengewehr ist und per Zerfallgurt immer wieder neue Patronen zugeführt werden, dessen Geschossköpfe mit dem blauen Knall blinkender Facebookdaumen Marke "gefällt mir" in der nächsten Häuserwand einschlagen, während der technische Apparat bereits mit Messingklumpen verstopft ist und man am besten die Waffe auf sich selbst richten sollte. Aber hey, ich will ja nicht meckern, zieh mir eine Fanta Exotic beim Döner meiner Wahl, während ich meinen Adidas-Kombitrainingsanzug und die Armani-Goldkette von meinem Körper abstreife und das Passwort zu meinem Computer eingebe, um im Internet auf einer Seite einen Text über mein Lieblingsmonster in einem meiner Lieblingsfilme zu schreiben, auf das andere Leute das entweder gut oder einfach total belanglos finden.

Man darf schließlich nicht immer nur nehmen, man muss sich auch mal etwas geben lassen und wenn man so an Monster in Filmen denkt, denkt man ja nicht gleich das selbe, denn wenn ich jetzt das Wort Liegestuhl sage und du dir imaginär in deinem Kopf vorstellst, wie so ein Liegestuhl aussieht und du wahrscheinlich an jenen weißen Harteplaste-Liegestuhl deines letzten Mallorcaurlaubs denkst oder alternativ an die Kirschholzsonnenliege auf deiner 50qm-Dachterrasse, meine ich eigentlich den obligatorischen Schaukelstuhl, der gern auf Verandas in amerikanischen Blockbustern steht, aber nie benutzt wird. Die subjektive Wahl nach dem Lieblingsmonster in einem Horrorfilm ist nicht zuletzt eine Generationenfrage und jeder wird sie anders beantworten und das Thema anders deuten, denn letztlich sind Geschmäcker ja verschieden und grundsätzlich ist ja jeder von uns ein Individuum mit einer ganz eigenen, von der geistigen Maschinerie des zermalmenden, alternativlosen Kapitalismus heraufbeschworenen Weltanschauung, geformt seit Tag 1, welche im Gegensatz zu den Menschen in ärmeren Ländern und Kontinenten unserer Erde, uns hat in einem Elfenbeinpalast das Licht der Welt erblicken lassen, auf das unser Gedächtnis im Hohlraum unseres Lebens in Pixelwelten davongleitet, die für andere Menschen auf ewig unerreichbar bleiben werden.

Die Frage nach dem Lieblingsmonster in einem Film führt mich und uns also zurück in ein Zeitalter der Kassettenrekorder und zum Spätnachmittag überfüllten Videotheken, als noch Scatman John im Radio lief und der Zigarettenanzünder im Auto noch für Zigaretten statt Transmitter und iPhone-Ladekabel verwendet wurde. Eine Zeit in der eine aus dem Bekanntenkreis stammende Person uns noch eine VHS-Videokassette überreicht hat und man sich kurz nach der Übergabe schon gefragt hat, ob man jetzt zu Hause angekommen noch mühsam die Filmspur zurückschrauben muss, um nicht aus Versehen von der Schlüsselszene gespoilert zu werden, bei der mein verdammter Bekannter womöglich aufgehört hat zu gucken. Eine Zeit in der das Filmegucken nicht über Webbrowser und Streamingschnittstellen in digitalen Wolken davon schwebte, sondern ein warmes Glücksgefühl meinen Körper durchfuhr, als ich im kalten Keller meiner Eltern die Pappkartons mit der Aufschrift "Filme" durchwuselte, um die malerischen Beschriftungen der Videokassetten in der VHS-Sammlung meines Vaters nach neuen cineastischen Erfahrungen zu durchsuchen, die sich ein Minderjähriger zu dieser Zeit wohl kaum ausmalen konnte.

Rote Farbe und ein mit schwarzem Kugelschreiber beschriftetes FSK 18 markierte die Videokassette des blutigen Glücks, das mir normalerweise hätte verwehrt bleiben müssen, weil ich noch ein kleiner Kacks war, der den Film eigentlich nicht hätte sehen dürfen. Und wie das nun mal so ist, gibt es Filme die einen wohl für den Rest des Lebens begleiten mögen, weil sie einfach zu gut sind, als das man sie nicht wieder sehen könnte, zumal mir wohl jeder wahre Filmfreund nachempfinden kann, wenn ich davon spreche wie erstaunlich es für einen selbst ist, einen Film erneut zu schauen, den man als Kind oder Jugendlicher zuletzt gesehen hat und dann wie bei einem Glücksspiel plötzlich wieder vor der DVD steht und sich fragt wie man jemals vergessen konnte, dass es diesen Film überhaupt gibt, um dann einen der besten Abende zu haben, die man vor einem Fernseher haben kann, wenn man nicht gerade bei Spielbetrieb nebenbei den Koitus mit einer brasilianischen Edelprostituierten vollzieht. Selbstverständlich ist mir das bei diesem Film nie passiert und ehe du dich fragst, ob ich das mit dem Sex meine oder doch eher, dass der Film nie mein Gedächtnis verlassen hat, weil die Rotorblätter des bekanntesten Rasenmähers der Filmgeschichte langsam aber sicher meine Schädeldecke absäbelten, bis mir mein Psychiater gestern eröffnete, dass die Folgeschäden in ausgeprägtem Cineasmus begründet liegen, so schoss mir bei der Nutzer-einsammelnden Schreiberaktion auf der populären, blauweißgelben Filmseite unseren Landes direkt ein Film in den Kopf.

Natürlich käme man bei einem derartigen, wie hier vorgeschlagenen Thema nicht um einflussreiche und visionäre Menschen wie Cronenberg, Wes Craven, Carpenter und Co. herum, dessen Nachnamen alle komischerweise mit C beginnen, die das Horrorgenre auf neue Pfade bewegt haben und die alle für sich in ihren Sparten das Genre auf die Ebene der Perfektion anhoben, doch hey, ich sollte mich entscheiden und das habe ich getan. Wenn man mich im Zustand geistiger Umnachtung danach frage würde, welche Regisseur denn nun bitte mein Lieblingsmonster kreiert hat und das obwohl die Entscheidung wie eingangs erwähnt eigentlich gar nicht getroffen werden kann, dann kann es nur einen geben. Den ehemaligen Mac Gyver der Industrie, den Dicken mit dem Kunstblut und der Pappmaché, denjenigen der sein Handwerk versteht bzw. verstand: Peter Jackson und sein/Timothy Balmes Mutterkomplex in der regionalen Zombieapokalypse Braindead. Er ist gleichwohl seiner Zombiemutter nach Bad Taste aufs Dach gestiegen und hat mal eben einen der, wenn nicht sogar den genialsten Splatterfilm auf die Beine gestellt, dem das Prädikat handmade aus dem Röhrenfernseher herausläuft, während die Hände des Night of The Living Dead am amerikanischen Holzschubfenster sauber abgetrennt werden.

Ja mein Inneres triumphiert immer und immer wieder, wenn in diesem Trashfilm Kinderkörper durch die Gegend gekickt werden, während einen die Leute auf dem Spielplatz schon entsetzt angucken und einem letztendlich die genmutierte Mischung aus Zombiemutter und Riesenratte zur Abwendung der erfolgreich abgeschlossenen Pubertät aufs Oberstübchen steigt um die Tyrannei im alltäglichen Leben fortzusetzen, womit wir auch schon ganz nebenbei und gar nicht zu spät beim Thema wären. Denn welcher Regisseur käme wohl auf die Idee, dass der Ursprung allen Bösen die hauseigene Mutter wäre, die im gigantischen Finale dieses Badewannenfüllenden Kunstblutfilms Ausmaße annimmt, die mir als kleiner Junge wohl niemals in den Sinn gekommen wären. Wer traut es sich einen solchen Film zu drehen, in dem, wenn es um irrwitzige Ideen geht, eines DER Monster der Filmgeschichte so ganz nebenbei seine Schöpfung erfuhr und ein Lachkrampf nach dem nächsten mich in die Untiefen meiner Couch presste, als wäre eine dörflich begrenzte Zombieapokalypse ein humoristisches Ereignis (ist es ja auch, zumindest in Brain Dead oder auch Dead Alive).

Das lustige an meiner Wahl ist natürlich dennoch, dass dieses Monster, das vor allem über weite Strecken des Films zumindest äußerlich kein Monster ist, eigentlich zur Nebensache wird, wenn man bedenkt, dass der frei ins Deutsche übersetzt lautende Film "Hirntot" mit nur 3 Mio. Dollar Budget wohl immer noch auf dem Thron des Splattergenres sitzt, weil er einfach gekonnt das komplette Horrorgenre auf die Schippe nimmt, während er gleichzeitig genau das perfektioniert hat, was heutzutage nunmehr abseits des Retrotrends von CGI verdrängt wurde: handwerkliche Spezialeffekte.

Peter Jackson hatte schon mit Bad Taste bewiesen, dass er weiß wie das mit der behelfsmäßigen Lösung im Rahmen geringen Budgets mittels Handwerkertricks im Filmgeschäft funktioniert und hat das ganze dann auf ein Niveau geführt, das man sich rückblickend wohl nur erträumen konnte, genau so wie ich es mir nur erträumen konnte, dass ich in so jungen Jahren einen Film sehen werde, der mich den Rest meines Lebens begleitet, weil er einfach der blutigste, lustigste, irrwitzigste Film mit einem Rasenmähenden Hauptdarsteller ist, den ich für den Rest meines Lebens wohl kennen werde. Und in dessen Mitte war genau diese monströse Figur, zu der meine Mutter wurde, wenn sie bemerkt hat, dass ich in der Filmkiste meines Vaters herumwühlte. Wozu also in neumodern verhunzten CGI-Projekten untergehen, wenn man es auch einfach und authentisch haben kann und in Brain Dead erfährt wie es wäre, wenn jeder Körper 50l Blut Fassungsvermögen hätte, statt nur 5-6.

Wir bedanken uns ganz herzlich bei den Sponsoren der Aktion Lieblingsmonster:

Aktion Lieblingsmonster


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