Mit anderen Augen - Feministische Pornografie

27.11.2013 - 08:50 UhrVor 10 Jahren aktualisiert
Feministische Pornografie
Petra Joy
Feministische Pornografie
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Im letzten Teil der Reihe Geschichte der Pornografie schaut Jochen Werner auf die feministische Pornografie. Sie verändert den Blick. Es ist im Idealfall schlichtweg der Blick einer freien, nicht in allzu rigide Rollenmuster gezwungenen Sexualität.

Vor zweieinhalb Jahrzehnten ging ein Aufschrei durch das frauenbewegte Land: PorNO! Ein generelles Nein zur Pornografie, die frauenverachtend und gewaltverherrlichend sei, forderte damals die bis heute konsequent reflexionsbefreite Alice Schwarzer, damals freilich noch nicht als Sprachrohr der Bildzeitung. Pornografie sei die Theorie, Vergewaltigung die Praxis, und deshalb müsse erstere rigoros geächtet, abgeschafft, verboten werden. Erfreulicherweise gab es auch damals schon durchdachtere Beiträge zum Thema, und so stellte etwa Annie Sprinkle – einst Pornodarstellerin und Prostituierte, später Performancekünstlerin und „sex educator“ – schlicht und schlüssig fest: Die Antwort auf zuviel schlechte Pornografie kann nicht darin bestehen, Pornografie zu verbieten. Sie muss im Gegenteil in mehr Pornografie bestehen, in besserer und vielfältigerer Pornografie.

Seither hat sich zunächst zögerlich, später dann immer vehementer eine Opposition zu dieser in letzter Konsequenz eben nicht nur antisexistischen, sondern auch lustfeindlichen Haltung formiert – der sogenannte sex-positive Feminismus. Und vermutlich hat sich in keiner pornografischen Nische so viel getan seither wie ebendort, denn heute ist Pornografie von weiblichen Filmemacherinnen, aus weiblicher Perspektive und für ein großenteils weibliches, ganz selbstverständlich feministisch überzeugtes Publikum zwar vielleicht noch nicht tief im Mainstream verwurzelt – was angesichts des beklagenswerten Zustands des Porno-Mainstreams auch wenig erstrebenswert scheint –, aber sie behauptet doch beharrlich und entschieden ihre langsam und mitunter schwer erkämpften Positionen in Markt und pornografischem Diskurs.

Eine wichtige Positionierung ist das allemal, denn mit ihren negativen Werturteilen zum Status quo in jener kommerziellen Pornografie, die sich an ein rein männliches, heterosexuelles Publikum richtet, hatten die feministischen Pornogegnerinnen ja im Wesentlichen nie unrecht. Auch wenn es nicht unbedingt so ist, dass der Mann im Standardporno nun das Subjekt zum Objekt der Frau darstellen würde – oder jedenfalls nicht in jeder Hinsicht. Die Frau, ja, erscheint im Mainstream-Porno in gewisser Hinsicht entindividualisiert, als Objekt zur Befriedigung seiner Lust.

Auch der Mann ist aber im standardisierten Hetero-Porno-Sex nicht Subjekt, nicht Individuum – im Grunde ist er in den allermeisten Fällen noch viel gesichtsloser als die Frau, erscheint als bloßes Werkzeug, als Schwanz ohne Körper daran. Aus anderen Gründen freilich, muss er doch letztlich als Stellvertreter eines potenziell jeden männlichen Zuschauers funktionieren können. Und muss sich daher dem detaillierteren Blick so weitgehend entziehen, wie es irgend geht, muss so allgemein und konturenlos bleiben wie möglich über die rein anatomische Funktion seines Geschlechtsteils hinaus, das immer irgendwie auch der Schwanz von Jedermann sein muss.

Die Frau hingegen ist auf andere Weise Objekt, da ihr der Rückzugsraum dieses Unsichtbarwerdens so für gewöhnlich nicht offensteht – sie darf nicht konturenlos bleiben, sondern wird grell bis in die letzte Hautfalte und Körperöffnung hinein ausgeleuchtet. Der feministische Porno nun setzt, immer wieder und mit denkbar unterschiedlichen ästhetischen Strategien, an, dieses Blick- und Machtverhältnis umzukehren, in Zweifel zu ziehen, zu zersetzen.

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