Oscar im Rückblick - Kontroverse Entscheidungen der Academy

18.02.2015 - 08:50 UhrVor 9 Jahren aktualisiert
Auch Citizen Kane ging seinerzeit leer aus, heute gilt der Film als Meilenstein.StudioCanal
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Erneut steht die Oscar-Verleihung vor der Tür und Hollywood lädt ein, um sich vornehmlich selbst zu feiern. Doch auch bei der Academy ist nicht alles Gold, was glänzt, weshalb es in der Vergangenheit schon zu manch zweifelhafter Entscheidung kam.

Der samtweiche rote Teppich wird sorgfältig ausgerollt, der Saal auf Hochglanz poliert und die begehrten Goldjungen selbst sind bereit zur finalen Gravur. Der Duft von Glamour liegt in der sonst vom Smog verpesteten Luft L.A.s. Es ist wieder so weit, die Academy lädt zum 87. Mal jeden, der Rang und Namen in Hollywood hat, ein, der bekannten Verleihung der schick glänzenden Oscars beizuwohnen. Ins Leben gerufen, um das Medium Film als ernst zu nehmende Kunstform zu stärken, lag die Jury in den vergangenen Jahren jedoch das ein oder andere Mal daneben und fand offenbar nicht den Mut für die wirklich richtigen Entscheidungen. Wir haben Bücher gewälzt, in den Archiven gestöbert und den sinnbildlichen Keller voller Leichen durchsucht, um am Ende tapfer einige kontroverse Entscheidungen der Academy anzuprangern.

Mehr: Oscars 2015 - Alle Informationen zur Verleihung findet ihr hier

Persönlich schmerzt mich vor allem die fehlenden Auszeichnung (abgesehen vom Special-Effects Oscar) für Stanley Kubrick. Bereits in jungen Jahren zog der spätere Regisseur mit einer einfachen Kamera durch die Gassen der Stadt und knipste Fotos mit beinahe magischer Anziehungskraft. Auch seine späteren Filme besaßen dieses ganz besondere Etwas, das auch mich sofort fasziniert auf die perfekt ausgerichteten Bilder starren ließ. Vor allem 2001: Odyssee im Weltraum lässt mich bis heute nicht mehr los. Dazu gesellt sich auch Kollege Alfred Hitchcock, der zeit seines Lebens bei den Oscars ebenfalls leer ausging (bis auf einen Ehrenpreis). Doch auch heute noch bleiben talentierte Stars nicht vor dem Oscar-Fluch verschont. Seit Jahren müht sich Leonardo DiCaprio vergeblich ab und auch Martin Scorsese wurde zu spät und mit Departed - Unter Feinden für den falschen Film von der Academy ausgezeichnet. Ein weites Feld also, weshalb wir uns in diesem Artikel lediglich auf die prestigeträchtige Kategorie des Besten Films konzentrieren werden.

Wenn der Beste Film im Strom der Zeit untergeht

Das Beste kommt zum Schluss. Auch die Oscars halten sich seit jeher an diesen einfachen Leitsatz und prämieren erst zum Ende der prestigeträchtigen Verleihung den ihrer Meinung nach herausragendsten Film des Jahres. Eine Kategorie, deren Prämisse selbst eine unglaubliche Bürde darstellt. Jedes Jahr erfreuen uns verschiedenste Streifen auf die unterschiedlichste Weise und sind dabei so vielseitig wie das Leben selbst. Aus dieser Masse an Material die wirklich besten Minuten audiovisueller Unterhaltung herauszufischen, ist wahrlich keine einfach Aufgabe. Jedoch scheinen einige Entscheidung der fachkundigen Jury nicht aus möglichst objektiver Sicht heraus zu enstehen, sondern massiv vom vorherrschenden Zeitgeist und von gefühlt konservativen Einstellungen gelenkt zu werden. So triumphierte erst 2006 mit L.A. Crash ein - zugegeben - ergreifendes Drama über den ebenfalls nominierten Brokeback Mountain, in welchem Heath Ledger und Jake Gyllenhaal zwei Cowboys spielen, die sich, zunächst unfreiwillig, ineinander verlieben. Obwohl auch L.A. Crash ohne Zweifel eine politische Note hatte, wäre die Geschichte über eine tragische Liebe zweier Männer die perfekte Gelegenheit gewesen, auch in der Traumfabrik endlich mit der Zeit zu gehen und ein wichtiges Statement zu setzen. Eine Chance, die leider verpasst wurde, da die Verantwortlichen mit dem soliden Drama auf Nummer sicher gingen. Ein aktuelleres Beispiel für verpasste Möglichkeiten bietet David Finchers The Social Network. Ein Werk, welches gekonnt die moderne Kultur und deren wohl stärksten, digitalen Auswuchs thematisiert, ohne dabei direkt zu verurteilen. Jedoch überwog auch hier konservatives Denken gegenüber der Progression, weshalb die kreativen Köpfe hinter The King's Speech - Die Rede des Königs am Ende strahlend den Saal verließen, während Fincher & Co. in die Röhre schauten.

Die besten Jahre unseres Lebens von William Wyler dagegen nutzte 1946 die damals turbulente Zeit gekonnt für sich und erschien überaus passend in den Nachwehen des Zweiten Weltkriegs. Das durchaus bewegende Drama erzählt dabei die Geschichten von drei gebeutelten Kriegsveteranen, die mit den Schrecken der Vergangenheit zu kämpfen haben und sich nach Jahren des erbitterten Kampfes sichtbar schwer tun, in die zivilisierte Gesellschaft zurückzukehren. Die klassischen Klischees, die der Film gekonnt mit einer Prise Kitsch vereint, würden heute wohl als typischer Oscar-Bait bezeichnet werden. In einem anderen Jahr hätte dieses Rezept durchaus die Berechtigung gehabt zu gewinnen, jedoch erschien in dieser Saison auch Frank Capras Ist das Leben nicht schön?. Eine ergreifende Ode an die Wertigkeit des Lebens, die bis heute weltweit Anerkennung erhält und stets zur Weihnachtszeit in zahllosen Haushalten in der Flimmerkiste läuft. Ein wahres Kunstwerk, welches bahnbrechendes Storytelling mit grandiosem Schauspiel vereint und darüber hinaus noch brillant in Szene gesetzt wurde. Ein Klassiker, der diesen ehrenhaften Rang mit Recht trägt und damals zu Unrecht von der Academy in der wichtigsten Kategorie übergangen würde. In die selbe Kerbe schlug 2010 übrigens Tödliches Kommando - The Hurt Locker, der sich mit seiner für den Moment treffenden Thematik gegen A Serious Man von den Coen-Brüdern durchsetzen konnte.

Ein Meilenstein ohne goldende Krönung

Besonders brisant jedoch wirkt aus heutiger Sicht das im Jahre 1942 als Bester Film prämierte Werk So grün war mein Tal. Zweifelsohne war John Ford ein wirklich begnadeter Regisseur, der mit Meisterwerken wie Der Verräter und Früchte des Zorns die Filmlandschaft wie wir sie heute kennen maßgeblich mit geprägt hat. Jedoch hat er mit dem Drama, in diesem ohnehin schon cineastisch starken Jahr, nicht seine überzeugendste Leistung zum Besten geben und dennoch den begehrten Goldjungen gewonnen. Dabei erblickte im selben Jahr mit Citizen Kane ein Stück Zelluloid das Licht der Leinwand, welches als eines der bedeutendsten Werke aller Zeiten in die Filmgeschichte eingehen sollte. Orson Welles' Drama erzählt vom fiktiven Leben des Medienmagnaten Charles Forster Kane und revolutionierte die Welt des Kinos sowohl in technischer als auch in narrativer Sicht. Ein grober Schnitzer, den sich die Academy damals also erlaubte.

Nichtsdestotrotz bleiben die Oscars auch bei mir eines der größten filmischen Highlights des Jahres, welches ich nicht missen möchte. Jeder Film im Wettbewerb ist auf seine Art besonders und verdient es meist, zumindest im Feld der Nominierten zu sein. Die diesjährige Oscar-Verleihung findet am 22. Februar 2015 im Dolby-Theater in Los Angeles statt.

Welcher Film hätte eurer Meinung nach einen Oscar verdient gehabt, ist aber dann bei der Verleihung gescheitert?

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