Community

Serien Review - Sherlock

01.02.2017 - 11:00 UhrVor 7 Jahren aktualisiert
Sherlock
BBC
Sherlock
0
2
Nachdem die 4. Staffel mit The Final Problem ihren Abchluss gefunden hat, kann ich der Serie Sherlock endlich (den schon lange überfälligen) Artikel in meiner Rubrik #Lieblingsserien widmen. Kaum eine andere Serie hat mich so sehr begeistert und emotional bewegt wie Sherlock, und das nun seit bald 7 Jahren. Aber was macht Sherlock so gut? Wie hat sich die Serie innerhalb der letzten Staffeln entwickelt? Und konnte Staffel 4 den Erwartungen standhalten? Diesen Fragen und noch viel mehr werde ich folgenden Artikel nachgehen, wobei ich mich auch mit kritischen Anmerkungen nicht zurückhalten werde. Denn auch Lieblingsserien sind nicht perfekt und dürfen kritisiert werden. Aber genug geredet: the game is on!

*Vorsicht vor möglichen Spoilern zu Staffel 4*

Alles begann vor sechs Jahren an einem kalten Wintertag im Jahr 2011. Ein Filmabend mit Freunden. Ohne diesen schicksalhaften Abend hätte ich Sherlock vielleicht gar nicht für mich entdeckt. Auf jeden Fall wäre mehr Zeit vergangen bis ich diese wunderbare BBC Serie für mich entdeckt hätte, denn ich muss gestehen, dass ich damals noch nicht so seriensüchtig war wie heute. Im Nachhinein ärgert es mich fast schon, dass ich Sherlock damals nicht schon am ersten Tag der Austrahlung im Sommer 2010 für mich entdeckt habe. Wie auch immer, zurück zum Filmabend. Jemand schlug enthusiastisch die Serie Sherlock vor und schon landete die DVD im Player. 270 Minuten später war es vorbei und ich war begeistert und verblüfft zugleich. Begeistert aufgrund der Machart der Serie, den spritzigen Dialogen und den spannenden Fällen. Verblüfft aufgrund des Cliffhangers am Ende - ihr erinnert euch vielleicht: die dritte Folge der ersten Staffel, "The Great Game", endet mit einem packenden Showdown zwischen Sherlock, John und Moriarty. Aufgelöst wird diese Situation vorerst nicht, "The Great Game" endet mit einer Szene, in der Scharfschützen auf Sherlock und John zielen. Bei Sherlock wusste man schon von Anfang an, wie man die Zuschauer mit dramatischen Cliffhangern terrorisiert.

Aber was macht Sherlock als Serie so gut? Was zeichnet die BBC Serie aus? Es gibt viele Gründe diese Serie zu lieben, der erste und wichtigste Grund ist wohl die geniale Idee der Macher, Sherlock Holmes und Doktor Watson im 21. Jahrhundert wieder auferstehen zu lassen. Auf einer Zugfahrt von Cardiff nach London kam Steven Moffat und Mark Gatiss plötzlich die Idee, wie es wohl wäre, wenn Sherlock Holmes und John Watson in der heutigen Zeit leben würden. Anstoß war John Watsons Beteiligung am Zweiten Anglo-Afghanischen Krieg, auch heute spielt das Thema Krieg in Afghanistan leider immer wieder eine Rolle. Mit dem Entdecken dieser Parallele war die Idee für die Serie Sherlock geboren - Zugfahrten sind wohl eine besondere Quelle der Inspiration. Auch die Idee für einen gewissen Zauberlehrling hatte ihren Ursprung auf einer Zugfahrt von Manchester nach London.

Besonders beeindruckend ist die detailgtreue Art und Weise, wie die Geschichten von Arthur Conan Doyle in die heutige Zeit förmlich "übersetzt" wurden. Statt Telegrammen verschickt Sherlock Holmes Nachrichten von seinem iPhone. Der ewige Pfeifenraucher des 19. Jahrhunderts versucht sich heutzutage als mehr oder weniger erfolgreicher Nichtraucher. John Watson publiziert seine Erzählungen über die Fälle und Abenteuer von Sherlock Holmes nicht mehr im Strand Magazine, sondern hat standesgemäß für das 21. Jahrhundert seinen eigenen Blog. Sherlock übrigens auch, zu seinem Ärger wird Johns Blog jedoch häufiger gelesen als sein Sherlocks Aufsätze über Unterschiede von Tabakarten. Dies sind nur einige Beispiele von vielen, die zeigen, wie es der Serie gelingt Sherlock Holmes ins 21. Jahrhundert zu versetzen. Zudem gibt es zahlreiche Anspielungen und Referenzen auf Fälle, Charaktere und andere Elemente der originalen Geschichten von Conan Doyle - man merkt bei der Folge, dass Steven Moffat und Mark Gatiss echte Fans der Sherlock Holmes Romane sind. Das merkt man schon allein bei der Namensgebung der einzelnen Folgen. Aus A Study in Scarlet, dem ersten Sherlock Holmes Roman von 1887, wird "A Study in Pink", Name der allerersten Sherlock Folge. Aus A Scandal in Bohemia wird "A Scandal in Belgravia", The Empty House wird zu "The Empty Hearse" oder, um ein Beispiel aus der vorerst letzten 4. Staffel zu nenen, aus The Six Napoleons wird "The Six Thatchers". Der Serie gelingt es geschickt Original mit Neuinterpretation zu verknüpfen. Die Grundelemente von Conan Doyles Geschichten bleiben erhalten, werden für die Serie aber ins 21. Jahrhundert "übersetzt" und gleichzeitig mit neuen Ideen kombiniert.

Zudem überzeugt Sherlock mit seiner spannenden und zugleich intelligenten Art des Storytellings (vor allem in Staffel 1 und 2, aber dazu später mehr). Die Serie ist geprägt von sprizigen Dialogen, Wortgefechten zwischen Sherlock und John, aber auch von emotionalen und dramatischen Momenten. Immer wieder gibt es unvorhergesehene Wendungen und spannende Cliffhanger - langweilig wird es mit Sherlock nie. Die starken Drehbücher tragen auch maßgeblich dazu bei, dass die Charaktere, sei es nun Sherlock Holmes (Benedict Cumberbatch) selbst, John Watson (Martin Freeman) oder Nebencharaktere wie Mrs Hudson (Una Stubbs), Lestrade (Rupert Graves), Molly Hooper (Louise Brealey) oder Mycroft (Mark Gatiss) vollends überzeugen können. Nicht zu vergessen unser liebster Bösewicht und Napoleon des Verbrechens, Jim Moriarty (Andrew Scott). Den Drehbüchern, und erneut muss ich betonen, ganz besonders in Staffel 1 und 2, gelingt es alle Charaktere gekonnt in die Handlung einzubinden und ihnen ein Profil zu verleihen. Selbst Figuren, die weniger Screentime haben, gehen nicht unter, sondern fügen sich in harmonisch in die Geschichte ein. Kein Charakter wirkt blass oder fehl am Platz. Die Stärke der Charaktere liegt natürlich auch den herausragenden Leistungen der Schauspieler, und das durchgehend von der ersten bis zur vierten Staffel. Egal ob Haupt- oder Nebendarsteller, die Schauspieler passen zu ihren Rollen und liefern stets starke Leistungen ab.

Sherlock Holmes ist einerseits der geniale Detektiv (oder um den Fachausdruck zu verwenden, Consulting Detective), der sieht, was andere nicht sehen und der Polizei immer meilenweit voraus ist, wenn es darum geht komplizierte Fälle zu lösen. Andererseits ist Sherlock aber nicht immer die emotionslose, rein logisch denkende Maschine, auch wenn er gern vorgibt dies zu sein. Sherlock Holmes, und je weiter die Serie voranschreitet, desto mehr sehen wir davon, hat auch eine menschliche Seite und ist möglicherweise, wenn auch nicht vielleicht auf den ersten Blick, emotionaler als viele anderen. Benedict Cumberbatch gelingt es auf wunderbare Art und Weise diesen komplexen und oft auch zerrissenen Charakter darzustellen. Das gleiche gilt für Martin Freeman als Doktor John Watson. Freeman schafft es John Watson eine emotionale und charakterliche Tiefe zu geben, etwas, das vielen Sherlock Holmes Verfilmungen früherer Tage, in denen Watson eher nur eine Ergänzung zum genialen Sherlock Holmes ist, nicht gelungen ist. John Watson ist viel mehr als Sherlocks Sidekick, er ist sein emotionaler Kompass und Freund, der ihm immer wieder zur Seite steht, wenn es drauf ankommt. Im Laufe der Serie wird ihre Beziehung, die durchaus von Höhen und Tiefen geprägt ist (vor allem in Staffel 3 und 4), immer enger. Zudem stimmt die Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern. Ohne diese wären die Wortgefechte nur halb so unterhaltsam. So wie sich Sherlock und John immer wieder in verschiedenen Situationen ergänzen, so ergänzen sich Cumberbatch und Freeman auf schauspielerischer Ebene - man hätte die beiden Hauptcharaktere einfach nicht besser besetzen können.

Die Serie verfügt außerdem über eine außergewöhnlich gute Cinematographie, die immer wieder aufs Neue begeistert. So werden Sherlocks Schlussfolgerungen und Gedankengänge sofort eingeblendet - eine geniale Idee. Die Gedanken werden praktisch visualisiert und das Ganze wirkt dynamischer und schneller, als wenn Sherlock einfach nur aus dem Off seine Ideen erklären würde. Besonders bemerkbar macht sich der Vorteil der Einblendungen wenn sich Sherlock in seinem Mind Palace (oder Gedankenpalast) befindet und in rasender Geschwindigkeit verschiedene Ideen in Betracht zieht und andere wieder verwirft. Mit einer Stimme aus dem Off wäre es niemals möglich gewesen all diese Gedankengänge anschaulich und verständlich darzustellen. Davon abgesehen werden auch Textnachrichten immer wieder eingeblendet, als Beispiel sei die denkwürdige Pressekonferenz der Metropolitan Police zu Beginn von "A Study in Pink" genannt. Auch sonst beeindruckt Sherlock mit seiner kreativen Art das Geschehen in Szene zu setzen. Seien es Zeitlupen, eine besondere Farbwahl oder Perspektivwechsel - die Cinematographie weiß immer zu überzeugen. So mancher Kinofilm könnte sich davon mal eine Scheibe abschneiden.

Um dem Ganzen noch die Krone aufzusetzen verfügt Sherlock über einen tollen Soundtrack, der perfekt zur Serie passt. David Arnold und Michael Price sind ein Duo, das man sich merken sollte. Sie zeigen sich seit Staffel 1 für den Score verantwortlich und haben bisher stets für die passende Untermalung gesorgt. In jeder Staffel gibt es einerseits neue Kompositionen zu entdecken, andererseits tauchen bereits bekannte Elemente immer wieder auf. Somit ist der Soundtrack nie eintönig, gleichzeitig weiß man jedoch sofort, dass sich hier um die Serie Sherlock handelt. Wer Filmmusik mag und den Score von Sherlock noch nicht kennt, sollte unbedingt mal reinhören - es lohnt sich!

Nachdem ich mich zuerst allgemein ein wenig (so mancher mag vielleicht sagen, in endloser Breite) über Sherlock ausgelassen habe, ist es nun an der Zeit einen Blick auf die verschiedenen Staffeln zu werfen. Wie hat sich Sherlock von Staffel 1 bis 4 entwickelt? Welche Unterschiede gibt es? Und wie lässt sich diese Entwicklung bewerten und einordnen? All diesen Fragen werde ich im folgenden Abschnitt nachgehen.

Die ersten beiden Staffeln sind meine absoluten Favouriten. Zur ersten Staffel gehören die Folgen "A Study in Pink" (Ein Fall von Pink), "The Blind Banker (Der blinde Banker) und "The Great Game" (Das große Spiel). Die zweite Staffel besteht aus "A Scandal in Belgravia" (Ein Skandal in Belgravia), "The Hounds of Baskerville" (Die Hunde von Baskerville) und "The Reichenbach Fall" (Der Reichenbachfall). Die völlig perfekte Fernsehserie gibt es wohl nicht, aber die ersten beiden Sherlock Staffeln sind zumindest ganz nah dran. Die erste Staffel feierte im Sommer 2010 ihre Premiere, während die zweite Staffel im Januar 2012 erstmals ausgestrahlt wurde. Interessanterweise plante man bei der BBC zu Beginn mit einem völlig anderen Format. Es entstand ein Pilotfilm mit der Länge von 60 Minuten, der jedoch nach einer Erstsichtung wieder verworfen wurde. Man beschloss die Länge der einzelnen Folgen auf 90 Minuten zu verlängern, eine Staffel bekam drei Folgen. Dieses Konzept wurde über die bisher vier Staffeln beibehalten.

Dieses, auf den ersten Blick eher ungewöhnliche Format, funktioniert perfekt in den ersten beiden Staffeln. Die Fälle stehen stets im Mittelpunkt und die lange Laufzeit von 90 Minuten ermöglicht es diese komplex, spannend und vielfältig zu gestalten. Die Fälle, die Sherlock und John lösen müssen sind nie langweilig oder vorhersehbar. Sie sind ungewöhnlich, anspruchsvoll und meilenweit entfernt von dem tristen Einheitsbrei, den man oft in anderen Krimiserie geboten bekommt. Die 90 Minuten pro Folge machen es zudem möglich, mehrere Fälle von Doyles Originalgeschichten miteinander zu kombinieren. Auch eigene Ideen lassen die Macher immer wieder miteinfließen - das Ergebnis ist ideale Kombination aus Spannung, Humor und Drama. Es gibt innerhalb der ersten beiden Staffeln schlichtweg keine schlechte Folge. Das ist im Serienbereich keine Selbstverständlichkeit.

Die einzelnen Episoden funktionieren als eigenständige Geschichten, innerhalb einer Staffel wird jedoch gleichzeitig auch eine übergeordnete Geschichte erzählt. So lauert Moriarty stets im Hintergrund, er zieht seine Fäden, beeinflusst immer wieder das Geschehen. Sherlock Holmes nähert sich schrittweise dem Napoleon of Crime, immer wieder entdeckt er Verbrechen, die im Zusammenhang mit Moriarty stehen. In "The Great Game" (S01E03) trifft Sherlock erstmals auf Moriarty, in "The Reichenbach Fall" (S02E03) begegnen sie sich wieder, doch diesmal endet ihre Begegnung für einen von beiden tödlich. Jede Staffel verfügt somit über einen klaren Höhepunkt sowie einen dramatischen Cliffhanger.

Moriarty selbst ist ein weiteres Highlight der ersten beiden Staffeln. Moriarty, der Westwood tragende Napoleon of Crime, hilft anderen Kriminellen ihre Verbrechen besser begehen zu können. Er selbst operiert im Hintergrund, hat jedoch überall seine Augen und Ohren. So genail wie Sherlock Holmes Verbrechen bekämpft, so genial werden sie James "Jim" Moriarty begangen. Mit Andrew Scott hat man genau den richtigen für die Rolle gefunden. Noch nie habe ich jemanden gesehen, der Moriarty so überzeugend dargestellt hat. Moriarty ist stets unberechenbar und schwer einzuschätzen. Zugleich ist er ein idealer Gegner für Sherlock Holmes, die beiden ähneln sich in manchen Punkten, während sie sich in anderen unterscheiden. Ein guter Bösewicht ist immer entscheidend für den Erfolg einer Geschichte - Moriarty ist genau das.


Weiter geht's auf der nächsten Seite mit Staffel 3 und dem Special "The Abominable Bride" (Die Braut des Grauens).


Das könnte dich auch interessieren

Angebote zum Thema

Kommentare

Aktuelle News