Wer Auto-Action und großes Drama mag, wird diese Netflix-Serie lieben

09.07.2020 - 15:00 UhrVor 2 Jahren aktualisiert
Pierre Gasly, einer der tragischen Helden aus Drive to SurviveNetflix
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Wer Auto-Action und großes Drama liebt, sollte sich unbedingt die Netflix-Serie Formula 1: Drive to Survive anschauen. Aber Vorsicht, ihr könntet deswegen zu Formel 1-Fans mutieren.

Vor ein paar Monaten hätte ich meinen Kenntnisstand über die Formel 1 folgendermaßen zusammengefasst: Michael und Schumacher. Über die Jahre setzten sich Informationsschnipsel in meinem Gehirn fest, aber die waren in etwa so aktuell wie Ferraris letzter Titel.

Ein Sprung in die Gegenwart: Ich binge alte Rennen durch und schmeiße meine antike PlayStation 3 für F1 2012 an. Vergangenes Wochenende startete die Formel 1-Saison 2020 mit Corona-Verspätung in Österreich und ich saß da von Freitag bis Sonntag, wie gefesselt von Trainings, Qualifying und dem chaotischen Rennen.

Meine Freizeitgestaltung drehte sich innerhalb weniger Monate um 180 Grad, als säße Vettel am Steuer. Die Schuld daran tragen Netflix und die ungeheuer spannende, actionreiche und melodramatische Doku-Serie Formel 1: Drive to Survive.

Formel 1 bei Netflix: Drive to Survive überrollte meine Freizeitgestaltung

Nachdem ich die zwei Staffeln von Drive to Survive innerhalb von drei, vier Abenden durchgeschaut hatte, suchte ich nach Alternativen. Es handelte sich schließlich um die frühen Wochen des Corona-Lockdowns, in denen sich die Freizeit auf Updates zu den Sicherheitsmaßnahmen und vollkommene Zerstreuung verteilte.

Schaut euch den Trailer für Drive to Survive auf Deutsch an:

Formel 1: Drive to Survive - Trailer (Deutsch) HD
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Netflix und Amazon Prime stecken voll von Sportdokus und -Serien über Underdog-Fußballclubs aus England, Basketball-Legenden oder abgekämpfte Radrennfahrer. Doch obwohl ich beispielsweise The Last Dance über Michael Jordan genoss, fiel ich danach nicht in ein Loch alter Chicago Bulls-Spiele.

Bei Drive to Survive war das anders. Nach ein paar unbefriedigenden Doku-Seitensprüngen kehrte ich zurück, schaute die Serie nochmal, bis mir nichts anderes übrig blieb, als der PS-starken Wirklichkeit ins Auge zu sehen: Ich muss Formel 1-Rennen schauen, um den Kick zu kriegen.

Bei Netflix mit einer Hauptrolle: Sauber

Mit ein paar alten und einem ganz frischen Rennen hinter mir, fällt die Erklärung leichter: Die Netflix-Serie verdichtet vieles von dem, was die Formel 1 spannend macht. Sie fühlt sich an, als würde man ein 71 Runden langes Rennen in 10 pressen. Vor allem porträtiert sie die Fahrer, was nicht nur Weltmeister Lewis Hamilton von Mercedes oder Ferraris Sebastian Vettel umfasst.

Der Sport wird wie in einer Dramaserie inszeniert

Vettel und Hamilton bleiben zunächst Randfiguren, obwohl sich die 1. Staffel um die Saison 2018 dreht, in der die beiden um den Titel kämpften. Stattdessen lenkt die Serie den Blick auf die Verfolger von Red Bull Racing, das Mittelfeld und die Hinterbänkler.

Kleine und große Handlungsstränge erstrecken sich wie in einer Dramaserie über eine oder mehrere Episoden. Die erste Folge führt im Eiltempo in die Prinzipien des Sports ein, danach entwickelt sich die Konkurrenz von Klassenclown Daniel Ricciardo und Wunderkind Max Verstappen.

Claire Williams führt mit Williams den Rennstall ihres Vaters weiter

Der Überlebenskampf der Traditionsmarke Williams wird ebenso aufgegriffen wie das relativ neue US-Team Haas. Dessen Fahrer und Teamchef rufen durch ihre Eskapaden manch Stromberg-Erinnerung wach.

Action bei Netflix: Die Formel 1 als fantastische Seifenoper

Nur 10 Teams und 20 Fahrer gibt es derzeit in diesen höheren Renn-Sphären. Um die wenigen Plätze wird gerungen, als handle es sich um Rettungswesten. Die junge Wilden und gestandenen Stars rasen um ihr Überleben, was sich nicht nur auf gefährliche Kurven bezieht.

Lebensentwürfe stehen auf dem Spiel. Diesen Druck suggeriert die Serie wirkungsvoll durch Interviews und dramatisch geschnittene Renn-Action. Kinderträume auf der Kart-Bahn gehen über in die nägelkauende Furcht vor dem Sturz aus dem Olymp.

Lewis Hamilton - In Staffel 2 kommt der Weltmeister zu Wort

Drive to Survive inszeniert den Rennsport als dramatische Seifenoper, in der fehlende Sponsorengelder so wichtig sind wie die Armeen aus Game of Thrones. Der beträchtliche Action-Anteil schadet nicht.

Ein großes Film-Vorbild der Netflix-Serie ist offensichtlich

Durch den Action-Anteil wurde ich nämlich erst neugierig auf die Netflix-Serie. Nachdem Kinofilme wie Fast & Furious 9 verschoben wurden, versprach sie den schnellen Fix. Und sie lieferte ab. Dabei ist ein Einfluss unverkennbar: Die Dokumentation Senna von Asif Kapadia. Deren Produzent James Gay-Rees schaltet und waltet auch bei Drive to Survive.

In Senna wurde die Entstehung des tragischen Mythos von Rennfahrer Ayrton Senna durch Originalaufnahmen nacherzählt. Die Netflix-Serie wirkt mit ihren Interviews und Montagen konventioneller. In Sachen Action gelingt ihr jedoch eine ähnlich soghafte Renn-Atmosphäre.

Nico Hülkenberg - In Staffel 2 verliert er seinen Sitz bei Renault

Die Wiedergabe von Renn-Ergebnissen bleibt Nebensache. Vielmehr rücken die Schnittmeister einzelne Fahrer in den Vordergrund. Durch die zackige Montage, spektakuläre Zeitlupen und das tosende Sounddesign steht der Netflix-Zuschauer hautnah an der Strecke.

Drive to Survive erschafft die Helden und Schurken der Formel 1 einfach selbst

Drive to Survive ist zu großen Teilen reine Konstruktion. Das gilt für die Action genauso wie für die künstlich dramatisierten Seitenblicke von Renault-Teamchef Cyril Abiteboul. Die würden nämlich selbst Cersei Lannister das Fürchten lehren. Helden brauchen Bösewichte, also werden in der Serie Fehden angedeutet, die es in dieser Intensität vermutlich nicht gibt.

Wer sich an der einseitigen Darstellung von Konkurrent/Bösewicht Alain Prost in Senna störte, darf sich bei der Netflix-Serie auf einige weit hergeholte Konflikte und aus dem Zusammenhang gerissene Videoschnipsel freuen. Dem Unterhaltungspotenzial dieser Serie nimmt das allerdings wenig.

Für die Vertiefung in Rennstrategien, Reifenmischungen und Pit-Stops eignet sich Drive to Survive nicht. Dafür bietet die Netflix-Produktion einen emotionalen Crashkurs in den oft schwer zu durchschauenden, technikaffinen Sport.

Cyril Abiteboul, Meister der Seitenblicke

Die Formel 1 lebt von großen Geschichten. Auch jenseits der Top-Platzierungen finden sich gescheiterte Träume und überraschende Triumphe.

Bangt die Force India-Belegschaft in Staffel 1 um die Zukunft, kommt dem genauso viel Aufmerksamkeit zu wie der Rivalität zwischen Sebastian Vettel und Charles Leclerc beim reichen Team Ferrari. Wenn Nico Hülkenberg nach über 160 Grand Prix-Teilnahmen in Hockenheim haarscharf an seinem ersten Podium vorbeifährt, gehört das sogar zu den schmerzhaftesten Momenten der 2. Staffel.

Drive to Survive schaufelt das menschliche Drama eines Sports frei, der durch die Dominanz einzelner Teams und Fahrer extrem einförmig wirken kann.

Das fantastische Rennen in Österreich bestätigte meine junge Formel 1-Liebe

So schaute ich mich also nach dem Mehrfach-Binge von DTS durch legendäre Rennen. Ich sehnte mich nach einer ganzen Netflix-Staffel über die Saison 2012, in der Fernando Alonso trotz suboptimalem Auto ganz nah dran war am Titel - und ihn trotzdem verlor. Die Realität, das wird nach Ansicht der großen Rennen nämlich schnell klar, ist noch spannender als die Erzählung in Drive to Survive.

Sebastian Vettel beginnt seine letzte Saison für Ferrari

Dann war es endlich so weit. Beim Großen Preis von Österreich kehrten die 10 Teams unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen zurück.

Lewis Hamilton setzte mit den anderen Fahrern ein Zeichen gegen den Rassismus. Die aus diesem Anlass schwarz lackierten Mercedes-Autos dominierten das Training, als wäre Darth Vader der Teamchef.

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Die Verschwörungstheorien um Ferraris Motor-Mogeleien in der letzten Saison wurden durch das katastrophale Qualifying angeheizt. Racing Point schoss mit einem offensichtlich von Mercedes kopierten Auto in die vorderen Ränge. Da hatte das Rennen noch nicht einmal angefangen.

Ein fantastisches Rennen war es übrigens, in dem Hamilton in der letzte Runde seinen Podestplatz verlor. Lando Norris, einer der jungen Wilden aus dem Mittelfeld versprühte sozial distanziert den Sekt. Das Beste an der Sache: Das Netflix-Team war vor Ort für Staffel 3.

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