Nicolas Cage, der pure Wahnsinn auf der Leinwand

20.03.2013 - 08:50 UhrVor 11 Jahren aktualisiert
Nicolas Cage in Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen
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Nicolas Cage in Bad Lieutenant - Cop ohne Gewissen
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Keiner dreht vor der Kamera so sehr frei, keiner ist dabei so gut wie er. Doch der in zahlreichen Videos zelebrierte Internetkult um ihn scheint bestenfalls ironisch gemeint, obwohl Nicolas Cage der unfassbarste Schauspieler unserer Zeit ist.

Es gibt eigentlich keinen halbwegs vernünftigen Grund, sich einen DreamWorks-Film anzusehen. Das ist bei Die Croods nicht anders, er ist so nachweislich grässlich wie etwa Shrek – Der tollkühne Held oder Madagascar, also wie nahezu jeder DreamWorks-(Nachtrag: eben nicht nur Animations-)Film. Doch die ollen Croods, ab morgen in den Kinos, verdienen es zumindest gehört zu werden. Weil Nicolas Cage darin die männliche Hauptrolle spricht, im Original zumindest. Nicolas Cage ist der einzige Grund, diese Kolumne mit einem DreamWorks-Film einzuleiten. Er ist für mich der einzige Grund, überhaupt einen Film sehen zu wollen, an dem er mitgewirkt hat. Er ist sogar der einzige Grund, einen Film vorzeitig abzubrechen, wenn eine von ihm gespielte Figur bereits nach der Hälfte das Zeitliche segnet. Und er ist der absolut einzige Grund, warum ich mich regelmäßig durch etwa ein halbes Dutzend grauenerregender Filme jährlich quäle, nur um ihn darin bewundern zu können. Nicolas Cage ist der unfassbarste Schauspieler unserer Zeit. Eine Urgewalt, die das einlöst, was über Klaus Kinski, Al Pacino oder Sean Penn zuweilen lediglich behauptet wird: Den puren Wahnsinn auf die Leinwand zu bringen.

Die unstillbare Lust nach mehr
Um Missverständnisse auszuräumen: Dieses neuerlich ironiegetränkte, in Zusammenhang mit allzu abgenutzten Begriffen wie Trash und Kult gebrachte Abfeiern eines solchen Ausnahmeschauspielers ist mir zuwider. Natürlich gehe auch ich in die Knie, wenn Nicolas Cage auf YouTube seine Best-Of-Runde dreht, natürlich erfreue auch ich mich zuvorderst am schieren Irrsinn seiner schauspielerischen Ultrakunst. Doch statt ausschließlich darüber zu lachen, es unter Fun, bloßer Verrücktheit oder dem schnell gefällten Overacting-Urteil zu subsumieren, lässt es mich vor Ehrwürdigkeit erstarren, lässt es mich nicht mehr los. Zumindest aber weckt es eine fast unstillbare Lust nach mehr, nach mehr Nicolas Cage, nach mehr transzendierendem Acting-Wahnsinn, nach mehr Sonderbarem, wie es recht selten, im Kino offenbar sogar unmöglich geworden ist. Ich bin fast enttäuscht, wenn Nicolas Cage sein Talent an Gewöhnlichkeiten verschwendet, an das Milde, das Normale und Gebändigte, an langweiliges Qualitätskino wie Leaving Las Vegas – Liebe bis in den Tod (und ähnlich ambitionierten Murks) oder fett budgetierte High-Profile-Produktionen (Stadt der Engel, Nur noch 60 Sekunden, Das Vermächtnis der Tempelritter), die leider genau das von ihm erwarten und -fordern.

Fünf zentrale Cage-Meisterwerke
So viel zum Pathos. Die angedeutete Allmacht des Aberwitzigen, des wunderbaren Widersinns, läuft in fünf zentralen Meisterwerken Cageschen Schauspiels zur Hochform auf. Vampire’s Kiss zeigt einen Nicolas Cage, der mehr noch als im vorherigen (und diesbezüglich leicht überschätzten) Arizona Junior vollständig dem Wahnsinn anheim gefallen ist. An exaltierter, bewusst komödiantischer Anti-Grandezza ist dessen Darstellung eines scheinbaren Großstadtvampirs schlicht nicht zu überbieten. In Kiss Of Death verbindet sich dieses psychotronische Schauspiel noch mit einer physischen Aggressivität, die statt vergnüglich eher ungemein bedrohlich und interessant vorzeichenverkehrt erscheint. Der massiv unterschätzte Wicker Man – Ritual des Bösen hingegen zeigt Nicolas Cage wiederum als schutzbedürftigen Polizeiermittler (die Szenen, in denen er lässig mit dem Fahrrad über die Insel fährt, gehören zu den schönsten seiner Karriere), dessen begnadenswert absurde finale Prügelattacken gegenüber Frauen vom berühmten, großartigen Hilfeschrei „The bees, ahhh, my eyes!“ abgelöst werden. In Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen, einem anderen, gleichsam fantastischen Remake, dreht Cage gleich von Minute eins an frei – Werner Herzog weiß dessen Extravaganz wie kein anderer in ultimatives Schauspiel zu übersetzen. Die Kritik verglich ihn da vorschnell mit Klaus Kinski, doch der war natürlich nie annähernd so gut wie Cage.

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