Marvel-Star Gwyneth Paltrow ist nicht nur für ihr Schauspiel bekannt, sondern seit einigen Jahren auch für ihre Lifestyle-Marke Goop . Diese hat nun gemeinsam mit Netflix The Goop Lab with Gwyneth Paltrow ins Leben gerufen, eine der vielleicht bizarrsten Serien des Jahres. Es soll um ungewöhnliche Therapiemethoden und Lebenserfahrungen gehen. Aber wie (un)problematisch ist diese Pseudo-Dokureihe eigentlich?
Ich schultere pflichtbewusst mein Handtuch, packe die Gesichtsmaske aus und begebe mich für euch in dieses sagenumwobene Goop-Labor.
- The Goop Lab ist zumeist viel heiße Luft vor Pastellhintergrund
- Thema sind (sehr) alternative Methoden für Therapie und Selbstoptimierung
- Die Serie könnte ein paar Denkanstöße geben
- Die undifferenzierte Behandlung bestimmter Themen ist aber ein großes Risiko
- Jeder und vor allem jede, die das Thema interessiert, kann sich aber bedenkenlos Episode 3, "The Pleasure is Ours", ansehen. Die ist tatsächlich gut gemacht.
Viel hübsche Bilder, viel Aufgesetztheit: The Goop Lab ist furchtbar künstlich
Die erste Folge dreht sich um den Einsatz psychoaktiver Substanzen als Therapiemethode. In diesem Fall speziell Psilocybin, der Wirkstoff halluzinogener Pilze. Gwyneth Paltrows Goop-Team möchte seinen Geist öffnen und auf dem Trip alte Traumata verarbeiten. Alles, wie mehrfach betont, in einem "therapeutischen Setting".
Wir folgen den Teammitgliedern, wie sie fröhlich in den Flieger steigen, den Therapeuten zuhören und schließlich in ihrem Trip aufgehen. Anscheinend soll ich dabei eine Verbindung zu den Leuten aufbauen, doch das Gefühl, einfach nur dem Privatvergnügen einer privilegierten Minderheit beizuwohnen, lässt sich nicht abschütteln. Was sich noch viel mehr aufdrängt, ist das Gefühl der absoluten Künstlichkeit.
Es ist weniger der
Inhalt (der das Potential hätte, intim und investigativ zu werden),
sondern vielmehr die Machart. Der Schnitt ist gekünstelt. Wenn ich jedes Mal, wenn sich jemand öffnet, direkt einen Gegenschnitt
zu einem ultra-verständnisvoll nickenden Freund oder Therapeuten sehe,
fühlt sich das Ganze nur noch inszeniert an.
- Mehr Bizarres von Netflix:
Das 2-Minuten-Experiment
zu Netflix neuer Zählweise
Style over Substance: The Goop Lab verschenkt sein Potential
Alles ist stromlinienförmig
zusammengestückelt wie ein Hochglanzmagazin. Der Inhalt könnte faszinierend sein, denn im Grunde genommen geht es um alternative
Therapiemethoden für Menschen, bei denen die Schulmedizin scheiterte. Das
ist potentiell ein interessanter Einblick in Methoden, die manchen Menschen vielleicht wirklich helfen könnten.
Doch die wissenschaftliche oder zumindest sachliche
Auseinandersetzung wird immer wieder durch die Inszenierung gestört. Ich
tue mich unendlich schwer, einem Experten ernsthaft zuzuhören, wenn er
eindeutig wie ein Dekoelement auf die Pastell-Farbgebung von Studio,
Gwyneth Paltrows Rock und dem bonbonrosa Kostüm ihrer Contentmanagerin
abgestimmt ist.
Wenn es ganz ungünstig läuft, wie in Folge 2, die sich mit der von Wim Hof entwickelten Kältetherapie beschäftigt, kann die Inszenierung einen interessanten Ansatz sogar ins Lächerliche ziehen.
Schnitt und Darstellung, die Wahl der Bilder (Wim Hof mit beinah
manischem Gesichtsausdruck, ein Patient erzählt, während er einen Spagat hinlegt)
nehmen dem Ganzen enttäuschenderweise das Gewicht und die Ernsthaftigkeit.
Zu viel Offenheit ist auch keine Lösung: The Goop Lab ist potentiell gefährlich
The Goop Lab
with Gwyneth Paltrow könnte eine gute Dokureihe sein. Stattdessen untergräbt sie die Wirkung der eigenen Themen, nimmt Profis die Möglichkeit zur Offenheit, und ist eine gefährliche Quelle von
Halbwahrheiten und Unreflektiertheit.
Zwar wird vor entsprechenden Episoden betont, dass die Serie nur unterhalten und informieren wolle, und der Rat eines Arztes bei ernsten Themen unerlässlich sei. Doch das verkommt zur Randnotiz in einer Episode, die psychedelische Drogen beinah zum Allheilmittel hochstilisiert.
Zugleich antwortet der herangezogene "Experte" auf die Frage, ob unser Körper Trauma abspeichert, nur mit "Ich glaube schon". Extremes Trauma
kann sogar die äußere Struktur
unserer DNA verändern und weitervererbt werden, Herr Experte!
- Mehr Umstrittenes:
Kontroverse Netflix-Serie Messiah soll in einem Land verboten werden
Team Paltrow nickt die Aussagen aber einfach begeistert ab. Es fehlt eine gesunde Skepsis. Differenzierte Sichtweisen
Gegenargumente oder Fallbeispiele mit nicht nur positiven Erfahrungen sucht man vergebens. Alles ist gut, alles ist toll,
nichts ist riskant.
Wie wichtig professionelle Überwachung bei bestimmten Techniken ist, wird untergraben.
Ich will Fräulein Paltrow nicht einmal böswillige Motive und pure Geldgier unterstellen (auch wenn ich guten Grund dazu hätte). Vielmehr habe ich das Gefühl, dass keiner der Beteiligten es besser wusste. Keiner kam auch nur auf die Idee, kritisch zu hinterfragen. Diese Blauäugigkeit ist so enthusiastisch dargestellt, dass sie ebenso gefährlich ansteckend ist wie gewisse Viren, die derzeit die Medien beherrschen.
Mit sehr viel Vorsicht genießen: The Goop Lab ist dennoch faszinierend
So problematisch die Herangehensweise der Redaktion auch ist: The Goop Lab beschreitet faszinierende Wege. Wer neugierig und offener ist, was alternative Therapien angeht, kann sich das gerne zu Gemüte führen, sollte aber eigene Recherchen anstellen und nichts für bare Münze nehmen.
Die Serie wird dann gut, wenn ihr die böse Wissenschaft nicht in die Quere kommt. Ausgerechnet die Folge über sexuelle Emanzipation bei Frauen mit die Interessanteste. Eine redelastige, sehr persönliche und intime Geschichte scheint eine sichere Komfortzone für das Goop-Team zu sein. Jedem, der hier nicht zimperlich ist, lege ich die Episode tatsächlich für ihre Ehrlichkeit ans Herz.
Beim Rest aber bitte, bitte vorsichtig sein. Und vielleicht nicht unbedingt auf Magic Mushrooms schauen, das könnte eventuell traumatisieren.
Als Basis für diesen Seriencheck dienten die ersten drei Episoden von The Goop Lab. Die 1. Staffel, die seit dem 24. Januar 2020 auf Netflix ist, umfast insgesamt sechs Episoden.
Podcast: Streaming-Empfehlungen, die besser als The Goop Lab sind
In der neuen Folge Streamgestöber - auch bei Spotify - prüfen wir die gefeierten deutschen Serien Bad Banks und Babylon Berlin, die regelmäßig die Mediatheken zum Glühen bringen:
Babylon Berlin ist die teuerste nicht-englischsprachige Serie und erfreut sich genau wie Bad Banks internationaler Beliebtheit. Andrea, Jenny und Matthias besprechen, warum sich die der 20er-Jahre-Krimi und der Finanzthriller für euch lohnen.
Habt ihr The Goop Lab with Gwyneth Paltrow gesehen?